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Bibliotheken als Grundversorger Autorenverband fordert Öffnung von Buchhandlungen

Die Schriftstellervereinigung Pen plädiert für eine Öffnung von Buchläden und Bibliotheken, unter den bekannten Sicherheitsauflagen. Eine Kirchengemeinde in Berlin klagt gegen das Gottesdienstverbot.
06.04.2020, 06:00 Uhr
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Von Michael Brandt und Silke Hellwig

Zur Verhältnismäßigkeit der Auflagen zum Infektionsschutz haben sich die Schriftstellervereinigung Pen und der Thüringer Kulturrat zu Wort gemeldet. „Als irritierend darf ... zur Kenntnis genommen werden, dass man Weinhandlungen als systemrelevant erachtet, während es vertretbar scheint, Buchhandlungen und Bibliotheken zu schließen. Der Mensch lebt nicht von Brot und Klopapier allein, er braucht auch geistige Nahrung!“, heißt es in einer Erklärung des Pen. Der Zugang zu Büchern und damit zu Wissen und Information dürfe in einer freiheitlichen Demokratie unter keinen Umständen eingeschränkt werden. Schon zuvor hatte sich der Thüringer Literaturrat ähnlich geäußert: „Buchhandlungen und Bibliotheken sind Grundversorger.“

Der Betrieb in einigen Bibliotheken könnte – mit Absperrvorrichtungen, Abstandshaltern und anderen Hilfsmitteln – so organisiert werden, dass die Menschen ausreichend Abstand zueinander wahren. Das räumt Bibliotheksdirektorin Barbara Lison ein. Ausleihe und Abgabe laufen an Terminals, ein direkter Kontakt zu Mitarbeitern ist nicht notwendig. Eine Überprüfung der Schließung oder einen Alleingang zur Wiedereröffnung wird es dennoch nicht geben.

Kleine Bibliotheken mit vielen Besuchern

„Die Bibliotheken mussten schließen“, betont Lison. Sie bezieht sich auf die Corona-Allgemeinverfügung für Kultureinrichtungen. „Wir sind eine Einrichtung mit hohem Publikumsverkehr.“ In der Zentralbibliothek befänden sich im Schnitt 300 Personen pro Stunde, es dränge sich an der Information und an den Ausleihstationen. In den kleineren Bibliotheken wie in Osterholz und im Bibliotheksbus sei es besonders eng. Der Schutz des Publikums und der Mitarbeiter sei „offizielle Linie und offizielle Vorgabe“.

Auch Museen in Bremen böten ausreichend Platz, wenn man wenige, disziplinierte Besucher einließe. „Kultur ist ein Lebensmittel“, sagt Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD). Eindrucksvoll belegt sei das durch Brikett-Spenden in der großen Not der Nachkriegszeit für den Theaterbesuch. Eine ganze Reihe Kulturschaffender unterbreite derzeit Angebote im Netz. „Gegen alles andere stehen die jetzigen Regelungen“, so die Staatsrätin. „Wir haben lange überlegt, die Bibliotheken noch länger zu öffnen. Aber konnten nicht verantworten, damit über das körperliche Wohlergehen anderer zu entscheiden.“

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Inhaltlich teilt Barbara Lison die Einschätzung der Schriftstellervereinigung Pen. Sie sieht in der Politik momentan keine Hinweise darauf, die Häuser vor dem 19. April zu öffnen. Die Bibliotheken in den Städten mit mehr als 400.000 Einwohnern haben vor wenigen Tagen ihrer Aussage nach eine gemeinsame Internetplattform eingerichtet, um sich über die Wiederaufnahme des Betriebs unter Corona-Bedingungen auszutauschen. Lison spricht davon, stufenweise in den Alltag zurückzukehren. „Das kann bedeuten, dass zunächst bestimmte Einrichtungen unter Auflagen wieder geöffnet werden.“ Ob im ersten Schritt überhaupt Bibliotheken dabei sein werden, könne sie noch nicht sagen.

Für den zeitlich begrenzten Download digitaler Medien – die sogenannte Onleihe – hat die Bibliothek während der Corona-Krise die Möglichkeit eingerichtet, online auch den Bibliotheksausweis Bibcard zu erhalten. Ab sofort sollen Kunden Medien auch über die Homepage oder per Telefon bestellen könne. Maximal fünf Bücher, DVDs und anderes können aus dem Katalog ausgewählt werden und werden dann zu einem festgelegten Abholtermin in der Bücherei bereitgestellt, allerdings nur in Vegesack und in der Zentralbibliothek. „Wir versuchen alles, was uns rechtlich möglich ist und Mitarbeiter und Kunden nicht gefährdet.“ In Lemwerder läuft ein Service bereits seit Tagen, dort werden die Bücher zu den Kunden gebracht.

Große Kirchen haben teilweise geöffnet

Eine katholische Kirchengemeinde in Berlin geht laut NDR, WDR und der „Süddeutschen Zeitung“ juristisch gegen das Verbot von Gottesdiensten vor und fordert dieselben Regeln wie für Supermärkte. Große Kirchen dürfen in vielen Städten unter Auflagen Besucher einzeln einlassen. Auch der weitläufige St. Petri Dom ist in Absprache mit dem Rathaus von montags bis samstags zwei Stunden geöffnet. „Das Angebot wird wahrgenommen“, die Auflagen würden respektiert, sagt Pastor Henner Flügger. „Das Bewusstsein, dass es nicht reicht, wenn man gewährleistet, dass die Menschen satt und sauber sind, ist in den vergangenen Tagen gewachsen.“ Das erlebe er auch in der Telefonseelsorge. „Die Wände kommen näher.“

Carmen Emigholz geht davon aus, dass Lockerungen in umgekehrter Reihenfolge zu den Schließungen erfolgen werden. Bestuhlte Bereiche würden vermutlich als Letztes wieder freigegeben, Bibliotheken und Museen früher, sofern der Schutz der Mitarbeiter und Besucher gewährleistet werden kann.

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