Kaum durch die Tür, ist man schon mittendrin. Mittendrin in einer bunten Welt, die auf den ersten Blick einfach nur gut aussieht, bei genauerem Hinsehen aber voller Gesellschaftskritik steckt. Es ist die Welt des britischen Streetart-Künstlers Banksy, die sich sonst über den gesamten Globus erstreckt, nun aber, komprimiert auf ein paar Tausend Quadratmeter, unter dem Titel "The Mystery of Banksy - A Genius Mind" (Das Mysterium Banksy - Ein genialer Geist) im Bremer BLG-Forum zu sehen ist.
Wie schon bei der Event-Ausstellung "Van Gogh - The Immersive Experience" (Van Gogh - Die eindringliche Erfahrung) gibt es auch bei Banksy keine Originale, sondern lediglich originalgetreue Reproduktionen zu bewundern. 150 Werke - Graffiti, Fotografien, Skulpturen, Videoinstallationen und Drucke auf verschiedenen Materialien - für die man sonst in 20 verschiedene Länder reisen müsste, um sie zu sehen, haben die Ausstellungsmacher zusammengestellt.
Und selbst, wenn man reisen würde: Viele von ihnen, insbesondere die Bilder aus dem öffentlichen Raum sind längst nicht mehr da, wohin der bis heute anonyme Künstler sie einst gesprüht hat. Genau auf diese verschwundenen Arbeiten, die entfernt wurden oder sich mittlerweile in Privatbesitz befinden, legt die Ausstellung ihren Schwerpunkt. "Wir wollen die Kunst, die uns alle betrifft, möglichst vielen Leuten zugänglich machen", sagt Virginia Jean, Kuratorin der Ausstellung.

2018 machte Banksy von sich reden, als er während einer Auktion bei Sotheby's sein eigenes, vorher heimlich präpariertes Gemälde schredderte.
Banksys Kunst ist poetisch, meist ironisch und stets politisch. Bei Banksy ist das britische Parlament voller Affen und ein Queen's Guard pinkelt schnell in die Ecke, wenn gerade niemand guckt. Bei Banksy stricken zwei liebe Omis Pullis mit Slogans wie "Punk's not dead", Polizisten knutschen eng umschlungen am Straßenrand. Oder der Künstler bringt Zehn-Pfund-Scheine in Umlauf, die Diana statt der Queen zeigen und auf denen nicht "Bank" sondern "Banksy of England" steht.
Da schmunzelt man gerne, doch nicht selten bleibt einem beim Betrachten von Banksys Kunst das Lachen im Halse stecken. Bei seinem Triptychon "Mediterranean Sea View" zum Beispiel verfremdet er drei romantische Ölgemälde so, dass die darauf gezeigten Wellen orange Rettungswesten und -ringe an die Küste spülen. Von den Menschen, die sie nutzten, fehlt jede Spur.
Kritik am Kunstmarkt
Die Flüchtlingskrise ist nur ein zentrales Thema, das in Banksys Bildern immer wieder auftaucht. Er thematisiert Krieg, Gewalt, Überwachung, Konsum und Kapitalismus, Sexismus, Rassismus, Klimaprobleme. Er bezieht sich auf die Corona-Krise und immer wieder kritisiert er auch den Kunstmarkt als solchen. Sein Siebdruck "Morons" (Idioten) aus dem Jahr 2006 zeigt eine Auktionssituation, bei der der Preis immer weiter steigt.
Geboten wird für ein Gemälde, auf dem steht: "I can't believe you morons actually buy this shit" (Ich kann nicht glauben, dass ihr Idioten diesen Mist wirklich kauft). Besonders große Aufmerksamkeit erlangte er durch eine Aktion 2018, als er sein eigenes Werk "Girl with Balloon" während einer Auktion bei Sotheby's schredderte.

Im Zuge der Corona-Pandemie sprühte Banksy 2020 Ratten - mal niesend, mal mit einem Mundschutz spielend - in einen Londoner U-Bahn-Waggon. Der Waggon wurde extra für die Ausstellung nachgebaut.
Der Besucher von "The Mystery of Banksy" bekommt Zutritt zu Banksys in Bethlehem stehenden "Walled off Hotel" und auch einen ganzen, einst von Bansky innen mit niesenden Ratten besprayten Londoner U-Bahn-Waggon haben die Ausstellungsmacher nachgebaut.
Der Besucher wird außerdem Teil seiner "Barely Legal"-Ausstellung in Los Angeles, bei der 2006 ein echter Elefant anwesend war, der in den gleichen Farben bemalt war wie die Tapete, der war also wortwörtlich der Elefant im Raum, den man nicht sieht. Wer durch die Ausstellung geht, bekommt auch schauderhafte Einblicke in Banksys an Disneyland angelehnten Vergnügungspark Dismaland, bei dem es vor allem darum ging, keinen Spaß zu haben - Bilder, wie das des erschossenen Disney-Elefanten Dumbo, neben dem jubelnde Menschen mit Gewehren stehen, oder das Bild "Napalm" (2004) leisten dazu ihren Beitrag. Es zeigt das berühmte, wegen ihrer Verbrennungen schreiende Napalm-Mädchen, eine Fotografie von Nick Út, aufgenommen 1972 im Vietnamkrieg, wie es von Micky Maus und Ronald McDonald an die Hand genommen wird, die fröhlich in die Menge winken.
Ganz nebenbei vermittelt die Ausstellung auch, wie viel Gutes Banksy mit dem Geld, das durch seine Kunst verdient wird, bereits getan hat. So kamen zum Beispiel mehr als 19 Millionen Euro für das britische Gesundheitssystem zusammen, als er 2020 das Bild eines Jungen, der mit einer als Krankenschwester dargestellten Superman-Puppe spielt, einem Krankenhaus schenkte. Außerdem kaufte er 2019 ein Boot, das er "Louise Michel" taufte (benannt nach einer französischen Anarchistin) und das seitdem im Einsatz ist, um Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten.
Selbst kreativ werden
Zum Ende der Ausstellung kann man selbst kreativ werden. Im Souvenir-Shop besteht die Möglichkeit, mit Schablonen Hoodies und T-Shirts zu besprayen, an einer Feedback-Wall können Ausstellungsbesucher sich außerdem mit bunten Stiften auf einer Wand verewigen.
"The Mystery of Banksy" wird bis August in Bremen zu sehen sein. Vor etwa einem Jahr feierte die Wanderausstellung in München ihre Premiere. Mittlerweile touren drei Ausstellungsets durchs Land, die in neun Städten gastieren und laut Produzent Oliver Forster bisher von 350.000 Besuchern gesehen wurden.