Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Welttag des Buches So geht es der Literatur-Branche in Corona-Zeiten

Am 23. April ist Welttag des Buches. Doch wie geht es der Branche dieser Tage? Zwei Expertinnen erzählen, mit welchen Problemen Buchhändler, Verleger und Schriftsteller zu kämpfen haben – und, was helfen würde.
22.04.2020, 20:28 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
So geht es der Literatur-Branche in Corona-Zeiten
Von Katharina Frohne

Wäre alles wie immer, bekäme Sabine Gartmann in den kommenden Tagen Besuch. Viel Besuch. Schulklassen würden in die Buchhandlung Schatulle in Osterholz-Scharmbeck kommen, insgesamt um die 800 Kinder, Gartmann und ihre Kolleginnen würden vorlesen, Bücher verschenken, eine Rallye ausrichten. Der 23. April ist der Welttag des Buches; deutschlandweit hatten Buchhändlerinnen und Buchhändler Aktionen geplant, für Kinder, für Erwachsene. „Geht jetzt natürlich alles nicht“, sagt Gartmann. Wegen Corona. Ausgangssperren, vorübergehende Geschäftsschließungen und ausfallende Veranstaltungen zwingen auch die Buchbranche zum Stillstand.

Immerhin, sagt Gartmann, habe sie den Laden Anfang der Woche wieder öffnen dürfen, an Events mit viel Publikumsverkehr sei dennoch erst mal nicht zu denken.Wie viele Buchhändlerinnen und Buchhändler in Bremen und umzu (wir berichteten) hatten Gartmann und ihre Schwester Ute, die das Geschäft in der Bahnhofstraße gemeinsam betreiben, innerhalb weniger Tage umdisponiert: Auslieferungen zu Fuß und per Rad statt Verkauf im Laden, Beratung am Telefon statt von Angesicht zu Angesicht, längere Tage und geringere Umsätze. „Mit der Arbeit, die wir eigentlich machen, hatte das nicht viel zu tun“, sagt Gartmann. Trotzdem ist sie dankbar: „Die Menschen haben uns unglaublich unterstützt und viel bestellt, auch das hat uns durch diese Zeit gebracht.“

Lesen Sie auch

Große Wertschätzung der Branche

Eine Erfahrung, die viele Händlerinnen und Händler machen durften, sagt Carola Markwa, Geschäftsführerin des Landesverbands Nord im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. „Die Wertschätzung, die die Branche dieser Tage erfährt, ist bemerkenswert.“ Gleichzeitig betont sie, wie kreativ gerade kleine, unabhängige Buchhandlungen reagiert hätten: „Im ersten Schock im März dachten wir, dass nun wochenlang gar nichts geht – stattdessen wurden sehr schnell Mittel und Wege gefunden, das war toll zu beobachten.“

Klar sei aber auch, dass der Arbeitseinsatz, den viele gezeigt hätten – zeigen mussten –, auf Dauer so nicht durchzuhalten gewesen wäre. „Viele erzählen mir, dass der letzte Monat sie so sehr geschafft hat wie vier Wochen Weihnachtsgeschäft“, sagt Markwa. Nur, dass der Ertrag ein deutlich geringerer gewesen sei, dass teils sogar hohe Mehrkosten entstanden seien, etwa durch Paketporto und zusätzlichen Arbeitsaufwand. Sie freue sich deshalb, dass die Läden nun wieder öffnen dürfen, wenn auch nur unter Berücksichtigung strenger Sicherheitsvorkehrungen.

Lesen Sie auch

Buchhandlungen in Tourismusgebieten gefährdet

Kann die Buchbranche also aufatmen? Längst nicht, sagt Markwa. Sie sorgt sich jetzt vor allem um die Buchhandlungen an der Küste und auf den Inseln, in denen viele Touristen einkaufen. Das heißt: normalerweise. Denn Touristen kommen seit Wochen nicht; wann sich das ändert, ist unklar. „Da wird es ganz, ganz schwierig“, sagt Markwa. „Diese Händler brauchen die Einnahmen aus Frühling und Sommer, um über die Wintermonate zu kommen – die fallen nun weg.“

