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Interview mit GMD Marko Letonja „Ein Gewinn für beide Seiten“

Seit einem Jahr ist Marko Letonja Generalmusikdirektor der Bremer Philharmoniker. Im Interview spricht er über die vergangene Saison, Pläne für die just begonnene und die Zusammenarbeit mit der Band Faakmarwin.
08.10.2019, 17:40 Uhr
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„Ein Gewinn für beide Seiten“
Von Iris Hetscher

Herr Letonja, Sie sind seit einem Jahr Generalmusikdirektor der Bremer Philharmoniker. Was hat Sie bei Ihrer Arbeit mit dem Orchester bisher am meisten beeindruckt?

Marko Letonja: Die Vielfältigkeit dieses Orchesters beeindruckt mich. Jede Musikerin und jeder Musiker der Bremer Philharmoniker ist bereit, neue Formate zu erforschen und zu testen, da ist niemand festgefahren. Das ist ja nicht unbedingt der einfache Weg – man weiß nie, ob es das Orchester weiterbringt, und was das Publikum dazu sagt. Gleichzeitig ist das notwendig, um die Philharmoniker zukunftsfest zu machen, ich nenne das gerne Update. Da ist viel Neugier und Eigeninitiative vorhanden.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Vor ein paar Tagen haben wir zum ersten Mal unser neues Format „Mittendrin“ ausprobiert, bei dem einige Zuschauer während einer Probe neben Orchestermusikern sitzen und zuhören. Das ist eine Idee, die aus dem Orchester entstanden ist. Für mich ist es zudem wichtig, dass die Musiker sich bei der Programmgestaltung einbringen. Da haben sie ein Mitspracherecht.

Bei einem Format wie „Mittendrin“ könnte man annehmen, dass es nicht unbedingt die Lieblingssituation von Musikern ist, sich über die Schulter schauen zu lassen, wenn sie üben.

Das stimmt, das ist psychologisch durchaus heikel. Aber die Probe hat gezeigt, dass es eine Situation ist, bei der wir alle gewinnen können. Das Echo der Zuhörer war so positiv, dass wir jetzt schon sehr viele Voranmeldungen für den zweiten „Mittendrin“-Termin im Juni 2020 haben. Ein besseres Feedback des Publikums kann es ja gar nicht geben. Aber auch fürs Orchester hatte das einen Vorteil: Die Konzen-­tration war nicht beeinträchtigt, sondern sogar noch gesteigert. Das ist ein Gewinn für beide Seiten, ähnlich, wie wir es in der vergangenen Saison bereits mit dem eminent erfolgreichen „PausenPhiller“ erlebt haben. Und es zeigt, wie gesagt, die Großzügigkeit der Philharmoniker, sich auf so etwas einzulassen, ebenso, wie sie es immer wieder auf neue Herangehensweisen an viel gespielte Werke tun.

Inwiefern?

Wir haben just für das „5nachSechs“-Konzert die Ouvertüre zu Mozarts „Zauberflöte“ geprobt. Die kennt natürlich jeder in- und auswendig. Da könnte man jetzt sagen: Das spielen wir, wie wir es immer gespielt haben, fertig, aus. Aber das Orchester ist immer bereit, mit mir in Proben auch andere Ansätze zu probieren, neue Wege zu gehen.

Und das war bei den anderen Ensembles, mit denen Sie bisher gearbeitet haben, nicht so?

Das ist längst nicht der Normalfall. Dabei ist das gerade für Orchester von der Größe und Struktur der Philharmoniker eine Chance. So ein großes Orchester mit 80 Stellen bekommt beispielsweise viel zu selten die Chance, Werke von Mozart oder Haydn zu spielen. Aber gerade anhand solcher Werke kann man wunderbar ins Detail gehen, also die Bausteine der Orchesterarbeit mit Registerproben angehen. Auch eine Sache, die wir uns ab dieser Saison verstärkt vorgenommen haben.

Das heißt, Sie proben verstärkt mit den einzelnen Instrumentengruppen anstatt mit dem gesamten Orchester. Welche Vorteile hat das?

