Eigentlich war Hans Otto schon im Jahr 2023 angekommen. Er dachte darüber nach, welche Stationen eine Tournee durch die USA oder durch Südamerika haben könnte. Mit dem Musikfest gab es Gespräche über das traditionelle Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, vielleicht im August, vielleicht im September. Geklärt war bereits: 2022 würde das Orchester auf Japan-Tour gehen, und „2021 war komplett geplant“, sagt Hans Otto, der den Titel „Head of Artistic Management“ bei der Kammerphilharmonie führt – oder auch: künstlerischer Manager.
Er ist damit Stellvertreter von Geschäftsführer Albert Schmitt und zuständig für das Kerngeschäft. Das heißt: „Von der Idee zu einem Konzert über die Solisten und Dirigenten, die wir einladen könnten, bis zur Jahresplanung“ fällt alles in seinen Bereich bei dem mittelständischen Unternehmen, das die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen auch ist. Doch als Hans Otto im Jahr 2023 angekommen war, zeigte der Kalender Mitte März 2020, und auf einmal veränderte Covid-19 die ganze Welt. Otto musste sozusagen die Zeit zurückdrehen und sich erneut mit dem aktuellen Jahr befassen.
„Wie alle habe ich das erst einmal unterschätzt“, sagt er. Die aktuell anstehenden Konzerte in Bremen für März und danach überall mussten abgesagt, eine CD-Produktion abgebrochen werden. Irgendwann war klar: Mit ein paar Wochen Pause würde es nicht getan sein; dem Kulturbetrieb wurde der Stecker gezogen. Für ein Orchester, das sich überwiegend aus Einnahmen finanziert, die weltweite Tourneen einbringen, war die gesamte Planung aus dem Takt geraten.
„Wir hatten großes Glück, unsere Förderer und Abonnenten haben sehr großzügig zu uns gestanden. Das wissen wir sehr zu schätzen und freut uns sehr“, erklärt Hans Otto. Das heißt beispielsweise: Geld für bereits gekaufte Tickets wurde nicht zurückgefordert, auch nicht von den Abonnenten, die auf gleich mehrere Konzerte verzichten mussten. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen hat 5000 Abonnenten für ihre vier Konzertreihen in Bremen. Mehr sei aus Kapazitätsgründen nicht möglich, was vor allem diejenigen betrüben dürfte, die auf der Warteliste stehen.
Virtuelle musikalische Postkarten
Durch diese Unterstützung sei es gelungen, die Musiker weiter zu beschäftigen und zu bezahlen. Als Dankeschön dafür wurden exklusiv „virtuelle musikalische Postkarten“ versendet, kleine private Hofkonzerte gespielt, und auch für die „Sommer-am-Wall“-Reihe erhielten die Abonnenten Karten. So langsam komme jetzt auch der Konzertbetrieb wieder in die Gänge, hat Otto beobachtet.
Den nächsten Fixpunkt des Orchesters bilden die Auftritte bei einem Festival im schweizerischen Kloster Anfang August, natürlich unter den üblichen Hygienebedingungen. Die diktieren, wie bei allen Orchestern, nicht nur die Besetzung, sondern mitunter auch das Repertoire, das dann kurzfristig geändert werden muss. „Wir versuchen, die Konzertdramaturgie immer beizubehalten, also beispielsweise ein großes sinfonisches Werk von Sibelius gegen eins auszutauschen, das mit reduzierter Besetzung gespielt werden kann“.
Den Beethoven-Zyklus hat Otto noch nicht abgeschrieben – ausverkauft sind die Konzerte vom 18. bis zum 22. November schon lange. Ausverkauft heißt aber auch: vier mal 1400 Karten. Aktuell dürften im großen Saal der Glocke wegen der Abstandsregeln aber nur jeweils 380 Zuhörer Platz nehmen. Otto meint dazu: „Wir warten ab, im Moment ändern sich die Bedingungen beinahe täglich“. Das gilt auch für die große Asien-Tournee, für die das Orchester im Dezember angefragt ist. Außerdem ändere sich gerade einiges für das nächste Jahr. So könnten die großen US-amerikanischen Orchester 2021 nicht auf Tournee gehen, das bedeute Lücken im Terminkalender von Konzerthallen und Veranstaltern. Davon könnte die Kammerphilharmonie profitieren.