Sibylle Haase lebt und arbeitet in Bremen und auf Reisen. Fritz Haase lebt und arbeitet in Bremen und auf Reisen. Es sind zwei verräterische Sätze aus der Biografie des Ehepaares, die etwas über deren Definition des Begriffes Arbeit aussagen. Sie aquarelliert und zeichnet, er fotografiert.
Ergebnisse dieser Arbeit aus mehr als fünf Jahrzehnten stellen die Haases jetzt in der Ausstellung „Vor der Natur“ in der Galerie Birgit Waller in Knoops Park aus. Zeichnen, Malen und Fotografieren vor der Natur – das sind die „Spielbeine“ des Künstler-Ehepaares Haase. Das „Standbein“ ist die angewandte Kunst im Büro Haase & Knels, ein Atelier für Gestaltung, das sie 1963 gründeten.
Dort entstanden Plakate, Bücher, Briefmarken und Werbemittel, die mit vielen nationalen und internationalen Preisen für gute Gestaltung bedacht wurden. Fritz Haase war zudem von 1975 bis 2002 Professor für Fotografie an der Hochschule für Künste Bremen, also an der Hochschule, an der seine Frau und er bis 1962 gemeinsam studierten.
Ausschließlich freie Arbeiten
Die Arbeitsergebnisse ihrer angewandten und ihrer freien Kunst waren in den vergangenen Jahren unter anderem in Ausstellungen an der Böttcherstraße, im Bremer Staatsarchiv, im Wilhelm-Wagenfeld-Haus und in der Großen Kunstschau Worpswede zu sehen. In der Villa Lesmona zeigen die Haases nun ausschließlich freie Arbeiten, die zumeist auf Reisen entstanden sind.
„In einem Ausnahmezustand“, sagt Sibylle Haase und definiert diesen Zustand so: Der künstlerische Blick auf eine fremde Welt vertiefe das Sehen. Von den ersten gemeinsamen Fahrradtouren noch als Studierende durch Griechenland bis zu den dann folgenden Reisen nach Italien, Marokko, Bali und Indien fühlte sie sich immer wieder von Motiven angezogen, die Architektur und Natur im Einklang zeigten.
Fritz Haase suchte auf diesen Reisen dagegen für seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit der Leica-Plattenreisekamera die Ideallandschaft möglichst ohne sichtbare menschliche Eingriffe. So erklärt sich auch, dass das Ehepaar äußerst selten dasselbe Motiv wählte.
Eine Gemeinsamkeit
In den Zeichnungen und Aquarellen Sibylle Haases lässt sich eine deutliche künstlerische Entwicklung ablesen. Ihre Ansichten der griechischen Insel Santorin aus dem Jahr 1962 sind noch reine Federzeichnungen, die in feinen Strichen die Strukturen eines am Hang liegenden Dorfes oder eines Hafens abbilden. Farben kommen erst Jahre später ins Spiel, als sie die Feder durch Farbstifte und Aquarellpinsel ersetzt.
Vor allem in Italien malt sie Ansichten von städtischen Plätzen, Gärten und blühenden Landschaften, die sich durch kräftige Farbtöne auszeichnen. Dagegen sind die Bilder aus Indien und von Bali in ihrer Farbigkeit deutlich milder, weil Sibylle Haase das Licht dort in den Parks und Siedlungen ganz anders erlebt als unter strahlend blauem Himmel am Mittelmeer.
All diese Arbeiten, die in den 1980er-Jahren aquarellierten Blumenbilder, und auch die erst 2017 entstandenen, fast japanisch anmutenden Darstellungen einzelner Blumen in Vasen weisen eine Gemeinsamkeit auf. Sibylle Haase arbeitet in ihren Kompositionen mit dem Weißraum, also den frei gelassenen Flächen, und sie konzentriert sich auf die Darstellung des Wesentlichen. Sie malt und zeichnet, was wichtig ist.
Wenig geliebte Glätte der digitalen Fotografie wird vermieden
Der Fotograf Fritz Haase zeigt in seinen Landschaftsbildern ein Faible für die Opulenz der Natur. Ein bizarrer, mit drei, vier Bäumen bewachsener Fels vor einer im Hintergrund nur noch schemenhaft zu erkennenden Bergwand unweit von Positano, eine hawaiianische Kraterlandschaft am Meer, ein tosend in die Tiefe stürzender Bergbach im dunklen bayerischen Tannenwald – das sind archaische Motive, wie sie die Maler der Romantik geliebt haben.
Haase hat diese Bilder analog fotografiert, die Negative eingescannt und davon die Abzüge auf Papier gezogen. So vermeidet er die von ihm wenig geliebte Glätte der digitalen Fotografie. Diese anachronistisch anmutende Vorgehensweise kommt auch den Aufnahmen von Parks und Landschaften zugute, die in und nahe der italienischen Sehnsuchtsorte Ravello, Sorrent und Positano entstanden sind.
Am Rande des opulent gewachsenen Pflanzendickichts geht der Himmel fast nahtlos ins Meer über, nur selten verirrt sich ein Mensch oder eine von Menschenhand gemachte kleine Stiege in diese Fotos, die Landschaften bewusst idealisieren. Romantik pur.