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Frank Hilbrich zurück am Theater Bremen "Es gibt hier sehr offene Ohren"

Frank Hilbrich hat seine ersten Theatererfahrungen in Bremen gemacht. Ab der Saison 2022/23 kehrt er als leitender Regisseur zurück - und verrät im Gespräch, warum er darüber sehr glücklich ist.
19.11.2021, 15:33 Uhr
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Von Iris Hetscher

Herr Hilbrich, was reizt Sie daran, als leitender Musiktheaterregisseur am Theater Bremen zu arbeiten?

Frank Hilbrich: Ich freue mich auf eine dauerhafte Zusammenarbeit mit dem Ensemble. Die Darsteller sind für mich immer der Dreh- und Angelpunkt von Regiearbeit. Da kann man intensiver einsteigen, als wenn man Gastregisseur für eine Produktion ist. Ich kann über mehrere Projekte, Rollen, Interpretationen mit den Sängerinnen und Sängern arbeiten. Das ist für mich extrem reizvoll.

Warum?

Man kann auf diese Art mehr Vertrauen miteinander aufbauen, und das führt letztlich zu mehr Freiheit und Tiefe. Und genau das suche ich als Regisseur. Wir haben hier ein starkes Ensemble, das einen tollen Ruf hat, mit den Kolleginnen und Kollegen macht das Entwickeln und Umsetzen von Produktionen einfach Spaß. Aber es geht auch immer darum, wo man als Regisseur eigentlich wirklich zum Arbeiten kommt. Ich habe über die Jahre ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Es gibt kleine Häuser, an denen man hervorragend inszenieren kann und welche, die den Begriff Provinztheater erfüllen. Es gibt auch große Häuser, die nur ihren beeindruckenden Namen vor sich hertragen, aber letztlich keine guten Arbeitsmöglichkeiten bieten. Da ist dann viel Prominenz, aber es gibt kaum Zeit zum Proben.

Können Sie den Satz bitte vervollständigen: Das Theater Bremen ist anders als andere Häuser, weil ...

...es viel bedingungsloser bereit ist, Ideen in aller Konsequenz umzusetzen. Diese Bereitschaft, die es hier gibt, Theater auf den Punkt zu bringen, ist schon selten.

Was heißt das denn: Theater auf den Punkt bringen? Das klingt schwer nach Dramaturgen-Sprech.

Ich meine damit etwas ganz Konkretes: Nehmen sie unsere Inszenierung des "Rosenkavalier". Wenn wir in die Figur des Frauenbelästigers Ochs auf Lerchenau Ansätze der Me-Too-Debatte lesen, und zwar in Text und Musik, dann bringen wir das konsequent bis zum Ende so auf die Bühne. Manchmal ist man dann selbst überrascht, was eine derartige Interpretation mit den einzelnen Szenen des Stücks macht. Aber dass das möglich ist und alle Abteilungen konsequent an einem Strang ziehen und das bis ins Kostüm, die Maske, ins Licht hinein umsetzen, das zeichnet dieses Haus besonders aus.

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Und das ist an anderen Theatern nicht so?

Nein, da wird man gerne mal zurückgepfiffen von der Leitung. Oder die Abläufe in den einzelnen Abteilungen gestalten sich schwerfälliger. Es geht nicht darum, dass Regisseure keinen Widerspruch von Dramaturgen oder Intendanten bekommen sollen; im Gegenteil, das befeuert die Kreativität. Aber hier gibt es nicht nur sehr offene Ohren für Vorschläge – wenn man sich einmal gemeinsam auf eine Richtung festgelegt hat, dann wird sie durchgehalten. Es geht immer um das Ergebnis, und das ist größer als jeder Einzelne von uns. Diese Einstellung schätze ich sehr.

Es gibt Regisseure, die sind auf Barockopern spezialisiert, bei anderen weiß man, da gibt es auf jeden Fall Spektakel auf der Bühne. Sie haben eine sehr breite Spanne, von Richard Wagner bis zu Operette, von getragen bis experimentell. Wie kommt das?

