Eine Cocktailbar irgendwo in Bremen: an einem Tisch eine Frau, an einem anderen ein Mann. Beide warten auf ihr Tinder-Date. Auf wen genau sie gleich treffen werden, wissen sie nicht. Ein hübsches Foto, ein paar nette Sätze im Chat, das reicht oft schon für ein – zumindest kurzes – Interesse in der schönen, bunten Welt des Online-Datings. Was aber, wenn sich hinter dem virtuellen Profil, hinter Namen wie "Mr. Knister" oder "Mrs. Twisted" jemand ganz anderes verbirgt, als die Person vorgegeben hat?
Genau um diese Frage dreht sich "Match me if you can", das neue Stück auf dem Bremer Theaterschiff. Mit der modernen Verwechslungskomödie gehen Geschäftsführer Knut Schakinnis und sein Team – wie häufig in ihren Ein- oder Zwei-Personen-Stücken im kleinen Saal – mit der Zeit, was dem Komödientheater grundsätzlich sehr guttut. Dass dies funktionieren kann, hat das Theaterschiff zuletzt unter anderem 2020 mit "Jana und Janis" unter Beweis gestellt, einer ebenso zeitgemäßen Beziehungskomödie, bei der das Publikum am Ende sogar über das Schicksal der beiden Figuren abstimmen durfte. Auch "Match me if you can" (Ein Wortspiel aus dem Filmtitel "Catch me if you can" (Fang mich, wenn du kannst) und dem Wort "Match", der Bezeichnung dafür, wenn zwei Personen auf einem Datingprofil sich gegenseitig gefallen) gelingt es, zu unterhalten. Allerdings mit Einschränkungen.
Oberflächliches Kennenlernen
Bevor es richtig losgeht, verdeutlichen aufpoppende Chat-Sprechblasen auf der LED-Wand des Bühnenbildes erst einmal, wie Online-Dating heutzutage oft aussieht: Es ist geprägt von Oberflächlichkeiten und Männern auf der Suche nach schnellem Sex. Dazu läuft der Song "Trostpreis" von Rapper Alligatoah, in dem es so bezeichnend heißt: "Schatz, es tut mir so leid /
Du bist nur der Trostpreis / Und immer, wenn der Mond scheint / Denk ich, da is' noch Luft nach oben." Mit anderen Worten: Ein Date ist so lange interessant bis der nächste, vielleicht bessere Partner ruft. Jemanden wirklich kennenlernen? Und trotz einiger Macken bei ihm bleiben? Viel zu anstrengend.
Martin (Harun Yildirim) ist da anders. Er ist ein einfühlsamer, aufmerksamer Mann. Weil er aber denkt, mit seinem Aussehen keine Chancen bei den Frauen zu haben, zeigt sein Profilbild nicht ihn selbst, sondern einen muskulösen Adonis. Und genau mit dem hat Lisa (Lesley Jennifer Higl) sich verabredet. Das Problem: Auch sie hat auf ihrem Tinder-Profil ein falsches Foto verwendet. Nicht allerdings, weil sie mit ihrem Äußeren unzufrieden ist, sondern, weil sie auf eben dieses nicht reduziert werden möchte – sagt sie zumindest.
Lisa – Highheels, enges Kleid, regelmäßiger Make-Up-Check im Taschenspiegel – und Martin – Mittelscheitel, Brille und ein Outfit, bestehend aus diversen schlammigen Erdtönen – kommen trotzdem ins Gespräch. Weil Martin Gefallen an Lisa findet, sagt er seinem eigentlichen Tinderdate ab.
Dass Lisa und seine Onlinebekanntschaft ein und dieselbe Person sind, merkt er erst später. Und auch Lisa kommt irgendwann, dank Martins auffälligem Tarzan-Klingelton, dahinter, dass er es war, der sich als heißer Mister Knister ausgegeben hat. Nach einigen hitzigen Diskussionen beschließen die beiden, noch einmal bei null anzufangen und sich auf ein Gespräch ohne Handys einzulassen. Auch, wenn Lisa nicht gerade begeistert von Martins Aussehen ist. Ihre Freundin Caro, die sie immer wieder zwischendurch anruft, um sie um Rat zu bitten, ermutigt sie, dem netten Typen auch ohne Sixpack eine Chance zu geben. Doch als es fast schon gut zu laufen scheint, kommt heraus, dass beide noch viel mehr Geheimnisse haben als nur ein falsches Profilbild.
Weniger wäre mehr gewesen
Lesley Jennifer Higl hat es mit ihrer Rolle schwer. Eine Figur, die sich vor allem durch Oberflächlichkeit auszeichnet, für das Publikum doch irgendwie ein bisschen sympathisch zu machen, ist nicht einfach. Und leider scheitert Higl genau daran, weil sie zappelig und dauerseufzend auf übertriebenes Overacting setzt. Ihrer Lisa fehlt es an Glaubwürdigkeit. Hier wäre ein bisschen weniger mehr gewesen.
Harun Yildirim, der zuletzt schon im Stück "Extrawurst" in der Komödie Bremen im Packhaustheater überzeugte, schafft es, dies mit seinem ruhigen, bodenständigen Schauspiel ein wenig auszugleichen. Sein Martin könnte einem durchaus auch im echten Leben begegnen, und das steht Figuren auf Boulevard-Bühnen immer gut.
Insgesamt wälzt die Screwball-Komödie von Nina Hartmann und Gregor Barcal unter der Regie von Martina Flügge mit viel Humor und lustigen Profilbild-Klischee-Einblendungen auf der LED-Wand die Vor- und Nachteile des Online-Datings hin und her. Und zeigt auf, wie schwer es vielen Menschen heutzutage fällt, sich ohne Tastatur und Bildschirm auf ihr Gegenüber einzulassen. Denn der nächste - vielleicht spannendere - Gesprächspartner ist im besten Fall nur ein paar Klicks entfernt.