In der Bremer Veranstaltungsbranche ist der Ausnahmezustand zur Normalität geworden. Nach der existenzbedrohenden Corona-Zeit verzeichneten manche Veranstalter in den vergangenen Monaten einen Kundenansturm – auch die gestiegenen Kosten bremsen die Nachfrage kaum. Andere wiederum vermissen ihr Publikum nach wie vor. So vielfältig wie die Branche ist auch das Stimmungsbild.
Einer, den der Blick in den Buchungskalender optimistisch stimmt, ist Christian Seidenstücker. Er ist Vorstand der Joke Event AG, einer Bremer Veranstaltungsagentur mit fünf weiteren Standorten und rund 100 Mitarbeitern. Die Joke Event AG richtet unter anderem Messen, Tagungen und Firmenfeiern aus. Diese Formate – wenn nicht die ganze Branche – seien von einigen Skeptikern schon totgesagt worden, sagt Seidenstücker. Jetzt wird wieder in Präsenz getagt und gefeiert. Schon im vergangenen Jahr habe man die Ergebnisse aus der Vor-Corona-Zeit erzielt – obwohl die Kunden in den ersten drei Monaten noch sehr zurückhaltend gebucht hätten. "2023 werden wir wohl wieder auf diesem Niveau sein, vielleicht sogar darüber", sagt Seidenstücker.
Was lange Zeit nicht möglich war, haben viele Firmen zuletzt nachgeholt. Organisatorisch einfacher ist es für die Veranstalter im Vergleich zu den Corona-Jahren nur bedingt geworden. "Mehr Projekte in kürzerer Zeit", fasst Seidenstücker die vergangenen Monate zusammen. "Wir mussten sogar einige Aufträge ablehnen – zum ersten Mal in den 30 Jahren, die ich schon dabei bin", sagt der Firmenvorstand. Der Ressourcenmangel mache der Eventbranche zu schaffen, obwohl die Joke Event AG keinen Mitarbeiterschwund zu beklagen habe. Dafür sei es wegen der vielen Nachholveranstaltungen teilweise schwierig gewesen, geeignete Orte zu finden.
Und dann ist da ja noch das Thema Geld: Eine Veranstaltung, die für Anfang 2022 geplant war und dann coronabedingt verschoben werden musste, kann ein Jahr später nicht zum gleichen Preis stattfinden. Durchschnittlich zehn bis 20 Prozent teurer seien die Projekte durch die Inflation geworden, sagt Seidenstücker. Für Altverträge habe man mit den Kunden individuelle Lösungen gefunden. Auch für dieses Jahr werde fleißig gebucht – trotz der gestiegenen Preise. Unternehmen hätten oftmals feste Budgets für Veranstaltungen, erklärt Seidenstücker. Seine Kunden sparten jetzt eher an der Quantität statt an der Qualität. Heißt zum Beispiel: sechs statt zehn Events im Jahr oder die Messe mit einer statt mit zwei Übernachtungen. Auch Hybridveranstaltungen, bei denen Gäste mit potenziell weiter Anreise stattdessen digital zugeschaltet werden, seien mittlerweile etabliert.
Wer sich bei den Bremer Veranstaltern umhört, könnte zu folgendem Fazit kommen: Die Branche lebt, aber an den Rändern franst sie aus. Das gilt vor allem dann, wenn die Kunden keine Unternehmen sind und die Veranstalter selbst nicht zu den Größten ihrer Art gehören. "Halbvoll ist das neue Ausverkauft", sagt Elena Tüting vom Kulturzentrum Schlachthof. Einige Konzerte und Veranstaltungen seien wieder gut besucht, aber im Mittelbereich laufe es eher mäßig. Die Konzertbesucher, so Tütings Eindruck, "gehen auf Sicherheit". Statt zu experimentieren, sparten viele Menschen auf ein größeres Konzert. Von den Agenturen sei zu hören, dass einige Künstler wegen der gestiegenen Reisekosten und schlechter Verkaufszahlen vorerst keine Tourneen mehr machen, sagt Tüting.
Um höhere Preise für die Konzerttickets komme man auch im Schlachthof nicht herum. Die Kosten für Veranstaltungen seien um 20 bis 30 Prozent gestiegen – im Oktober habe sich die Abschlagszahlung für Strom fast verdoppelt. Im vergangenen Jahr, so Tüting, habe der Schlachthof finanzielle Unterstützung vom Kultursenator bekommen. Ob 2023 ebenfalls Hilfsgelder fließen werden, sei noch unklar.
Dass Bremen sich an den Hamburger Nachbarn orientiert, ist ein Wunsch von Thorsten Lieder. Der Geschäftsführer der Bremer Gastro-Gemeinschaft hat ebenfalls den Eindruck, dass viele kleinere Veranstalter noch Teile ihres Publikums vermissen. Hamburg setzt mit eigenem Geld ein Hilfsprogramm für Kulturveranstaltungen fort, das bis zum Jahresende 2022 vom Bund finanziert worden war. Förderfähig ist jede Veranstaltung mit maximal 2200 Besuchern, die "aufgrund geringer Publikumsnachfrage nicht kostendeckend durchgeführt werden kann".