Derzeit wirkt das reichhaltige kulturelle Angebot, das sonst das öffentliche Leben leuchten lässt, wie ausradiert. Theater, Konzerte, bildende Kunst, Kino, Lesungen – alles ist auf Pausetaste gelegt. Einige Künstler haben ihre Aktivitäten ins Internet verlagert, was ein bisschen verzweifelt wirkt, aber die einzige Möglichkeit ist, mit dem Publikum irgendwie verbunden zu bleiben. Die Alternative für die Kreativen heißt derzeit schweigen. Und diejenigen, die sonst als Publikum adressiert werden, merken: Da fehlt ein Lebensmittel. Eins, das den Hunger nach Disput, Diskurs, Anregung stillt.
Nun sind also alle auf Zwangsdiät zu Hause, und so mancher, der bisher kein eifriger Leser war, entdeckt das Buch als äußerst nahrhaftes Mittel gegen Frust und Langeweile. Ein Buch kann man selbst lesen, es vorlesen, seine Kenntnisse erweitern, seine Meinung schärfen. Und man kann damit das Völlegefühl abbauen, das sich nach dem Anschauen mehrerer Folgen einer Serie einstellt. Guten Appetit also!
Mehr Bücher verkauft
Dem Satz „Buchhandlungen und Bibliotheken sind Grundversorger“, den der Schriftstellerverband Pen und der Thüringer Literaturrat diese Woche geprägt haben, ist daher unbedingt zuzustimmen. Erkannt hat man das in Berlin und in Sachsen-Anhalt; nur dort dürfen Buchhandlungen nach wie vor öffnen. Viele andere, auch in Bremen, liefern ihren Kunden online bestellte Bücher nach Hause – und wer es bisher noch nicht wusste, lernt: Amazon ist nicht schneller. Gestiegen sind übrigens auch die Verkaufszahlen von Büchern, die in großen Lebensmittelmärkten angeboten werden, wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vermeldet. Doch: Was ist mit denen, die gerne lesen, sich den regelmäßigen Büchereinkauf aber nicht leisten können?
Sie sind auf Bibliotheken angewiesen, in denen auch Medien wie CD, DVD oder Spiele verfügbar sind. Doch Bibliotheken fallen unter den Passus, dass es derzeit keine großen Ansammlungen geben darf, weshalb dort über Abhol- oder Lieferservices nachgedacht wird. Das kleine Lemwerder macht in der Region den Vorreiter und beginnt am Montag, in Bremen wartet man auf Papiertüten. Trotzdem bleibt die Frage: War es unumgänglich oder unbedacht, auch die Bibliotheken zu schließen? Die Zentralbibliothek beispielsweise ist mit ihrer großen Fläche prädestiniert dafür, dass Menschen sich aus dem Weg gehen können – im Vergleich zu den meisten Supermärkten bietet sie luxuriös viel Platz zum Abstand halten. Man hätte auch überlegen können, nur eine bestimmte Anzahl Nutzer zugleich in den Räumen zuzulassen.
Sobald also darüber nachgedacht wird, das öffentliche Leben nach und nach wieder zuzulassen, sollten Bibliotheken und Buchhandlungen ganz oben auf der Liste der Einrichtungen stehen, die öffnen dürfen. Damit das Grundnahrungsmittel Buch hemmungslos gehamstert werden kann.