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Trend aus den USA Warum werdende Eltern immer häufiger Gender Reveal Partys feiern

Gender Reveal Partys haben einen emotionalen Höhepunkt: Werdende Eltern erfahren das Geschlecht ihres ungeborenen Babys. Woher kommt die Idee für diese Art des Feierns?
23.04.2023, 13:24 Uhr
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Warum werdende Eltern immer häufiger Gender Reveal Partys feiern
Von Anja Semonjek

Wird es ein Mädchen oder ein Junge? Das wissen die schwangere Nicole (33) und ihr Mann Antonio Krampe (46) nicht – noch nicht. Auf ihrer Gender Reveal Party (zu Deutsch Geschlechts-Enthüllungs-Party) wird das Ehepaar aber endlich das Geschlecht ihres Babys erfahren. Die besten Freundinnen der werdenden Mutter haben die Feier geplant, daheim in der Nähe von Bremerhaven.

Bislang kennen nur diese beiden das Geschlecht: Krampe hat ihnen das Schreiben der Ärztin weitergeleitet. Für die Party haben sie einen Kuchen gebacken, den Krampe später am Nachmittag anschneidet. In seinem Inneren versteckt sich die Geheimnisoffenbarung: Ist der Kuchen innen pink, erwartet sie ein Mädchen. Bei einer blauen Färbung wird es ein Junge. Aber die Freundinnen haben sich einen Spaß erlaubt: Die Kuchenfüllung ist pink und blau. Denn es sollte spannend bleiben. „Als es dann endlich so weit war und wir das Geschlecht erfahren durften, sind wir in den Garten gegangen. Meine Freundinnen hatten einen Konfettikanon besorgt mit wasserlöslicher Maisstärke. Aus ihnen schoss das rosafarbene Konfetti heraus“, schildert Krampe.

Gender Reveal Partys liegen im Trend. Das fällt besonders bei einem Blick in die sozialen Medien auf, ebenso in den Suchergebnissen von Google. Alles begann mit einem Artikel von Jenna Karvunidis im Jahr 2008: Die US-Bloggerin schrieb über ihre Babyparty mit einem rosa eingefärbten Kuchen. Seitdem organisierten immer mehr werdende Eltern die Babypartys mit einem Gender Reveal. Vor allem in den USA gehören sie mittlerweile zur Tagesordnung. Dank gefärbtem Konfetti, Ballonplatzen oder Puderkanonen gibt es einen pinken oder blauen Enthüllungsmoment. Zudem ist die Partylocation oft mit Girlanden, Luftballons, passendem Geschirr und Servietten geschmückt. Zahlreiche Paare filmen den entscheidenden Enthüllungsmoment und teilen ihn anschließend in den sozialen Medien, auf Youtube, Instagram oder im Whatsapp-Status.

Freudige Nachricht für die Familie

Für einige kann es dabei nicht kreativ und spektakulär genug hergehen. Sie schafften es mit ihren Versuchen zur Übertrumpfung in die Nachrichten – jedoch als Negativschlagzeilen: Blau gefärbtes Wasser, das einen Wasserfall in Brasilien herunterlief, hatte etwa eine Geldstrafe von 2000 Euro zur Folge. In Kalifornien hat ein Paar mit dem Zünden einer Rauchbombe einen Waldbrand ausgelöst. Neulich erregte eine pink gefärbte Taube in New York Aufsehen, denn sie starb eines qualvollen Todes. Klar, das sind Extrembeispiele. Es finden sich auch viele unterhaltsame Videos im Internet. Unter dem Hashtag #genderrevealfail zeigen Menschen, wie ihr Luftballon im entscheidenden Moment doch nicht platzen will. Oder sie veröffentlichen Aufnahmen von Geschwisterkindern, die mit der Verkündung so gar nicht glücklich sind.

„Bei uns gab es Gott sei Dank keinen Fail, es ging alles glatt“, sagt Krampe. Ihre Freundinnen haben sich nicht verplappert. Auch ihre drei Kinder haben die Nachricht, eine Schwester zu bekommen, gut vertragen. Obwohl der jüngste Sohn mit knapp einem Jahr noch zu jung ist, um das zu verstehen. Einer der beiden neunjährigen Zwillinge hat auch nicht ganz verstanden, worum es bei der Party ging, er ist beeinträchtigt. „Er hat sich einfach gefreut, dass es an dem Tag Action und Kuchen gab, und dass alle da waren.“ Nach der Feier haben ihm die Eltern erklärt, dass er eine Schwester bekommt. Am nächsten Tag konnte er einen rosa Cupcake mit zur Schule nehmen und seinen Mitschülern von der Party berichten. „Mir war es super, super wichtig, dass die Jungs bei der Feier dabei sind“, sagt Krampe. Schließlich erleben sie die ganze Schwangerschaft mit.

Umstrittenes Konzept

Während viele Familien diese Gender Reveal Partys als schönes Beisammensein mit der Familie feiern, äußern sich andere kritisch. Die amerikanische Sängerin Demi Levato nannte die Partys „transphob“. Sie spielt auf die immer verbreitetere Ansicht an, dass das Geschlecht kaum oder keine Rolle mehr spiele und es zudem nicht nur männlich und weiblich, sondern weitere Gender-Formen gäbe. Model und Autorin Emily Ratajkowski schreibt in ihrem Essay für die Modezeitschrift Vogue über ihr Kind: „Wir kennen das Geschlecht erst, wenn es 18 Jahre alt ist und es uns offenbart.“ Auch in englischsprachigen wissenschaftlichen Texten geht die Argumentation oftmals in dieselbe Richtung. Astri Jack schreibt in ihrem Artikel, dass es allenfalls „biological sex reveal party“ heißen sollte. Die englische Sprache macht nämlich einen Unterschied zwischen den Begriffen „Gender“ und „Sex“, den es in der deutschen Sprache nicht gibt. Jack unterstützt damit die Aussage der amerikanischen Philosophin Judith Butler, die Gender für ein Konstrukt der Gesellschaft hält: Was „typisch weiblich“ oder „typisch männlich“ ist, sei somit nicht per se durch die biologischen Geschlechtsmerkmale bestimmt; vielmehr entwickele sich ein Kind entsprechend der gesellschaftlichen Erwartungen.

„Ich habe mich einfach über diesen schönen Tag gefreut, dass wir uns gemeinsam freuen, dass es ein Mädchen oder ein Junge wird“, sagt Krampe. Für den Gender Reveal die Farben blau und pink zu nutzen, findet sie praktisch – denn dann wissen alle Partygäste sofort, welches Geschlecht gemeint ist. Dass während der Party eine pinke Bombe gezündet wurde, wird die Tochter später verkraften, da ist sich Krampe sicher. „Es ist ja eher die Frage, wie das Kind nachher aufwächst“, sagt sie. In klischeereichen Geschlechterrollen müssen ihre Kinder nicht aufwachsen. Sobald sich ihre Tochter selbst für „ihre“ Farben entscheiden kann, will sie sie bei dieser Wahl unterstützen. Auch wenn sie überlegen sollte: Vielleicht bin ich gar kein Mädchen, sondern ein Junge. Falls einer ihrer Söhne irgendwann mal ihre Schminke ausprobieren möchte, könnten sie das selbstverständlich auch tun. Zunächst können sich die drei Jungs aber an die neue Frau im Haus ­gewöhnen: Ihre Schwester Lilly wurde am 17. März geboren.

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