Man muss als Regisseur korrigierend eingreifen, wenn man in eine Schublade gesteckt zu werden droht, und das habe ich immer gemacht. Als ich in Freiburg sieben oder acht Wagner-Opern hintereinander inszeniert hatte, habe ich Nein gesagt, als die Frage kam, ob ich noch eine machen wollte. Das hat nichts damit zu tun, dass ich Wagner über hatte; ich halte seine Musik nach wie vor für eine Einstiegsdroge ins Musiktheater. Aber ich habe mir von Beginn meiner Laufbahn an geschworen, ich möchte nicht berechenbar sein, und ich möchte mich auch nicht begrenzen – Musiktheater ist vielfältig, das will ich auskosten. Ich möchte etwas Tragisches, Schmerzhaftes aus dem 19. Jahrhundert inszenieren, aber auch etwas Albernes, Ausgelassenes oder ein Stück Moderne, das sehr fein und genau konstruiert ist. Doch es gibt Bereiche, die ich bisher ausgeklammert habe.

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Welche sind das?

Ich liebe Barockoper als Zuschauer, aber ich würde mich selbst nicht als Regisseur mit einer Händel-Oper besetzen. Dieser verzierte Stil ist nicht meine Art zu erzählen. Da würde ich immer jemand anderen vorschlagen.

Oper haftet ja hartnäckig das Klischee an, anstrengend zu sein und eine Art Pflichtübung fürs Bildungsbürgertum. Sie sprechen immer davon, gute Unterhaltung liefern zu wollen. Was ist das für Sie?

Gute Unterhaltung ist wie ein gutes Gespräch; sie muss einen bereichern, sie hat immer eine gewisse Dringlichkeit. Indem etwas mich amüsiert, mich berührt, oder mich etwas erkennen lässt. Das muss gar nicht immer in Worte zu fassen sein. Reine Berieselung ist dagegen für mich keine gute Unterhaltung. Musiktheater ist kein Saunabesuch: Wir liefern Erlebnisse, die geistig und emotional Impulse vermitteln, die im Idealfall sehr bereichern. Das kann natürlich auch mal anstrengend sein. Vor allem für Menschen, die nach einem übervollen Arbeitstag zu uns kommen. Schwellenangst zu mindern, zugänglich zu sein, ist ein wichtiges Ziel unserer Arbeit.

Sie möchten gerne mehr Zeitgenössisches in den Spielplan einstreuen. An was oder wen denken Sie da?

In Bremen ist immer auch zeitgenössisches Musiktheater gemacht worden. Brigitte Heusinger als leitende Musiktheaterdramaturgin und ich wollen diesen Anteil weiter pflegen. Ich fände es schön, wenn wir die drei meiner Meinung nach wichtigsten zeitgenössischen Opernkomponisten, Peter Eötvös, Kaija Saariaho und Aribert Reimann hier aufführen könnten. Sie haben Werke geschrieben, die eine starke Wirkung aufs Publikum haben. Es ist wichtig, gerade nach der Corona-Durststrecke den Zuschauerinnen und Zuschauern hier vor Ort auch neue, überraschende Angebote machen zu können.

Das Gespräch führte Iris Hetscher.

Zur Person

Frank Hilbrich

wurde 1968 in Bremen geboren und hat erste Erfahrungen im Jugendclub des Theaters gesammelt. Er war Regieassistent in Bremen, Hamburg und Stuttgart und drei Jahre lang Chef des Musiktheaters in Schwerin. Seit 2002 ist er freiberuflich tätig und hat an vielen großen Häusern inszeniert. In Bremen hat er zuletzt mit einer kühnen Version des "Rosenkavalier" (2019/20) Aufsehen erregt. Ab der Saison 2022/23 ist er leitender Musiktheaterregisseur.

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