Wer etwas verschicken will, kauft sie sich, klebt sie auf seinen Brief oder sein Paket, und die Sache ist gegessen. Das sollte man zumindest meinen, wenn es um das Thema Briefmarke geht. Doch es gibt viele Menschen, denen die kleinen Rechtecke aus Papier sehr am Herzen liegen, die sie sammeln und tauschen. Philatelisten, die voller Vorfreude auf jede neue Sonderserie warten, die das Bundesministerium für Finanzen und die Deutsche Post herausbringen.
Und dann gibt es noch die Menschen, die mit Philatelie eigentlich gar nichts am Hut haben, sich aber freuen, wenn es mal ein Motiv auf eine Briefmarke geschafft hat, dass etwas mit ihnen oder ihrer Heimatstadt zu tun hat. Mit der Beat-Club-Briefmarke, die die Post Anfang November in der Sonderpostwertzeichen-Serie „Deutsche Fernsehlegenden“ herausbrachte, stand mal wieder ein Bremer Relikt im Mittelpunkt des Interesses. Doch für Freude sorgte die Marke in Bremen nicht überall. Zumindest so gar nicht beim Musikerstammtisch Waldbühne: „Die Post hat wirklich alles falsch gemacht“, sagt Kai Stellmann, Buchhändler, Musiker und Stammtischmitglied. „Wir waren uns sofort einig, dass sie ein Unding ist, fast eine Verächtlichmachung des Beat-Clubs.“
„Beat-Club 1965“ steht am Rande der Marke. Die darauf abgebildeten Grafiken sollten also auch dieses Jahr repräsentieren, findet Stellmann. Das tun sie seiner Ansicht nach aber nicht. „Nichts an der Marke hat mit der historischen Wahrheit zu tun“, sagt er. Und so haben er und seine Stammtischkollegen gleich mal eine ganze Liste mit Kritikpunkten zusammengestellt, beginnend mit dem Testbild im Hintergrund der Motivcollage. „Das farbige Fernseh-Testbild wurde erst ab 1967 gesendet“, sagt Stellmann und macht direkt weiter: „Der Schlagzeug-Beckenständer mit Galgen fand erst deutlich nach 1965 Verwendung, das ,Elvis-Mikro’ repräsentiert dafür vielmehr die 50er-Jahre.“
Die Post reagiert: Eigentlich habe man die Marke komplett mit authentischem Bildmaterial aus dem Beat-Club gestalten wollen, heißt es in einer Stellungnahme von Post-Pressesprecher Erwin Nier. Dies sei aber unter anderem aufgrund schlechter Bildqualität oder fehlenden Nutzungsrechten nicht möglich gewesen. Also habe man sich für die nun vorliegende Variante entschieden, deren Visualisierung für den gesamten Ausstrahlungszeitraum des Beat-Clubs (1965 bis 1972) stehen soll und nicht nur für das Jahr 1965. „Die Briefmarke sollte losrocken“, sagt Nier. „Und wir denken, dass dies auch gelungen ist.“
Eine lange Mängelliste
Stellmann findet das nicht. Und versteht auch nicht, warum man nicht „1965 bis 1972“ auf die Marke schreibt, wenn man es denn so meint. Außerdem war er ja noch gar nicht fertig mit seiner Mängelliste: Die Bass-Gitarre mit fünf Saiten und dem abgebildeten Design wurde laut dem Musiker erst in den 80er-Jahren entwickelt, und kein Musiker sei 1965 mit den abgebildeten Turnschuhen in den Beat-Club gekommen!
Die Post lenkt ein: Turnschuhe, wie sie auf der Briefmarke abgebildet sind, habe es bereits in den 1920er-Jahren gegeben, so Nier. „Insofern ist die Abbildung authentisch.“ Für Stellmann ist das keine ausreichende Begründung: „Als Musiker ist man 1965 noch mit ordentlich geputzten Schuhen in den Beat-Club gegangen“, sagt er. „Der Gammellook kam erst mit The Pretty Things oder den Rolling Stones – und selbst die sind mit schicken spanischen Stiefeletten aufgetreten.“
Wäre es nach ihm gegangen, hätte er auf der Marke die anonymisierte Schattendarstellung einer Band gezeigt, die einst wirklich im Beat-Club aufgetreten ist. Und wenn schon Instrumente, dann wenigstens auch solche, wie sie damals benutzt wurden. Es gibt sogar noch ein weiteres, überaus zentrales Motiv auf der Marke, das für Unmut sorgt: „Das Logo des Bremer Beat-Clubs hatte 1965 noch ein ganz anderes Design“, so Stellmann. Für die Post wiederum steht die Authentizität des Logos außer Frage.
Einer, der es wissen muss, ist Ingo Trauer. Der Wahl-Bremer hat das Beat-Club-Logo, das heute auf der Briefmarke abgebildet ist, einst entworfen. Ende 1967, um genau zu sein. „Da hatten die Mädels es dann auch auf dem T-Shirt“, sagt Trauer. Zuvor habe der Beat-Club-Schriftzug aber tatsächlich noch ganz anders ausgesehen. Ist die Marke also auch in seinen Augen ein völlig verfälschtes Desaster? „Nö“, sagt Trauer. „Ich habe da gar keine Schwierigkeiten mit.“ Für ihn sind das alles ganz simple Gestaltungsgeschichten, über die man streiten kann, aber nicht muss. „Ich bin froh, dass es überhaupt eine Beat-Club-Briefmarke gibt“, sagt er. „Und so, wie sie ist, ist sie schon in Ordnung.“