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"Wer war Milli?" Eine Spurensuche in der Kunsthalle

"Wer war Milli?", das fragt ab diesem Mittwoch die Kunsthalle in einem ihrer Räume. Zu sehen ist darin die künstlerische Intervention einer Wissenschaftlerin. Schnell wird klar: Die eine Antwort gibt es nicht.
26.04.2022, 17:39 Uhr
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Eine Spurensuche in der Kunsthalle
Von Simon Wilke

Das Schlüsselwerk, wie Kunsthallen-Direktor Christoph Grunenberg es nennt, ist nur ein paar Schritte vom "Atelier" entfernt. Ernst Ludwig Kirchners "Schlafende Milli" (1911) – rot und grün und blau und rosa und eine nackte schwarze Frau in der Bildmitte, so steht es gleich hinter dem kleinen Raum, den man durchqueren muss, will man die Sammlungsausstellung "Remix" sehen. In diesem Raum, aufgemacht als Kirchners Atelier, ist von heute an eine künstlerische Intervention von Natasha A. Kelly zu sehen. Ihr Thema: "Wer war Milli?".

Kelly ist Kommunikationswissenschaftlerin und Soziologin, Autorin und Künstlerin. Und sie ist selbst eine schwarze Frau. Auf Kirchners Milli stößt sie zufällig, als die Kunsthalle 2017 sein Werk im Rahmen der Ausstellung "Der blinde Fleck" zeigt. "Ich blieb vor dem Bild stehen wie verhaftet", daran erinnert sie sich noch. Wohl auch, weil sie selbst einmal für einen weißen Maler nackt Modell stand. Und sie fühlt: "Ich muss diese Milli aufwecken." Tatsächlich erscheint ein Jahr später ihr Dokumentarfilm "Millis Erwachen" über schwarze Frauen in Deutschlands Kunstszene, er ist Teil ihrer Intervention.

Dieses Erwachen findet in "Wer war Milli?" nun konsequenterweise seine Fortsetzung. In Kurztexten und Kommentaren setzt sich Kelly mit dem künstlerischen Werk Kirchners auseinander und richtet ihren Blick auf ein Stück schwarzer Geschichte in Deutschland – und damit wiederum auf einen weitgehend blinden Fleck. "Während in der Kunstgeschichte über weiße weibliche Modelle vieles bekannt ist, wissen wir über die schwarzen Frauen im Prinzip gar nichts." So sagt es Kuratorin Eva Fischer-Hausdorf am Dienstagvormittag. Und daher wirft Kellys Arbeit nicht nur ein Schlaglicht, sondern ist auch ein stückweit der Beginn einer Spurensuche.

Tatsächlich ist zu Kirchners Milli kaum etwas überliefert. Nicht über die schlafende, nicht über die etlichen anderen Millis und Millys in seinem Werk. War sie eine Einzelperson oder galten ihm schlicht alle schwarze Frauen als Millis? Letzteres liegt nahe, aber endgültige Antworten liefert weder der Künstler selbst noch die Intervention. Das muss sie auch nicht. Beim Betrachten wird schnell klar: Frauen wie Milli gab es viele. Und auch heute noch können sich Schwarze mit ihr identifizieren – nicht zuletzt Kelly selbst.

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"Wer war Milli?" kommt, wie sollte es anders sein, recht textlastig daher und ist deshalb im Vorlauf zur eigentlichen Ausstellung gut aufgehoben. Es lohnt ein Innehalten, weil die Arbeit mehr ist als die Anklage, dass schwarze Frauen in der (Kunst-) Geschichte oft nur als Objekte gesehen wurden.

Info

Die künstlerische Intervention "Wer war Milli?" von Natasha A. Kelly ist von diesem Mittwoch bis zum 30. April 2023 in der Sammlungsausstellung "Remix" der Kunsthalle Bremen zu sehen.

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