Schon wieder hat es ein Ferkel in der Sögestraße erwischt. Und wieder hat der oder die Verursacherin Fahrerflucht begangen. Erst im November war eines der kleinen Schweine von einem Autofahrer übel zugerichtet worden. Damals musste der Bremer Bronzegießer Thomas Schmalz es aufwendig wieder herrichten. Nun muss er wohl wieder ran. Die Kulturbehörde wird sich den neuen Schaden gemeinsam mit ihm ansehen: Das Ferkel hat einen tiefen Knick unterhalb des Ringelschwänzchens. Möglicherweise ist die sechs Millimeter dicke Buntmetallschwarte so stark deformiert, dass ein Bruch droht. Ausbeulen lässt sich der Schaden nicht.
Seit 1969 ist die Sögestraße zwar bereits Fußgängerzone, aber Lieferverkehr ist zu bestimmten Zeiten zugelassen. Immerhin fast 50 Jahre lang stehen die vier Ferkel – fünf Säue, ihr Hirte und der Hund – am nördlichen Ende der Straße; und sie scheinen dort zusehends gefährdet zu sein. Schon vor den beiden jüngsten Unfällen war es zu Beschädigungen gekommen.
Vor Jahren rammte ein Müllwagen das Ensemble, und jemand deformierte die Nase des Hundes. In den meisten Fällen gingen die Reparaturen zulasten der Allgemeinheit. Vierstellige Beträge sind dabei schnell erreicht, zumal die Arbeiten besonders aufwendig sind, wenn die originalen Gussformen nicht mehr existieren.
Erst im November hatte Schmalz einen Silikonabdruck von dem schwerbeschädigten Nachbarferkel genommen, nachdem er die enorme Delle zuvor mit Ton ausmodelliert hatte. Aus dem Abdruck hatte er ein Ersatzstück für die Ferkelflanke gegossen und schließlich eingepasst. Bleibt abzuwarten, wie nun die Therapie des verknickten Hinterteils aussehen wird.
„Eigentlich ist es schwierig, Messing zu schweißen, man muss löten“, hatte Schmalz gesagt. Auch wenn dann das Silber aus dem Hartlot sichtbar werde. „Hier ging das, weil es formal nicht so aufwendig war. Aber das kann man natürlich nur sehr begrenzt machen; bei Schnauze, Ohr oder Auge wird es schwierig.“ Wie berichtet, hatte der Bronzegießer eine Idee ins Gespräch gebracht, die bei der Kulturbehörde auf Interesse stieß: Da weitere Unfälle nicht auszuschließen seien, könne es hilfreich sein, Kunstwerke im öffentlichen Raum digital zu vermessen und mithilfe der Daten dreidimensionale Abgüsse herzustellen.
Ulrich Gellhaus, Leiter des Bremer Landesamtes für Geoinformation, griff den Gedanken nach der Lektüre des WESER-KURIER sogleich auf: „Wir setzen Laserscanner zur Gebäudevermessung ein“, sagt er und plant die Vermessung der Kunstobjekte als Aufgabe für Auszubildende. Wann es losgehen kann, steht noch nicht fest. Klar ist aber: „Die Schweine sind die Piloten. Wenn das gut funktioniert, werden wir das dem Kultursenator vorstellen“, sagt Gellhaus – und will über eine Projektfinanzierung sprechen.
Auch in anderen Städten werden Kunstwerke durch Fahrzeuge beschädigt. An eine Digitalisierung werde unterdessen nicht gedacht, sagt Anja Menge, die Sprecherin der Stadt Hannover. Solche Unfälle ereigneten sich so selten, „dass die Stadt noch keine Notwendigkeit für ein solches Schutzkonzept gesehen hat“.
Die Bremer Stadtmusikanten sind auf ihrem zugegebenermaßen hohen Sockel weniger gefährdet als andere Kunstwerke. Wobei selbst Experten nicht wissen, ob die Gussformen des 1953 von Gerhard Marcks geschaffenen Wahrzeichens noch existieren. Die kleine horizontale Version, die Skulptur von Bernhard Hoetger aus dem Jahr 1927, ist über dem Faulen-Brunnen im Handwerkerhof der Böttcherstraße angebracht. Esel, Hund und Katze müssen seit einiger Zeit auf die Gesellschaft des Hahns verzichten. Nachdem der Bronzevogel immer wieder von seiner Stange gesägt oder gebrochen worden war, hat man die jüngste Nachbildung im Paula Modersohn-Becker-Museum in Sicherheit gebracht. Das wäre für das zweitbeliebteste Tiere-Team der Innenstadt keine Option. Die Schweine und ihr Nachwuchs sind schließlich dafür gedacht, dass sich Jung und Alt auf ihren Rücken schwingt.
Da der Aufenthalt im Freien offensichtlich gefährlich ist, weil „Autofahrer sich nicht benehmen können und weil das ein Exponat ist, wo sich Probleme häufen“, müsse man sich „möglicherweise noch einmal Gedanken machen“, sagt Werner Wick, der Sprecher der Kulturbehörde, über die Skulpturengruppe „Hirt mit Schweinen“ des Bremer Künstlers Peter Lehmann. Als denkbare Sofortmaßnahme fällt ihm ein Granitpoller ein, um zu zeigen: „Hier geht's nicht weiter. Den Stadtraum macht das allerdings nicht schöner.“