Herr Lukas, Sie spielen den Künstler Heinrich Vogeler im gleichnamigen Doku-Fiktion-Film von Marie Noëlle. Wie sind Sie zu der Rolle gekommen?
Florian Lukas: Das war einer dieser seltenen Momente, in denen ein Produzent - Matthias Greving von Kinescope - in noch einem total frühen Stadium mit der Idee auf mich zukam. Das Exposé mit Fotos und Werken von Heinrich Vogeler hat mich irgendwie berührt. Der Name war für mich damals - aus Berliner Sicht - so unterrepräsentiert, er war mir nicht geläufig. Für mich war das alles ein großes Geschenk, weil ich mich mit Worpswede immer mal intensiver auseinandersetzen wollte. Das Projekt hat mich also irgendwie gefunden.
Wie haben Sie sich vorbereitet?
Es gab viele Gespräche mit der Regisseurin darüber, was sein Künstlerleben ausgemacht hat, was ihn beschäftigt haben könnte. Wir haben versucht, ihn zu interpretieren, auch aus seinen Werken und seiner Biografie "Werden" heraus. Ich habe mich auch mit einem Maler getroffen, um über seinen Malstil zu sprechen und ihn zu interpretieren. Der sagte, Vogeler muss eventuell ein Problem mit seinem Selbstbewusstsein gehabt haben, weil er so kleinteilig, so perfektionistisch gemalt hat. Er spekulierte, dass darin irgendeine Art von Bruch verborgen ist. Fehlte ihm Anerkennung? Gab es eine Verlustangst, aufgrund von Kindheitserlebnissen? Vogeler hat in Worpswede eine Welt um sich herum gestaltet, die ihn inspiriert hat. All das war aber auch sehr abgetrennt von der restlichen Welt, die ihn umgeben hat. Seine Ehekrise sieht man auch in den Bildern, ebenso sieht man in den Zeichnungen aus dem Krieg, was ihn beschäftigt hat. Er war sehr ehrlich in seiner Ausdrucksweise.
Wie würden Sie Vogeler, jetzt wo Sie ihn besser kennen, beschreiben?
Ich glaube, dass er immer Glück gesucht und es auch gefunden hat. Er war durchaus ein Träumer, ganz sanftmütig in seinem Wesen und ohne Groll. Er war zwischendurch auch echt traurig, aber hat es geschafft, seine Krisen in etwas Schönes zu transformieren, beziehungsweise in eine schöne Vorstellung von etwas.
Sind das Eigenschaften, mit denen auch Sie sich identifizieren?
Nicht unbedingt. Aber sie inspirieren mich. Wobei ich es auch kenne, dass aus Krisen etwas entsteht, was eine besondere Wirkung hat. Ich glaube auch, dass Kunst aus einem Wohlfühlen heraus nicht gut funktioniert. Ich versuche, das in meinem kleinen Bereich des Schauspiels umzusetzen. Ich gucke, was gab es bei mir für Nackenschläge und versuche, diese in meine Rollen zu übersetzen.
Hat sich durch den Dreh Ihre Sicht auf die Kunst und deren Bedeutung verändert?
Nein, ich glaube nicht. Ich bin grundsätzlich sehr kunstinteressiert und gehe wahnsinnig gerne in Ausstellungen. Ich würde sagen, meine Sicht auf Kunst hat sich durch den Dreh nicht verändert, aber mein Horizont hat sich - wieder einmal - erweitert.
Vogeler umgab sich mit Menschen wie Rainer Maria Rilke, Paula Modersohn-Becker, Auguste Rodin. Persönlichkeiten, die auch Sie fasziniert hätten, hätten Sie zeitgleich gelebt?
Ja, absolut. Das sind alles Künstler, mit denen ich unglaublich viel anfangen kann. Was mich sehr melancholisch stimmt, ist, dass der Zusammenhalt nicht so richtig gut funktioniert hat. Dass es ein Zeitfenster gab, wo sie sich alle gegenseitig unglaublich inspiriert haben, wo große Kunst und Familien entstanden sind. Dass diese Kunst aber auch zerfiel, es zu Krisen kam, Ehen zerbrachen. Ebenso wie die Freundschaft von Vogeler zu Rilke. Das ist traurig, dass es selbst, wenn viele große Persönlichkeiten aufeinandertreffen, die von außen gesehen das Gleiche wollen, nur für einen kurzen Moment funktioniert und dann wieder vergeht. Aber so ist das Leben.
Man hat allerdings das Gefühl, dass Marie Noëlle nicht der größte Rilke-Fan ist. Er kommt im Film nicht als Sympath rüber.
Das ist tatsächlich so. Ich finde, man kann bei Rilke auch ruhig mal einen Bruch zeigen. Ihm nur über seine Gedichte zu begegnen, erzählt eben nur einen Aspekt. Er war anscheinend einfach auch ein komischer Vogel, bei dem etwas kaputt war, was ihn aber wiederum befähigt hat, so eine Lyrik zu schaffen.
Was hat Ihnen beim Dreh am meisten Spaß gemacht?
Bei einem Vordreh in Worpswede und der Umgebung haben wir unter anderem eine Urenkelin von Vogeler getroffen. Ich habe sie spontan vor der Kamera in einer Improvisation kennengelernt. Ich war im Vogeler-Kostüm, und wir haben uns unterhalten, als wenn wir tatsächlich verwandt wären. Das war ein Gänsehautmoment: Zwei Menschen unterhalten sich über Generationen hinweg darüber, was die Vorfahren beschäftigt hat und was aus den Nachfahren wurde. Im Film ist es ja auch so, dass die Epochen aufeinandertreffen. Als wenn Zeitreisen möglich wären.
Sie sagen es. Im Film verschwimmen immer wieder die Zeit-Ebenen, in einer Szene trifft eine zeitgenössische Künstlerin auf Rodin und zeigt ihm, wie seine Kunst ihr Schaffen beeinflusst hat. Wen würden Sie gerne treffen, wenn Zeitreisen möglich wären?
Ich würde gerne wissen, ob Jesus eher so war wie in "Das Leben des Brian" oder eher so, wie man es im Neuen Testament nachlesen kann. Es ist eine Geschichte, die über Jahrtausende Menschen verbindet, motiviert, tröstet, aber auch Kriege führen lässt. Darum würde mich unglaublich interessieren, ob das alles tatsächlich wahr ist.
Und zum Schluss dieser Zeitreise noch ein Blick in die Zukunft: Welche Projekte stehen bei Ihnen an?
Ich habe vergangenes Jahr eine Serie über einen Darts-Spieler gedreht, "Die Wespe". Die wird demnächst fortgesetzt. Ich lasse mir also wieder einen Vokuhila und einen Schnauzbart wachsen, und wir beginnen im Mai mit den Dreharbeiten für die zweite und dritte Staffel.
Das Gespräch führte Alexandra Knief.