Herr Kruppa, Bremen hat bereits das Theaterschiff, die Komödie Bremen, das Fritz und das HafenRevue-Theater. Warum braucht es Ihrer Meinung nach noch ein weiteres Boulevardtheater?
Kay Kruppa: Als Theaterliebhaber finde ich grundsätzlich, dass es in Bremen nicht genug Theater geben kann. Und es kommt ja auch immer darauf an, was man unter Boulevardtheater versteht. Ich glaube, dass wir uns inhaltlich von den anderen Theatern unterscheiden. Sie werden bei uns kein Stück sehen, das auch in den anderen Theatern läuft.
Wo sehen Sie selbst Ihre inhaltlichen Schwerpunkte? Was unterscheidet Sie von den anderen Theatern?
Wir zeigen Klassiker, genauso wie Farcen und Verwechslungskomödien und ganz neu geschriebene Boulevardkomödien. Ein Unterschied liegt auch in der Besetzung. In unseren ersten Stücken spielen je neun oder zehn Schauspieler mit, wir machen hier relativ aufwendige Aufführungen – personell wie bühnenbildlich. Für mich ist die Komödie die Königsdisziplin. Ernsthaft und glaubhaft komisch zu sein, ist nicht so einfach, und das können auch nicht alle.
Was steht auf dem Programm Ihrer ersten Spielzeit in Bremen?
Wir eröffnen mit der Komödie "Und immer wieder zahlt das Amt". Danach spielen wir mit "Kalender Boys" eine freche neue Boulevard-Komödie, die hier wunderbar herpasst. Und dann kommt mit "Die Feuerzangenbowle" ein Klassiker. Das vierte Stück, "Ich will ein Kind von dir", haben wir selbst extra für das neue Theater geschrieben, und in "Heiner, Sascha und die Anderen", einer musikalischen Komödie, mit der wir die erste Saison beenden, wird es eine Live-Band auf der Bühne geben. Ich glaube, auch solche Sachen machen uns einzigartig.
Wie kam es überhaupt, dass Sie, als Intendant des Weyher Theaters, nun mit einem zweiten Theater hier in Bremen gelandet sind?
Wir sind vom geschäftsführenden Gesellschafter von Justus Grosse, Clemens Paul, angesprochen worden. Er ist Fan unseres Theaters in Weyhe und fragte, ob wir das, was wir dort machen, nicht auch in Bremen machen wollen. Dann haben wir ein Jahr lang überlegt und ja gesagt. Und er hat gesagt: Gut, dann bauen wir euch das schlüsselfertig hier hin. Also sind wir jetzt Mieter.
In der Stadt redet man darüber, ob dies nicht vielleicht auch damit zu tun haben könnte, dass der Bremer Bürgermeister und Kultursenator vor nicht allzu langer Zeit noch Bürgermeister in Weyhe war…
Wir kennen uns natürlich, aber Andreas Bovenschulte hat damit null zu tun. Ich habe ihn damals darüber informiert, dass wir hier ein Theater machen. Nicht andersherum.
Sie starten mit der Komödie „Und immer wieder zahlt das Amt“ in die Saison, über einen Mann, der das Sozialamt betrügt. Wieso ist die Wahl auf dieses Stück gefallen?
Wir wollten mit einer großen Verwechslungskomödie starten, um dem Namen Boulevardtheater auch gerecht zu werden. Es ist ein britisches Stück, im Original "Cash on Delivery" von Michael Cooney, dem Sohn von Ray Cooney, dem Farceur schlechthin. Ich liebe das Stück. Wie haben es vor elf Jahren bereits in Weyhe gespielt, und dort ist es fantastisch gelaufen.
Ist das Thema wirklich eine gute Wahl, in einer Zeit, in der viele Menschen corona-bedingt um ihre berufliche Existenz bangen und vielleicht mehr mit dem Amt zu tun haben, als ihnen lieb ist?
Ich glaube jeder, der in das Stück geht, wird sich kaputtlachen. Außerdem haben wir – und das muss man auch sagen – weder einen politischen noch einen Bildungsauftrag. Wir wollen einfach nur unterhalten. Unser Ziel ist es, dass die Leute unser Haus glücklicher verlassen als sie es betreten haben. Ich bin mir sehr sicher, dass wir das auch mit diesem Stück schaffen werden.
Klappt das wirklich immer?
Im Wesentlichen schon. Natürlich gibt es immer Leute, die die Aufführung nicht mögen. Aber wir haben in den vergangenen Jahren immer 80.000 bis 90.000 Zuschauer in Weyhe gehabt, eine Auslastung zwischen 84 und 96 Prozent. Dass wir das hier nicht sofort schaffen, ist uns klar, aber langfristig ist das unser Ziel.
Grundsätzlich fällt es den meisten Boulevardtheatern schwer, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Haben Sie da einen Masterplan?
Bei den Inhalten, die wir bieten, gerade bei den Stücken, die wir neu geschrieben haben, geht es im Schwerpunkt um jüngere Leute. Das Eröffnungsstück ist zwar ein Klassiker, aber auch eine physische Komödie, die durch die Körperlichkeit lebt. Da haben auch junge Leute sehr viel zu lachen.
Gerade jüngere Menschen können und wollen aber nicht mehr unbedingt über Geschlechter- und andere Klischees lachen. Ist das ein Problem des Boulevards?
Das mag ein Problem sein. Aber solange dieses Spiel mit Klischees nicht despektierlich geschieht, sehe ich darin kein Problem.
Wenn wir jetzt sagen: Null bedeutet frei von Klischees, zehn bedeutet: Immer drauf auf die Stereotype, wo würden Sie sich selbst einordnen?
Das ist schwierig. Ich würde sagen, wir liegen so bei fünf. Einige Geschichten funktionieren nur, wenn man sie klischiert und überzeichnet. Ganz ohne funktioniert Boulevardtheater nicht. Aber das muss ja nicht immer etwas Negatives sein. Nehmen wir als Beispiel den uralten Film "Tootsie" mit Dustin Hoffmann. Der spielt unglaublich mit Klischees, aber auf eine ganz liebenswerte Art, ohne sich dabei über irgendjemanden lustig zu machen. Man kann auch mit Klischees spielen und gleichzeitig etwas für Respekt und Anerkennung tun.
Was sind Ihre Wünsche und Ziele für die nächsten Jahre?
Der größte Wunsch ist, dass die Pandemie endet. Wir hoffen natürlich auch, neues Publikum zu erreichen. Dass sich der Hanseat, der sich bisher dachte: Ne, raus nach Weyhe aufs Land fahr ich nicht, jetzt zu uns auf den Weg macht. Wir hoffen, dass uns das Publikum offen empfängt und uns eine Chance gibt - selbst die, die Boulevardtheater gegenüber vielleicht bisher skeptisch sind.
Das Gespräch führte Alexandra Knief.