Wenn es klappt, was der Verein sich vorgenommen hat, geht dieser Tag in Bremens Geschichte ein: 14 Kilometer Straße, die am 18. September, einem Sonntag, zur Feiermeile umfunktioniert werden. "Die längste Tafel der Welt", nennen die Veranstalter ihre Aktion. Tisch an Tisch – vom Bremer Osten in Sebaldsbrück über die Innenstadt, die Überseestadt bis weit in den Bremer Westen nach Gröpelingen. "Während des Events bleiben die Straßen für den Autoverkehr geschlossen", heißt es in einem Papier des Vereins "Autofreier Stadtraum Bremen". Die Straßenbahn verkehrt dagegen weiter und dient als Shuttle. Das ist der Plan. Ob daraus etwas wird, hängt unter anderem am Geld. Der Verein hat einen Förderantrag beim Bundesfonds Soziokultur in Bonn gestellt. Die Entscheidung wird für Ende Juni erwartet.
Kühe auf dem Rembertikreisel
"Es geht bei dem Projekt um weit mehr, als für einen begrenzten Zeitraum die Autos aus der Stadt zu bekommen, und schon gar nicht wollen wir Bremen lahmlegen", erklärt Susanne von Essen vom Vorstand des Vereins. Ziel sei, auf charmante Art und Weise Veränderungsprozesse anzustoßen. "Wir wollen Begegnungen ermöglichen und Bilder erzeugen", so die Kulturmanagerin. Den städtischen Raum mal anders erleben und sein Potenzial erkennen. So wie vor zehn Jahren, als der viel befahrene Rembertikreisel für den Autoverkehr gesperrt wurde, dort plötzlich Kühe grasten und die Stimmung unter den vielen Menschen wie bei einem Volksfest war.
20.000 Biertische
Von Essen betont, dass es sich bislang lediglich um eine Ideenskizze handele. Anfang März habe es dazu einen sechsstündigen Workshop gegeben, das nächste Treffen sei für den kommenden Mittwoch geplant. Rund 50 Organisationen hätten bereits ihr Interesse signalisiert, viele aus dem Kulturbereich, aber auch Vereine, Institutionen und Unternehmen wie der ADFC, die AOK, Gewoba, Hochschule und Handelskammer. Mitmachen sollen aber im Grunde alle: die Anwohnerinnen und Anwohner an der Strecke, Gastronomen, Handwerker, Dienstleister, Kulturschaffende. "Auf dem Tischtuch können Vorstellungen über die Stadt der Zukunft formuliert und skizziert werden", schreibt der Verein in seinem Konzept.
Noch länger als "Die längste Tafel der Welt" war vor zwölf Jahren die Tischreihe auf der Ruhrgebietsautobahn A 40 zwischen Duisburg und Dortmund. Die zwei Millionen Euro teure Aktion, durchaus verwandt mit dem Bremer Plan, war eines der Schlüsselprojekte der Kulturhauptstadt 2010 im Ruhrgebiet. Auf den 60 Kilometern wurden mehr als 20.000 Biertische aufgebaut, die für 25 Euro reserviert und für eigene Präsentationen genutzt werden konnten. "Über die Organisatoren brach eine Lawine von Bewerbungen herein: Feuerwehrfrauen, Tipp-Kick-Fans, Geiger, Pudelfreunde, Philosophen und Imker wollten mitmachen", schilderte damals die "Welt". Die Biertische seien nach dem Happening für 50 Euro verkauft worden. Wie jetzt in Bremen, hatten auch die Veranstalter von "Stillleben" betont, dass ihr Ansatz weitergehe, als nur die Autos zu verbannen: "Wir wollen die Region zusammenschweißen."

Die längste Tafel der Welt; 18. September 2022; Verlauf der geplanten Strecke; Autofreier Stadtraum Bremen
Kernzeit 11 bis 15 Uhr
Die A 40 war 31 Stunden lang gesperrt, deutlich länger als das in Bremen geplant ist. Die Kernzeit soll laut von Essen zwischen 11 Uhr und 15 Uhr sein, mit Auf- und Abbau kämen noch ein paar Stunden dazu. Über die genaue Streckenführung werde noch beraten: "Relativ klar ist das für den Abschnitt von Hemelingen bis zum Brill: Hastedter Heerstraße, Bei den Drei Pfählen, Hulsberg, Schwarzes Meer, Steintor und Ostertor." Geplant sei auch ein Schlenker in die Überseestadt.
"Die längste Tafel der Welt" soll Teil der Europäischen Mobilitätswoche sein. Das vom Umweltbundesamt unterstützte Programm gibt es seit 20 Jahren, es findet jedes Mal vom 16. bis 22. September statt. Kommunen in ganz Europa probieren dann innovative Verkehrslösungen aus und entwickeln Ideen, wie Mobilität nachhaltiger gestaltet werden kann. Bremen hatte das zum Beispiel für den autofreien Tag am Rembertiring genutzt. In den drei folgenden Jahren waren es ähnliche Aktionen in der Neustadt, an der Bremerhavener Heerstraße und in Burglesum – jeweils mit Kosten von annähernd 100.000 Euro. Der SPD war das irgendwann zu viel Geld, sie trotzte den Grünen ab, auf diese Ausgabe zu verzichten. Als Folge wurde der Verein "Autofreier Stadtraum Bremen" gegründet.