Wenn man über Palästina spricht, geht es meistens um Krieg und Besatzung und um die Ausweglosigkeit des Konfliktes mit Israel. Über palästinensische Musik spricht man leider eher selten. Dabei ist in den vergangenen Jahren zum Beispiel in Ramallah im Westjordanland oder auch im israelischen Haifa eine kleine, aber unabhängige Szene palästinensischer Musik entstanden. Eine ihrer führenden Stimmen ist der Pianist Faraj Suleiman, der vor 37 Jahren im Dorf Al-Rama im Norden Galiläas geboren wurde und am Mittwoch mit seinem Quintett bei der Surprise-Reihe des Musikfestes im gut besuchten BLG-Forum auftrat.
Suleiman hat bereits im Alter von drei Jahren begonnen Klavier zu spielen, mit 19 ging er nach Haifa, um Musikwissenschaften zu studieren. Nach eher ermüdenden Jahren als Musiklehrer forcierte er seine Karriere als Pianist und Komponist. In nur wenigen Jahren hat Suleiman fünf Alben aufgenommen und Konzerte beim Montreux Jazz Festival und der Musikmesse Womax gespielt.
Einflüsse von Rock und Klassik
Seine Verwurzelung in der arabischen Musiktradition lässt sich beim Konzert schon im ersten Stück für Solopiano an den Ton-Skalen und Melodielinien erkennen. Verstärkt wird dieser Eindruck ab dem vierten Stück, als Hussam Aliwat an der arabischen Kurzhalslaute Oud dazukommt.
Suleimans Anspruch allerdings ist die Erschaffung einer modernen palästinensischen Musik, dem „New Palestinian Sound“, wie er es nennt. Sein Umzug nach Paris Anfang 2019 und der damit verbundene Blick von außen auf die arabische Musik haben sicherlich zu der Erweiterung seines Sounds beigetragen. Und so hört man im BLG-Forum neben einem zeitgenössischen Jazz als weiterem Kern von Suleimans’ Musik deutlich die Einflüsse von Rock, aber auch von Klassik und sogar Tango. Suleiman gilt als Bewunderer des Tango-Erneuerers Astor Piazzolla.
Seine Band präsentiert sich bisweilen mit viel Wucht und rhythmischer Fokussierung, was vor allem am Spiel von E-Bassist Côme Aguia und Schlagzeuger Baptiste de Chabaneix liegt. Beim Stück „Naughty Boy“ zum Beispiel hackt Suleiman mit zwei Fingern jeder Hand von oben im Stakkato harsche Toncluster in die Tastatur, bevor die Band in einen druckvollen Groove einsteigt.
In diesen Momenten geht zwar der schnarrende Klang der Oud etwas verloren, dem überzeugenden Gesamtsound aber tut das keinen Abbruch. Ein Mann der großen Worte ist Faraj Suleiman nicht, er belässt es bei einer kurzen Ankündigung zu Beginn. Leider aber hat er auch seine jüngst entdeckten Fähigkeiten als Sänger zurückgehalten.
Inzwischen gibt es sogar ein über Crowdfunding finanziertes Album mit Songs in dem speziellen palästinensischen Dialekt seines Heimatdorfes. Seine Stimme soll ein wenig nach Cole Porter klingen. Vielleicht kommt man ja beim nächsten Konzert in Bremen in den Genuss einer palästinensischen Stimme, die vor allem über Liebe und weniger über Krieg singt.