Auch viele Buchverlage müssten weiterhin um ihre Existenz bangen. Wochenlang, erinnert Markwa, hatte sich der Online-Großhändler Amazon vorbehalten, „in einer Epidemie wesentliche“ Waren priorisiert auszuliefern, alle anderen wurden gar nicht oder Wochen später verschickt. Auch Bücher. „Für die Verlage ist dadurch einer der wichtigsten Abnehmer weggefallen“, sagt Markwa. Auch der stationäre Handel habe deutlich weniger eingekauft – schließlich seien die Läden bis vor wenigen Tagen geschlossen gewesen. „Ich hoffe sehr, dass sich die Lage durch die Öffnung der Geschäfte ein wenig entspannen wird“, sagt Markwa. Prognosen will sie nicht abgeben: „Das wäre ein Blick in die Glaskugel; ich denke, dass es jetzt ganz darauf ankommt, wie wir als Land und Gesellschaft handeln und helfen.“

Lesen Sie auch

Langfristige Folgen für Autorinnen und Autoren

Lena Falkenhagen, Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, befürchtet, dass die Krise schwerwiegende Folgen haben wird. „Die Lage der Autorinnen und Autoren ist für Jahre schwieriger geworden“, sagt sie. Erst einmal seien da die unmittelbaren Ausfälle: durch abgesagte Lesungen, gecancelte Messen, Buchveröffentlichungen, die von den Verlagen notgedrungen auf den Herbst verschoben werden mussten. Vielen Schreibenden, sagt Falkenhagen, gingen so „mehrere Hundert bis Tausende Euro verloren, die für den Lebensunterhalt eingeplant waren“. Zum anderen rechnet Falkenhagen mit langfristigen Konsequenzen: „Möglicherweise wird es wegen verschobener Titel ein übervolles Herbstprogramm geben“, die Konkurrenz sei folglich größer.

Und noch etwas macht Falkenhagen Sorgen: Die Verträge, die Autorinnen und Autoren mit den Verlagen aushandelten, würden auf Basis der Verkaufszahlen des Vorjahres abgeschlossen. Seien die schlecht – wie für 2020 zu erwarten –, komme auch bei den Schreibenden weniger an. Falkenhagen wünscht sich daher „eine Unterstützungshilfe für Künstlerinnen und Künstler nach baden-württembergischem Vorbild, wo 1180 Euro pro Monat gezahlt werden, bis die Kulturschaffenden wieder vom eigenen Auskommen leben können“. Außerdem appelliert sie an die Solidarität jedes Einzelnen: „Kaufen Sie Bücher! So kann jeder etwas tun, und alle haben etwas vom Genuss der Kultur: Die einen ein fesselndes Buch, die anderen ihren Anteil am Verkauf.“

Lesen Sie auch

„Buchtipps für Eilige“

Sabine und Ute Gartmann von der Schatulle in Osterholz-Scharmbeck begehen den Welttag des Buches im Übrigen trotzdem: online. Schon seit Längerem laden die beiden regelmäßig einen sogenannten DoFi ins Netz: einen knapp einminütigen Donnerstagsfilm mit „Buchtipps für Eilige“. Zum Lesefeiertag gibt es eine Extrafolge. Zu finden ist die auf der Website der Buchhandlung, alle älteren Teile gibt es auf Youtube.

Info

Zur Sache

Aktionen vor allem online

Der Welttag des Buches findet in diesem Jahr weitgehend digital statt. Die Stiftung Lesen hat für diesen Donnerstag zu zahlreichen Aktionen aufgerufen: Follower auf Instagram & Co. lädt sie dazu ein, unter dem Hashtag #WelttagDesBuches einen Satz aus ihrer Lieblingsgeschichte "zu verschenken". Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Frankfurt ermuntert Leser dazu, unter dem Schlagwort #StayAtHomeReadABook Beiträge zu posten, in denen sie auch andere dazu einladen, die Zeit zu Hause mit einem guten Buch zu verbringen.

Außerdem erinnert der Börsenverein anlässlich des Lesefeiertages daran, lokale Händler zu unterstützen. Einen Überblick über Buchhandlungen in der Nähe bietet die Seite www.buchhandlung-finden.de. Die wie üblich für den 23. April geplante, bundesweit begangene Leseförderaktion „Ich schenk dir eine Geschichte“ wurde auf den Weltkindertag am 20. September verschoben.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)