Frau Nowak, wie viele Kunstwerke gibt es in Bremen im öffentlichen Raum?
Nicole Nowak: Wir gehen davon aus, dass aktuell etwa 680 dauerhafte Werke im Außenraum stehen. Und es hat viele temporäre Werke gegeben, die nur für einen bestimmten Zeitraum zu sehen gewesen sind. Diese Zahl schätzen wir auf circa 670.
Was fällt alles unter Kunst im öffentlichen Raum?
Das können ganz klassisch zum Beispiel Brunnen sein, große Monumente und Denkmäler, aber auch Skulpturen. Es gibt Wandmalereien, Installationen. Aber auch Interaktionen oder Performances, die nur für einen Nachmittag an einem bestimmten Ort zu sehen sind. Die kann man jetzt natürlich nicht mehr alle sehen, aber man findet sie auf unserer Homepage für Kunst im öffentlichen Raum. Dort kann man sich einen guten Überblick verschaffen und zum Beispiel auch nach Kunst in bestimmten Stadtteilen suchen, wenn man gerne mal vor seiner Haustür auf Entdeckungstour gehen möchte.
In den vergangenen Jahren sind besonders viele Wandmalereien hinzugekommen, oder?
Das wirkt vor allem durch ein besonderes Projekt so, das seit 2017 und bis jetzt läuft: Im Rahmen des "Handlungsfeldes sichere und saubere Stadt" hat man gemeinsam mit der Stadtreinigung und dem Bauressort überlegt, wie man dunkle Tunnel und Unterführungen aufwerten kann. Das Ergebnis waren 13 Wettbewerbe, durch die Tunnel künstlerisch gestaltet werden konnten.
Was hat sich sonst in den vergangenen Jahren getan?
Seit drei, vier Jahren merken wir, dass das Thema Kunst am Bau wieder an Fahrt aufnimmt, also dass Kunst direkt mitgedacht wird, wenn ein neues Gebäude entsteht. An der Feuerwehr Farge ist beispielsweise beim Neubau ein begleitendes Kunstwerk mit dem Namen "Rahmenspiel" von Joachim Manz im Außenraum entstanden. Und auch im Bereich der temporären Kunst ist viel passiert. Zum Beispiel hat der Künstler und Kurator Pio Rahner 2020 mit seinem Projekt "Sichten" die Displays an den Straßenbahnhaltestellen mit unterschiedlichen Fotografien bespielt.
Kommt es vor, dass Künstler von sich aus an die Stadt herantreten und sagen: „Ich habe hier was“?
Ja, so oder so ähnlich kommt das vor. Oft geht es dabei um temporäre Projekte. Aber auch hier müssen Künstler und Künstlerinnen natürlich den normalen Weg gehen: Projektmittel einwerben und bei Erfolg gegebenenfalls Genehmigungen einholen.
Oder man macht es so, wie der "Bremer Banksy" und stellt seine Kunst einfach irgendwo hin...
In diesem Fall hat es ausnahmsweise geklappt, aber man läuft als Künstler natürlich immer Gefahr, dass die Kunst nicht stehen bleibt. Ich kann also nicht dazu raten, das jetzt inflationär zu probieren.
1973 hat der Senat das Programm „Kunst im öffentlichen Raum“ beschlossen. Darin stand unter anderem, dass 1,5 Prozent der Kosten öffentlicher Baumaßnahmen für die künstlerische Gestaltung öffentlicher Räume verwendet werden sollen. Gibt es das Programm noch?
Ja, das Programm gibt es noch. In den 70er- und 80er-Jahren hat Bremen sich damit einen guten nationalen Ruf erarbeitet. Da war die Stadt in einer Vorreiterposition, dass Kunst überhaupt so mitgedacht wurde. Im Rahmen der Haushaltsnotlage und Schuldenbremse wurde das Programm nicht immer in vollem Umfang umgesetzt. Also hat man versucht, auf anderem Wege Geld dafür einzuwerben. In Bremen hatten wir eine sehr komfortable Situation dadurch, dass wir von den Achtzigern bis 2015/2016 die Stiftung "Wohnliche Stadt" hatten. Aus den Geldern, die dort zur Verfügung standen, konnte das Kulturressort viel Kunst im öffentlichen Raum umsetzen. Deshalb haben wir auch so viele Kunstwerke. Die Stiftung gibt es aber nicht mehr, deshalb werden die Themen Fördergelder, Drittmittel, Sponsoren, Mäzenatentum auch für uns immer wichtiger.
Wie viel Geld gibt Bremen pro Jahr für Kunst im öffentlichen Raum aus?
Seit 2003 stehen für die Errichtung neuer Kunstwerke jährlich 30.000 Euro zur Verfügung und weitere 30.000 Euro für die Instandhaltung und Sanierungen bestehender Kunstwerke.
Das ist wahrscheinlich nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein...
Damit kann man tatsächlich in der Regel kein großflächiges neues Programm und neue Kunstwerke realisieren. Alles darüber hinaus muss also über Drittmittel und gemeinsam mit den anderen Ressorts erwirtschaftet werden. Da arbeiten wir auch eng mit dem Bauressort oder den Umweltbetrieben Bremen zusammen. Beim Thema "Kunst am Bau" stehen dann natürlich noch mal Extragelder aus dem Bauvolumen zur Verfügung, die aus dem Bauressort kommen.
Wie groß ist das Problem Vandalismus? Graffiti auf Kunstwerken zum Beispiel?
Ich denke, dass das in der Pandemie noch einmal zugenommen hat. Es gab auch Situationen, wo jemand eine Skulptur angefahren und Fahrerflucht begangen hat. Wir sind immer froh, wenn die Bremer und Bremerinnen uns unterstützen und informieren, wenn es nicht gut um ein Kunstwerk in ihrem Stadtteil steht. Wir müssen dann priorisieren. Rechtsradikale Parolen müssen natürlich schnellstmöglich entfernt werden. Ebenso müssen wir schnell handeln, wenn die Verkehrssicherheit irgendwo gefährdet ist. Viele Kunstwerke kommen aber auch einfach nur in die Jahre. Auch da müssen wir regelmäßig prüfen, ob sie zum Beispiel noch fest und sicher stehen.
Warum ist Kunst im öffentlichen Raum Ihrer Meinung nach wichtig?
Es ist ein gutes Mittel, um Demokratie zu bilden und demokratische Prozesse zu begleiten. Da kann man an Schlagworte wie Leerstände in der Innenstadt, Privatisierung öffentlicher Plätze, Transformationsprozesse denken. Wenn man sich überlegt, wie man damit umgehen könnte, dann kann man meiner Meinung nach auch heute noch aus Hilmar Hoffmanns Parole "Kultur für alle!" schöpfen. Kunst im öffentlichen Raum ist einfach ein wichtiges Instrument, um niederschwellig in die Stadtteile hineinzugehen, dort Menschen über die Kunst zu erreichen und in Diskussionen einzubinden. Kunst ist auch dazu da, sich an ihr zu reiben.
Haben Sie ein persönliches Lieblingskunstwerk im öffentlichen Raum?
Das ist "Die Bremer Befragung" von Jochen Gerz (siehe Kasten). Aber: Ich kenne noch gar nicht alles und freue mich immer wieder darüber, wenn ich neue Kunstwerke und Interventionen entdecke.
Das Gespräch führte Alexandra Knief.