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Mark Scheibe über die "Melodie des Lebens" "Das Orchester brennt"

Seit 2007 gibt es an der Gesamtschule Bremen-Ost das Projekt "Melodie des Lebens", bei dem Schüler mit Musikern der Deutschen Kammerphilharmonie auftreten. Nun kommt das Projekt für zwei Shows auf die Seebühne.
12.08.2021, 11:25 Uhr
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Von Alexandra Knief

Herr Scheibe, am Sonnabend und Sonntag wird es zwei Shows der "Melodie des Lebens" mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen auf der Seebühne geben. Worauf kann sich das Publikum freuen?

Mark Scheibe: Ich habe die besten Songs aus 14 Jahren ausgesucht – und ehemalige Schülerinnen und Schüler, die sich auf der Bühne zuhause fühlen. Jetzt haben wir ein starkes, berührendes Programm, eine hochverdichtete musikalische Stunde, die in die Herzen der jungen Generation blicken lässt – mit aller orchestralen Wucht.

Wie führt man Jugendliche, die ja sonst wahrscheinlich eher andere Musik hören, an die Klänge eines Orchesters heran?

Die Jugendlichen sind natürlich von der aktuellen Musik geprägt, was für mich auch immer eine Bereicherung ist, weil auch ich so an Stile herangeführt werde, die ich sonst gar nicht mitbekomme. So ist es auch für die Orchestermitglieder. Sie sind durch den Kontakt mit den Jugendlichen aufgefordert, andere Techniken zu lernen, andere Rhythmen und ohne Dirigat zu spielen. Das macht es so spannend: Wir haben Begegnungen von Debütanten mit Vollprofis, bei denen alle etwas lernen. Genau das macht die Kammerphilharmonie so stark, jedes Notenblatt ist eine Frage, die es neu zu beantworten gilt. Dem stellt sich das Orchester. Das merken auch die Jugendlichen. Das Orchester brennt so dermaßen, dem kann man sich einfach nicht entziehen - ob man nun auf Klassik steht oder nicht. 

Wie genau entwickeln Sie die Songs mit den Schülern? 

Das ist jedes Mal unterschiedlich. Wir arbeiten gemeinsam viel am Text. Worüber willst du reden? Was soll der Song bewirken? Ich gebe den Jugendlichen ein bisschen was von meinem Songschreiber-Wissen mit. Manche bringen auch schon melodische Ideen mit. Ich versuche, so viel wie möglich davon mitzunehmen und in musikalische Formen zu gießen. Viele denken, sie seien unmusikalisch, aber ich bin der Meinung, dass in uns allen musikalisches Potenzial steckt. Mir ist es wichtig, dass ich die Jugendlichen ernst nehme und eine Atmosphäre schaffe, in der es ihnen leicht fällt, viel von sich preiszugeben. Wir arbeiten auch an der Stimme, um den Weg zum Publikum freizumachen.

Welche Themen beschäftigen die Jugendlichen?

Selbstzweifel zum Beispiel. Die Frage: Bin ich gut genug? Schaffe ich das? Bei den Älteren gibt es manchmal schon eine Art Rückblick, bei dem man merkt, die Pubertät hat bereits erste Lebenslektionen mit sich gebracht. Liebe ist ein Thema, aber auch Tod und Abschied werden thematisiert. Es gibt Jugendliche, die nennen die Sachen gerne beim Namen, andere fühlen sich wohler, wenn man Metaphern für das findet, was sie sagen wollen. 

Was unterscheidet die "Melodie des Lebens" von anderen Musikprojekten mit Kindern und Jugendlichen? 

Es war von Anfang an klar: Das hier wird eine Profi-Veranstaltung. Das Ganze sollte nicht den Touch von Schule haben, wo der Gemeinschaftskundelehrer am Tonpult steht und es ständig Rückkopplungen gibt. Wir wollten, dass die Zuschauer nach der Show sagen: Wow, was war das für ein tolles Konzert. 

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Wissen Sie, ob ehemalige Teilnehmer eine musikalische Laufbahn eingeschlagen haben?

Eine Schülerin ist Songwriterin geworden, eine andere hat sich gerade für ein Studium der Jazz- und Popularmusik in Köln beworben. Sie müssen aber gar nicht unbedingt gleich eine Musikerlaufbahn einschlagen, das ist nicht die Idee der Sache. Wichtig ist ein dauerhaftes Angebot, das den Jugendlichen die Möglichkeit gibt, ihr Selbstbewusstsein zu erleben, was sie im schulischen Umfeld nicht immer können und was ihnen bedauerlicherweise auch das Elternhaus nicht immer mitgibt. Wenn Leute Jahre später noch zu mir kommen und mir erzählen, dass ihr Auftritt bei der "Melodie des Lebens" der erste Moment in ihrem Leben war, in dem sie das Gefühl hatten, Anerkennung für das zu erhalten, was sie sind, dann macht mich das wahnsinnig glücklich.

Das Gespräch führte Alexandra Knief. 

Zur Person

Mark Scheibe (53) 

arbeitet als Komponist, Sänger und Songtexter. Er komponiert Film- und Theatermusiken, Orchesterarrangements und eigene Songs. Seit 2007 organisiert er gemeinsam mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen das Zukunftslabor an der Gesamtschule Bremen-Ost. 

Zur Sache

Die Melodie des Lebens

ist eines von mehreren Projekten im Rahmen des "Zukunftslabors" der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen an der Gesamtschule Bremen-Ost in Osterholz-Tenever. Seit 2007 erarbeiten Schüler und Schülerinnen der 7. bis 13. Klasse in Workshops gemeinsam mit dem Komponisten Mark Scheibe, Lehrern und Mitgliedern des Orchesters eigene Songs, die sie schließlich gemeinsam mit Musikern der Deutschen Kammerphilharmonie vor Publikum auf die Bühne bringen. Im Laufe der Jahre sind so mehr als 400 Stücke aus den Ideen und Themen der Schüler entwickelt worden. Außerdem wurde das Zukunftslabor mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Zukunftsaward, dem Echo Klassik für Nachwuchsförderung, dem Vision Award und den Deutschen Engagement Preis.

Info

Die Höhepunkte aus 14 Jahren "Melodie des Lebens" sind am Sonnabend, 14. August und am Sonntag, 15. August, jeweils um 20 Uhr im Rahmen des Bremer Musiksommers auf der Seebühne zu erleben. Tickets unter www.seebuehne-bremen.de.

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