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Gerhard-Marcks-Haus zeigt Ngozi Schommers Fein und glatt ist hier gar nichts

Die Künstlerin Ngozi Schommers befasst sich in den Werken ihrer Ausstellung "The Way We Mask" mit der Symbolik afrikanischer Frisuren. Zu sehen ist die Schau im Gerhard-Marcks-Haus.
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Fein und glatt ist hier gar nichts
Von Iris Hetscher

Die Kunsthalle Bremen lässt schon seit einiger Zeit "Haarige Geschichten" erzählen. 60 Fotos von Menschen und ihrer Körperbehaarung sollen anregen, sich über Schönheitsideale und Geschlechtszuschreibungen Gedanken zu machen, auf einen entsprechenden Aufruf hin sind fast 1000 Bilder eingesandt worden. Es geht darum, dass Haare manchmal zu viel und manchmal zu wenig, aber immer irgendwie Thema sind. Weil Haare, geformt zur Frisur, das Selbstbild prägen, der Konvention entsprechen oder eben ganz bewusst nicht.

Auch nebenan im Gerhard-Marcks-Haus gibt es mit "The Way We Mask" (Die Art, wie wir uns maskieren) eine Ausstellung, die sich dieser ganz speziellen Form der Selbstdarstellung widmet. Ngozi Schommers allerdings nähert sich Haaren aus einer anderen Richtung. Schommers, die in Nigeria geboren wurde und zwischen ihrem Wohnsitz in Bremen und dem ghanaischen Takoradi pendelt, widmet sich dem speziellen Blick auf das Haar afrikanischer Menschen – und gleichzeitig der kolonial gefärbten Sichtweise darauf.

Denn lange Zeit wurde die Krause als Defizit wahrgenommen, das glatte, gebändigte Haar der europäischen und amerikanischen Kolonialherren war der Goldstandard. Von daher hatten sich Schwarze, die es zu etwas bringen wollten in der Gesellschaft, der europäischen und amerikanischen Frisurenmode zu unterwerfen. Die nigerianisch-amerikanische Autorin Chimananda Ngozi Adichie hat dies in ihrem Roman "Americanah" sehr eindrücklich beschrieben.

Kugelige Objekte im Raum

Ngozi Schommers hat sich mit vor-kolonialen Traditionen der Volksgruppe der Ibo befasst, spürt nach, was afrikanische Frisuren mit Stimmungen, Symbolen oder auch Geisterglauben zu tun haben. Fein und glatt ist nichts in ihren Skulpturen und Arbeiten auf handgeschöpftem Papier. Im Gegenteil: Zwölf kugelige Objekte scheinen in "Akwete X Catalogue I" im Raum zu schweben. Köpfe könnten es sein, aus denen ungehemmt bunte Tentakel sprießen oder Strähnen, die manchmal ordentlich zu Kringeln gelegt sind. Einige Köpfe klumpen zusammen, andere wirken in ihrer Ornamentik wie der Entwurf zu barocken Handtäschchen. Auch komplizierte hochgeflochtene Kreationen sind dabei. Alle sind so beleuchtet, dass sie auch als Schatten an die Wand geworfen werden, was verhindert, dass das alles zu verspielt wirkt.

Köpfe sind entscheidend, Gesichter sind unwichtig in den ausgestellten Arbeiten, in denen Schommers auch immer wieder mit Pop-Art-Elementen flirtet. Nur in ihrem "Self Porträt (The Trim)" zeigt sich die Künstlerin, wie sie ihr Haar in Form zu bringen versucht. So richtig zufrieden sieht sie nicht aus. Durch die Technik, Konfetti auf handgeschöpftes Aquarellpapier zu häufen, erhält dieses Selbstporträt eine ungeheure Raumwirkung, ist eher drei- denn zweidimensional. Bei einem weiteren Selbstporträt ("My Head Under") fehlen Kopf und Gesicht dann wieder, an ihrer Stelle steht eine Explosion aus Pailletten – alle Arbeiten weisen diesen unterschwelligen Humor auf.

Haartürme auf Beinen

In einer Serie kleinformatiger Papierarbeiten schaut Ngozi Schommers von oben auf ihre Protagonisten, die mitunter wie surreale Haartürme auf Beinen wirken. Der eine oder andere schicke Kamm ist in die voluminösen Kreationen gesteckt. Nicht alles Haar wirkt allerdings gebändigt – es entfaltet eine archaisch wirkende Wucht, die auch die Skulptur "Akwete X Catalogue II" vermittelt. Tiefblaue und ein paar farbige Schnüre ergießen sich wie bei einer überdimensionalen Zöpfchenfrisur von der Decke auf den Boden, fließen dem Betrachter vor die Füße. "The Square Is All We Have" dagegen zeigt eine braune, gleichförmige Menge von oben, das heißt bei Schommers: viele gleiche Frisuren in Draufsicht. Das kann man, je nach Betrachtungsweise, für eine Ermächtigungspose halten. Oder aber für Kritik am Mode-Diktat.

Info

"The Way We Mask" von Ngozi Schommers ist bis zum 24. Oktober im Gerhard-Marcks-Haus (Obergeschoss) zu sehen.

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