Man kann besser an der Phrasierung arbeiten, also an der Gestaltung der Töne einer musikalischen Phrase: Wie laut, wie rhythmisch soll es zugehen, wie soll die Stelle in einem Werk artikuliert werden? Es ist wichtig, das nicht nur mit dem gesamten Orchester anzugehen. Die Philharmoniker erarbeiten sich auf diese Art zudem eine solide klangliche Basis, um flexibel auf die sehr unterschiedlichen räumlichen Gegebenheiten zu reagieren, in denen wir spielen. Die Glocke ist akustisch ganz anders gelagert als das Theater, beispielsweise.

Noch mal zurück in die vergangene Saison. Aufsehen erregt haben die Philharmoniker auch durch die Zusammenarbeit mit der Bremer Band Faakmarwin...

Das war eine tolle Sache, und die zeigt für mich auch wieder einmal, dass wir uns als Orchester für alle Bremerinnen und Bremer verstehen. Wichtig war für mich Folgendes: Es sollte ein Stück entstehen, das von den Philharmonikern getragen wird – wir haben ja nicht einfach die Soundkulisse für eine Rockband geliefert.

Sondern?

Es ist ein orchestrales Werk geworden, eine echte Zusammenarbeit. Wir haben drei Stunden intensiv zusammen geprobt, bis fünf neue Minuten Musik entstanden sind.

Das klingt, als könnten Sie es gar nicht abwarten, das zu wiederholen.

Sehr gerne. Ich hätte beispielsweise Lust, auch mal ein Werk von Frank Zappa einzustudieren. Er hat ja auch für Symphonieorchester geschrieben.

In den kommenden Spielzeiten befassen Sie sich auf jeden Fall immer wieder mit der Geschichte der Sinfonie. Wie eng gesteckt ist das als Rahmen der Programme?

Das ist eher locker geknüpft, deshalb gehen wir da auch nicht streng chronologisch vor. Wir wollen uns eher mit ausgewählten, wegweisenden Stücken bis zu unserem 200-Jahre-Jubiläum in fünf Jahren vorarbeiten. Im ersten Philharmonischen Konzert dieser Saison haben wir daher die „Symphonie fantastique“ von Berlioz gespielt. Oder wir lassen zwei gegensätzliche Ansätze aufeinander reagieren: Sinfonien von Haydn und Tschaikowsky beispielsweise. Am Ende steht dann die Auftragskomposition zum 200-Jährigen, auf die wir schon alle sehr gespannt sind.

Das Gespräch führte Iris Hetscher.

Zur Person

Zur Person

Marko Letonja

ist seit der Spielzeit 2018/19 Generalmusik-­direktor der Bremer Philharmoniker. Er hat ­Klavier und Dirigieren in Ljubljana studiert, ­leitete dort die Slowenische Philharmonie. Außerdem startete er eine internationale Karriere, war Chefdirigent des Theaters Basel und leitet außer den Bremer Philharmonikern noch das Orchèstre Philharmonique de Strasbourg, mit dem er Ende November in der Elbphilharmonie gastiert.

Info

Zur Sache

Philharmoniker und Faakmarwin

Den Song „High wie Kometen“, den die Bremer Philharmoniker gemeinsam mit der Band Faakmarwin Ende Juni in der Glocke aufgenommen haben, ist ab Freitag, 11. Oktober, auf Musikstreamingdiensten und Downloadportalen abrufbar. Gleichzeitig erscheint ein Video zu dem Song. Die Idee zu der Zusammenarbeit entstand bei den Aufnahmen zu einer „Buten- und Binnen“-Sendung in einer Straßenbahn. Orchester und Band kooperierten nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter den Kulissen. Chriz Falk, der Produzent der Band, und Arrangeur Axel Tenner haben die Arrangements für das Orchester in enger Abstimmung mit Marko Letonja geschrieben. Tenner leitete die Aufnahme gemeinsam mit Toningenieur Dirk Alexander, Hornist bei den Bremer Philharmonikern.

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