Einmal mit Vincent van Gogh (1853 bis 1890) durch die Felder streifen, über Zypressen staunen, den Bauern auf den Feldern zusehen, den Sternenhimmel betrachten oder mit ihm in seinem kleinen Zimmer in Arles das Gelb der Sonnenblumen bewundern. Was für Liebhaber des niederländischen Malers und seiner Kunst wie ein schöner Tagtraum klingt, ist heutzutage dank moderner Technologien Realität. Zumindest virtuelle Realität.
Die Ausstellung "Van Gogh - The Immersive Experience" (Van Gogh - die eindringliche Erfahrung) verfolgt genau dieses Ziel: Vincent van Gogh und seine Werke lebendig machen und dem Betrachter auf insgesamt 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche noch einmal ganz neue Blickwinkel auf Kunst ermöglichen. Ab sofort und noch bis zum 27. Februar 2022 gastiert die multimediale Wanderausstellung im BLG-Forum in der Überseestadt. Bremen ist nach Berlin erst die zweite deutsche Stadt, in der das interessante Kunst-Experiment zu sehen ist.
Neue Präsentationsformen
Oliver Forster ist der Mann, der es nach Deutschland geholt hat. "Es reicht schon lange nicht mehr, einfach nur Bilder an die Wand zu hängen", sagt er. Bei einem Besuch im Pariser Atelier des Lumières vor einigen Jahren war Forster so berührt von der Art, wie dort Kunst gezeigt wird, dass ihm sofort klar war: So etwas muss es auch in Deutschland geben. "Wir hängen anderen Ländern da ziemlich hinterher", so Forster. Also nahm der Geschäftsmann, der sonst mit seiner Firma Cofo Entertainment als Konzert- und Musicalveranstalter aktiv ist und auch schon diverse Wanderausstellungen wie die "Körperwelten" oder die "Terrakotta-Armee" initiiert hat, die Sache selbst in die Hand. Er machte sich auf die Suche nach einer internationalen Ausstellung, die er für den deutschen Markt adaptieren könnte und wurde in Brüssel mit der Van-Gogh-Experience fündig. Aber was ist denn nun eigentlich das Besondere?
Das Herzstück der Ausstellung ist ein etwa 30 Meter langer, 15 Meter breiter und acht Meter hoher Raum, in dem der Besucher mithilfe von 35 Projektoren und beeindruckender Videoanimationen komplett in van Goghs Kunstwerke eintauchen kann. Diese werden dafür um ein Vielfaches vergrößert, animiert und bewegen sich um den Betrachter herum über die Wände und den Boden des Raumes. Begleitet wird dieses visuelle 360-Grad-Erlebnis von Musik und der Stimme eines Erzählers, die dem Betrachter die Kunst aus der Perspektive des Malers selbst näher bringt. So erfährt er in der rund 35 Minuten langen Animation unter anderem mehr über van Goghs Zeit im Kloster oder seinen Aufenthalt in Arles, wo ein großer Teil seiner Kunst entstand.
Spaziergang mit van Gogh
Genau dieser Zeit widmet sich ein weiterer digitaler Inhalt der Ausstellung: In einer rund elf Minuten langen Virtual-Reality-Erfahrung (Extra-Kosten: drei Euro) können Besucher mit VR-Brille und Kopfhörern van Gogh auf einem Spaziergang durch das französische Arles begleiten, mit ihm durch die Landschaft schlendern und Orte besuchen, an denen einige seiner bekanntesten Gemälde entstanden sind.
Doch auch die Kunst im herkömmlichen Sinne kommt in der Präsentation nicht zu kurz. Obwohl – und das sollte an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt werden – in der Ausstellung keine Originale zu sehen sind. Gezeigt werden ausschließlich Repliken in Originalgröße. Doch, da ist Oliver Forster sich sicher: "Nicht nur Originale sind Kunst." Er sieht seine Ausstellung als Ergänzung zu musealer Kunstpräsentation und als Beispiel dafür, wie es gelingen kann, eine breite Masse an Kunst heranzuführen.

Zum Ende des Ausstellungsrundgangs können Besucher in einem Virtual-Reality-Erlebnis noch gemeinsam mit van Gogh durch das französische Arles wandern.
Gleich im Eingangsbereich erwarten den Besucher acht gerahmte Arbeiten, ebenso wie eine kurze Videodokumentation und ein Zeitstrahl, der die wichtigsten Meilensteine im Leben van Goghs noch einmal zusammenfasst. Später werden mit dem "Getreidefeld mit Zypressen", der "Vase mit Kornblumen und Klatschmohn", der "L'Allée des Alyscamps in Arles", dem "Selbstporträt ohne Bart", dem "Acker mit pflügendem Bauern" und dem "Porträt des Dr. Gachet" noch van Goghs teuerste Gemälde (zwischen 57 und 82,5 Millionen Dollar) an einer Wand versammelt. An anderer Stelle rücken seine Selbstporträts oder seine Sonnenblumen-Gemälde in den Fokus. Insgesamt zeigt die Ausstellung nach Angaben ihrer Macher so mehr als 500 Arbeiten des Künstlers.
Zum Ende des Rundgangs dürfen kleine (und große!) Besucher dann auch noch selbst kreativ werden. An einer Malstation können verschiedene Werkvorlagen van Goghs ausgemalt werden. Über einen Projektor können die Laienkünstler dann auch noch austesten, wie sich ihr Bild wohl gerahmt an einer Museumswand machen würde.
Die Wanderausstellung ist ein Versuch, Menschen für Kunst zu begeistern, die damit vielleicht bisher kaum in Berührung gekommen sind. Doch auch Kunstkenner können van Gogh hier noch einmal anders kennenlernen – wenn sie sich auf dieses Experiment einlassen.
Wahrscheinlich, kündigt Oliver Forster an, wird van Gogh nicht der einzige Künstler bleiben, den er auf eine multimediale Reise durch Deutschland schickt. Denn: "Klimt, Picasso, Monet, Dalí – das Feld an spannenden Künstlern ist unerschöpflich."