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Kunsthalle Bremen Der Reiz des anderen

Seit den 70er-Jahren engagiert sich der Sammler Franz Osmers für den Bremer Kunstverein. 55 Arbeiten aus seiner privaten Kunstsammlung und Schenkungen sind nun in der Kunsthalle zu sehen.
09.12.2022, 16:54 Uhr
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Der Reiz des anderen
Von Alexandra Knief

Fragt man den Sammler Franz Osmers, ob es ein Werk in seiner Sammlung gibt, das ihm besonders am Herzen liegt, dann gibt es darauf keine simple Antwort wie: "Ja, das da drüben." Osmers Antwort lautet wie folgt: "Mich reizt das, was anders ist." Und Werke, die auf die eine oder andere Weise hervorstechen, sei es, weil sie untypisch für die Künstler sind, die sie geschaffen haben oder aus anderen Gründen, gibt es in seiner Sammlung einige. Zwei Beispiele pickt sich Osmers, aus dessen Sammlung ab sofort 55 Arbeiten – Skulpturen, Plastiken, Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken und mehr – in der Kunsthalle zu sehen sind, dann doch noch heraus. Aber dazu später mehr.

Was ist in der Ausstellung zu sehen?

Franz Osmers engagiert sich bereits seit den späten 70er-Jahren für den Bremer Kunstverein. Direktor Christoph Grunenberg bezeichnet ihn bei einem Rundgang am Freitag sogar als "Augen und Ohren der Kunsthalle", als "Jäger", der sich mit "Geduld und Verhandlungsgeschick" eine beachtliche Sammlung aufgebaut und auch die Sammlung der Kunsthalle durch zahlreiche Schenkungen bereichert hat. Dieses Engagement will das Museum nun mit der Ausstellung "Die Sammlung Osmers. Von Archipenko bis Zero" würdigen. Und ein Blick in die Ausstellung zeigt schnell, welche Themen Osmers und seine Frau Mechthild Wantia-Osmers beim "jagen" besonders interessieren: die Darstellung der menschlichen Figur – mal abstrakt, mal gegenständlich – und die Beziehung zwischen Figur und Raum. Aufgeteilt wurde das in der Kunsthalle in fünf Räume, von denen sich jeder einem anderen Schwerpunkt widmet und die insgesamt Einblicke in 100 Jahre Kunstgeschichte geben.

Körper und Raum

Betrachtet man die Figuren aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die im ersten Raum ausgestellt sind, sieht man deutlich einen gemeinsamen Schwerpunkt: Die Wechselbeziehungen zwischen Objekt und Raum. Auch aufgrund neuer Erkenntnisse, wie der Quantentheorie oder dem Nachweis der Gleichwertigkeit von Masse und Energie, begannen Künstler vermehrt, den Raum in ihrem Schaffen mitzudenken. Skulpturen mit Leerräumen und Durchblicken, Werke die durch das Zusammenfügen mehrerer Perspektiven geprägt sind oder sich durch eine gewisse Dynamik auszeichnen, treffen hier zusammen. Zu sehen sind unter anderem Arbeiten von Alexander Archipenko, William Wauer und Karl Hartung.

Fragmentierung

Der Aspekt der Fragmentierung steht im zweiten Raum im Mittelpunkt. Neben verschiedenen Torsi, findet sich hier unter anderem eine große Arbeit von David Hockney, in der er diverse Detailfotografien der Brooklyn Bridge zu einer vollständigen Ansicht zusammengesetzt hat, in der sich so unterschiedliche Perspektiven und Zeitpunkte zu einem großen Ganzen vereinen. Drei Fotografien der iranisch-US-amerikanischen Künstlerin Shirin Neshat aus der Serie "Women of Allah" thematisieren unglaublich ausdrucksstark die Rolle der Frau im Iran seit der islamischen Revolution von 1979 und auch eine der Arbeiten, die Sammler Osmers noch einmal als "anders" hervorheben will, findet sich in diesem Raum: Joannis Avramidis reduzierte Figur "Großer Torso" – eine sehr frühe Arbeit, die sich laut Osmers deutlich von späteren Arbeiten unterscheidet.

Die Gruppe Zero

Ein weiterer Schwerpunkt der Schau liegt auf Arbeiten der Künstlergruppe Zero um Künstler wie Günther Uecker und Otto Piene, die es sich zum Ziel gemacht hatten, nach dem Krieg in der Kunst ganz neue Wege zu gehen und mit Material zu experimentieren. So finden sich im dritten Raum der Ausstellung unter anderem Arbeiten, bei denen Piene mit Feuer auf der Leinwand experimentierte oder drei "Musiker" aus Ueckers "Terrororchester", die, schaltet man sie ein, nicht nur visuell, sondern auch akustisch auf sich aufmerksam machen. Ein vierter Raum widmet sich Arbeiten, die dem Informel zuzurechnen sind. Zu sehen sind unter anderem Werke von Hans Hartung, Norbert Kricke, Mark Tobey oder Constantin Jaxy.

Kunst aus Alltagsgegenständen

Besonders spannend ist der letzte Raum der Ausstellung, der drei Arbeiten versammelt, die im wahrsten Sinne des Wortes aus Schrott Kunst machen. Rebecca Horn, Jean Tinguely und Daniel Spoerri haben Alltagsgegenstände neu zusammengefügt und so stark menschelnde Skulpturen erschaffen, die ein Eigenleben zu führen scheinen. Allen voran Tinguelys Arbeit "Schaukel-Skulptur", die laut quietschend, von einem Motor angetrieben, schwungvoll hin und her wippt, sodass sie jeden Moment von ihrem Podest zu fallen droht. Sie ist eine zweite Lieblingsarbeit von Franz Osmers. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeiten Tinguelys, bewege sich hier nicht nur ein Teil der Arbeit, sondern das ganze Objekt. "Darum musste ich es haben", so der Jäger und Sammler. Für die Kunsthalle, die Dank Osmers Engagement in den Genuss dieser Ausstellung kommt, ist das ein großes Glück.

Info

"Die Sammlung Osmers. Von Archipenko bis Zero" ist vom 10. Dezember 2022 bis zum 26. März 2023 in der Bremer Kunsthalle zu sehen. Weitere Infos unter www.kunsthalle-bremen.de.

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