Was ist das für ein Objekt?
Es sieht aus wie ein Fahrrad. Mit Hinterrad und hartem, abgewetztem Uralt-Sattel. Aber die Kette führt nicht nach hinten, sondern zu einem Zahnrad vorn, das an einem Gestänge mit zwei Paar Stelzen befestigt ist. Ingmar Lähnemann, Leiter der Städtischen Galerie schwingt sich auf den seltsamen Drahtesel und tritt kräftig in die Pedale – da bewegt sich erst das linke, dann das rechte Stelzenpaar. Das Objekt stolziert nach vorn. "Nicht ganz ungefährlich, man muss das Gleichgewicht halten", sagt der Kunstexperte und lacht. "Und man kann auch rückwärts treten."
Das "Fahrradobjekt mit Lauftechnik" hat der Wolfgang Zach 1981 ertüftelt und zusammengeschweißt. "Wir haben vier davon und eine Grafik, die zu der Serie gehört", sagt Lähnemann. Ein "Laufrad", das man neben sich herschiebt, gibt es da, ein Rad mit je einem Lenker hinten und vorn oder einen Sattel mit einem Tragegestell, das man sich auf die Schulter spannt. Dazu besitzt die Städtische Galerie noch eine Tribüne, auf der die Zuschauer statt auf Stühlen auf Fahrradsatteln sitzen. "Alles Unikate", wie Lähnemann unterstreicht.
Wer ist der Künstler?
Wolfgang Zach, 1949 in Bremen geboren, ist heute vor allem durch großformatige Zeichnungen bekannt und durch Werke im öffentlichen Raum. In Bremen kennt man von ihm etwa den Gezeiten- oder Tidebrunnen in der Pieperstraße, der den Tidenhub der Unterweser und den Stand des Grundwassers anzeigt, und das Trojanische Pferd auf dem Hof der Grundschule an der Lessingstraße. Zach hat von 1969 bis 1977 in Karlsruhe erst Informatik, dann Kunst studiert. In dieser Zeit und in den Jahren danach entstanden kinetische Drahtobjekte und eben die Fahrradobjekte.
In den 80er-Jahren schuf Zach mit Zeichen-Maschinen (Plotter) computergenerierte Zeichnungen, für die er selbst die Programme schrieb. Er lebt in Bremen, wo er von 2003 bis 2018 Vorsitzender des örtlichen Verbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) war. "In seinem Atelier in der Friesenstraße gibt es einen selbst konstruierten Plotter, in den er zwei Meter breite Papierbahnen einspannen und die Andruckstärke einer Grafitmine steuern kann", berichtet Lähnemann. "Die zieht letztlich nur, mehr oder weniger intensiv, eine Linie, und daraus entstehen riesige Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die wie Fotos aussehen", berichtet Lähnemann.
Was macht den Reiz des Objekts aus?
"Zachs Objekte verfremden das Fahrrad so stark, dass es total surreal und dadaistisch wird", erläutert Lähnemann. "Sie funktionieren nicht als Fährrader, aber man kann sie benutzen – das ist das Besondere daran. Ein Fortbewegungsmittel wird hier mal anders gedacht." In Karlsruhe habe Zach die Objekte Anfang der 80er gleich im Park präsentiert und von Neugierigen ausprobieren lassen. "Ein alter Film zeigt, wie gut das beim Publikum ankam, dieser Effekt stellt sich seitdem immer wieder ein." In Bremen etwa bei der Langen Nacht der Museen oder zuletzt 2022 in einer Ausstellung. "Sie sind nicht fahrbar, aber benutzbar", sagt der Galeriechef. "Das unterstreicht den skulpturalen Aspekt."
Aktuell allerdings hat die Städtische Galerie ganz praktische Probleme. Der Hinterreifen lässt sich nicht mehr aufpumpen. Ein neues Ventil, vielleicht auch ein neuer Schlauch muss her. Aber das sei vom Künstler gebilligt: "Hier kommt es auf die Bewegungsfähigkeit an."