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Philharmonische Gesellschaft "Frischer Wind kann nicht schaden"

Kammermusik kann auch ganz schön aufregend sein. Wie das geht, und was ein Artist in Residence bei der Philharmonischen Gesellschaft so macht, erklärt Cellist Eckart Runge im Gespräch.
15.11.2021, 12:03 Uhr
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Von Iris Hetscher

Herr Runge, Sie sind der aktuelle Artist in Residence, also der Residenz-Künstler der Philharmonischen Gesellschaft. Was ist das, und was machen Sie?

Eckart Runge: Das bedeutet, ich habe eine künstlerische und persönliche Anbindung an einen Ort, an eine Spielstätte, an eine Veranstaltungsreihe. Ich bin ja nun schon ganz lange mit Bremen verbunden, kenne das Publikum gut, die Veranstalter und den Saal. Ich spiele in drei oder vier der zwölf kammermusikalischen Konzerte mit, bin als Musiker also stark präsent und bringe eigene Partner mit.

Also quasi eine Art Eckart-Runge-Spezial. Das ist aber nicht alles, oder?

Nein, ich werde in den kommenden drei Spielzeiten das Programm der Philharmonischen Kammerkonzerte mitgestalten.

Was heißt das konkret?

Wir setzen uns zusammen und überlegen: Wen könnte man einladen, wie kann die Reihe aussehen? Ich möchte die Tradition berücksichtigen, aber auch durch meine Handschrift prägen; durch das, was ich gut finde: neue Gesichter, neue Konzepte. Es wird unter anderem darum gehen, wie andere musikalische Genres die klassische Musik mittlerweile beeinflussen. Wir haben hier eine Konzertreihe, die es sei 197 Jahren gibt, die soll natürlich nicht völlig umgekrempelt werden. Aber frischer Wind kann nicht schaden.

Welche Art Wind wird denn wehen?

Ich werde Musiker vorschlagen, die noch gar nicht in Bremen gespielt haben. Im Januar beispielsweise trete ich mit dem jungen Esmé-Quartet auf. Die vier sind in ihrer Heimat Korea Superstars. Sie spielen mit großer Leidenschaft und sind für das Publikum sehr nahbar. Aber es wird auch um Konzepte gehen. Im April bin ich mit meinem langjährigen Duo-Partner Jacques Ammon zu Gast – wir spielen ein Programm, das Beethoven als revolutionäre Ikone thematisiert. Beethoven war provokativ, verstörend, aber auch ein Superstar seiner Zeit. Diesen Spagat haben auch andere Künstler geschafft, daher gibt es zudem Musik von Frank Zappa oder Jimi Hendrix. Das gab es, glaube ich, noch nicht, dass in dieser gediegenen Kammermusikreihe Hendrix zu hören war.

Das kann ja nie schaden.

Genau. An solchen musikalischen Konfrontationen sieht man, dass Klischees nicht stimmen. Wir haben auch schon Jazz mit Barock kombiniert und festgestellt, wie sehr die alten Werke eigentlich grooven. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein angeblich konservatives Publikum für so etwas durchaus zu begeistern ist. Gleichzeitig möchten wir Menschen neugierig machen, die vielleicht noch nie bei einem Konzert dieser Reihe oder vielleicht überhaupt noch nie beim einem Klassikkonzert waren. Ich erzähle immer etwas zu den Stücken, ordne sie ein; ich möchte so eine Art Gefühl herstellen: Das machen wir, die Künstler, jetzt mit euch, den Zuhörern, gemeinsam. Das nimmt viel Schwellenangst. Wir haben zudem eine "Lounge"-Reihe etabliert.

Was ist das?

Da wird in lockerem Rahmen Musik gehört und darüber geplaudert, an ganz unterschiedlichen Orten, und es wird ein eher jüngeres Publikum über einen ganz anderen Verteiler angesprochen. Beim ersten Mal waren corona-bedingt 50 Leute da, und 40 hatten überhaupt noch nie von der Philharmonischen Gesellschaft gehört. Wir bauen zudem gerade die Präsenz in den Sozialen Netzwerken massiv aus, auch die Website haben wir aufgefrischt. Das kann man nicht alles über Nacht neu machen, aber es ist wichtig für die Zukunft der Reihe. Und ich habe ja drei Jahre Zeit, um etwas zu bewegen.

Das Gespräch führte Iris Hetscher.

Zur Person

Eckart Runge

gilt als Grenzgänger der Klassikszene; er spielt auch Tango, Jazz oder Rock. Der Cellist war drei Jahrzehnte Mitglied des renommiertes Artemis-Quartetts, seit 2018 ist er als Solist unterwegs. Er ist Professor an der Universität der Künste Berlin und der Chapelle de la Reine Elisabeth Brüssel. Ab der Saison 2021/22 ist er Artist in Residence der Philharmonischen Gesellschaft Bremen.

Info

Weitere Infos über das Programm der Philharmonischen Gesellschaft gibt es unter www.philharmonische-gesellschaft-bremen.de

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