Der goldene Adler kreist und kreist und kreist. Dann setzt er zum Sturzflug an und hackt der an den Baum gefesselten Dreiergruppe in die Seite. Dann kreist er wieder. Und kreist und kreist und kreist. Die Musik? "Die Geschöpfe des Prometheus" von Ludwig van Beethoven, gespielt vom französischen Insula Orchestra unter Leitung der Dirigentin Laurence Equilbey. Ein wuchtiges Stück, doch es bleibt Soundtrack. So wie die Musik leider an diesem Abend zu oft im Hintergrund verschwindet im BLG-Forum, denn in den Vordergrund drängt bei "Pastoral for the Planet" ein Bilder-Spektakel.
Augen auf also für für 360-Grad-Projektionen und -Animationen und viel symbolträchtige Akrobatik auf der Bühne. Nicht zu vergessen die Texte, die über eine eigens zu installierende App auf dem Smartphone eintrudeln und deren Auswahl etwas Streberhaftes hat: Von Hesiod über Darwin bis zur WHO hat jemand so richtig ordentlich seine Hausaufgaben gemacht. "Pastoral for the Planet" ist Überwältigungstheater, in dem man sich treiben lassen kann. Wenn es einen denn nicht stört, dass alles so penetrant mit einer Botschaft aufgeladen ist: Der Mensch hat die Umwelt zerstört, und jetzt geht es bergab. Krieg, Flucht, Zerstörung, Vertreibung, Entfremdung.
Die Bilder, die die vier Mitglieder der katalanischen Theatergruppe "La Fura dels Baus" dazu zeigen, sind mitunter erschreckend simpel. Da gibt es den Baum als Symbol für die (geschundene) Natur, für Fruchtbarkeit, als Totem, schließlich auch für einen Neubeginn. Wenn im Hintergrund "Kampf und Sieg" von Carl Maria von Weber zu hören ist, sind Projektionen von Panzern zu sehen, und die Tänzer kämpfen miteinander, ein traditionelles ukrainisches Lied erklingt, in dem ein Mädchen den Tod ihres Geliebten auf dem Schlachtfeld verkraften muss. Minuten später rütteln die Tänzer an Grenzzäunen. Im zweiten Teil, als Beethovens Sinfonie Nr. 6 ("Pastorale") erklingt, deren Sätze unterschiedliche Stimmungen des Lebens auf dem Land wiedergeben, wird munter gesät, es blühen Blumen, man scherzt miteinander. Bis schließlich gemeinsam ein buntes Bild gemalt wird. Na, dann ist ja alles noch mal gut gegangen, zudem sich auch das Publikum per Smartphone-Abstimmung optimistisch gibt, was die Rettung der Welt angeht.
Sinnbild für die Gefahren der Migration
Die von Laurence Equilbey dazu ausgewählte Musik ist streng auf die Krisen-These getrimmt, und nicht nur Beethoven, auch die griechische Mythologie hält ja vieles aus. Zum Beispiel, die Geschichte von Leander, der auf dem Weg zu seiner Geliebten Hero in einem Sturm ertrinkt, als Sinnbild für die Gefahren moderner Migration zu nehmen. Die Sopranistin Sophie Karthäuser singt die (von der "Pastorale" inspirierte) "dramatische Szene" von Fanny Hensel Mendelssohn stark und leuchtend – so wie im zweiten Teil die "Cavatine" und das "Gebet" aus Webers "Oberon".
Das Insula-Orchester überzeugt vor allem beim Allegretto von Beethovens Sinfonie Nr. 7 mit schön austarierter Dynamik und leichtfüßigem wie zügigem Zugriff. Und beim Kernstück des Abends, der "Pastorale", mit wunderbarem Schwung und klar herausgespielten Farben. Zum Schluss leuchtet Beethovens Konterfei auf dem Baum und sein "Egmont" erklingt. Ganz ohne Akrobatik, mit schwarz-weißen Projektionen, fast schon minimalistisch. Es war das Ende eines Abends, der vor allem total gut gemeint war. Viel Applaus für alle Beteiligten.