Immer und immer wieder im Kreis, hoch und runter, mal schnell, mal langsam, mit suchendem Blick über einen Laufsteg entlang an zwei Millionen Jahren Evolution und Transformation. So viel vorweg: Was die sieben Darsteller am Theater Bremen bei dem neuen Stück "Revue. Über das Sterben der Arten" von Autor Jan Eichberg, Regisseur Felix Rothenhäusler und Dramaturgin Theresa Schlesinger leisten, verdient Respekt. 70 Minuten lang pausenloses Laufen im Scheinwerferlicht ist nicht ohne. Und das auch noch mit unterschiedlichen Kostümen, die durchaus auch mal für Schweißperlen sorgen und somit für den einen oder anderen eine ganz persönliche Klimakrise bedeuten.
Täglich sterben auf der Welt 150 Tier- und Pflanzenarten aus. Einige von ihnen lernt der Zuschauer im Kleinen Haus kennen, in kurzen, von den Darstellern vorgetragenen Biografien. Die Rodrigues-Riesenschildkröte zum Beispiel, um 1800 ausgerottet, weil der Mensch aus ihr Suppe und Frikassee zubereitete. Den dem Pinguin ähnlichen Riesenalk, dessen zwei letzte brütende Exemplare 1844 erwürgt und ihr Ei zertreten wurde. Oder den Barbados-Waschbär, dessen letzter je gesehener Vertreter 1964 überfahren auf der Straße lag.
Es ist eine Liste, die sich noch lange fortsetzen ließe, und für die beim Theater Bremen ab der Idee zum Stück laut Programmheft rund ein Jahr Recherche notwendig war. Für den Zuschauer gibt es noch ein "Glossar zum Artensterben" an die Hand, mit Erklärungen zu Begriffen von A wie Artenvielfalt bis V wie Verschwinden. Biounterricht für zu Hause quasi.
Für die Darsteller ist das Stück eine Annäherung an das Tiersein. Daran, was es bedeutet, verdrängt zu werden und irgendwann einfach zu verschwinden. Die Zukunft, und ob irgendwann auch der Mensch den Stempel "ausgestorben" aufgedrückt bekommt, überlässt das Theater der Fantasie der Zuschauer. Annemaaike Bakker, Nadine Geyersbach, Irene Kleinschmidt, Alexandra Llorens, Siegfried W. Maschek, Matthieu Svetchine und Andy Zondag begeben sich auf eine scheinbar endlose Wanderung, die von einem stetigen Wandel begleitet wird.
Mal ist es der Gang, der sich ändert, mal der Rhythmus. Mal zieht ein leichtes Flattern durch die Arme der Darsteller, mal werden ihre Kleidungsstücke zu Höckern, Schweifen, Flügeln oder Panzern (Kostüme: Elke von Sivers). Hin und wieder kommen auch kleinere Requisiten dazu. So ganz erschließt sich der Prozess für den Zuschauer nicht immer, und nicht selten erwischt man bei der Uraufführung am Freitag Menschen im Zuschauerraum dabei, wie sie verstohlen einen Blick auf ihre Armbanduhr werfen.
Denn: Körperlich und emotional anstrengend ist "Revue. Über das Sterben der Arten" nicht nur für die Darsteller: Der Raum ist vernebelt, das Bühnenbild besteht aus nichts weiter als einem tristen, beleuchteten Laufsteg (Rothenhäusler und Carla Maria Ringleb), der pulsierende Beat sorgt für eine leicht nervöse Grundstimmung.
Zeitweise ist die Musik so dominant, dass die Textpassagen an einigen Plätzen schwer zu verstehen sind. Ein Teil des Publikums muss stehen, darf sich allerdings – das wird beim Einlass extra betont – frei bewegen. Macht nur niemand. Zu groß ist die Sorge, den wandernden Tieren in die Quere zu kommen. Dadurch entsteht eine gewisse Ironie, ist es doch gerade das, worauf der Mensch sonst keine Rücksicht nimmt. Und so hat die Revue zwar eine klare Botschaft, ist aber insgesamt alles andere als eine leichte Kost.