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Opernpremiere im Theater Bremen Von Sehnsucht ganz erfüllt

Mit Leoš Janá?eks fantastischer Oper "Das schlaue Füchslein" eröffnet das Theater Bremen die Musiktheatersaison. Ein gelungener Auftakt - und zum ersten Mal dirigiert Marko Letonja im Großen Haus.
25.09.2021, 13:33 Uhr
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Von Sehnsucht ganz erfüllt
Von Iris Hetscher

Und dann zieht er die Schlinge zu: Der Förster hat die junge Füchsin gefangen, er will sie mit nach Hause nehmen zu den Kindern. Doch es kommt anders. Die Füchsin hat ihren eigenen Kopf, und es ist schließlich der Förster, der nicht von ihr lassen kann. Vor allem, als sie durch eine List entkommt und wieder im Wald verschwindet. Da wächst seine Sehnsucht erst recht.

Mit Leoš Janá?eks Spätwerk "Das schlaue Füchslein", 1924 uraufgeführt, eröffnete das Theater Bremen am Freitagabend die Musiktheaterspielzeit im Großen Haus. Gleichzeitig gibt Generalmusikdirektor Marko Letonja seinen mehrfach durch die Corona-Pandemie verschobenen Einstand in der Oper. Regie bei diesem ungewöhnlichen Werk führt Tatjana Gürbaca; es ist ihre bereits sechste Arbeit für das Theater Bremen, und wieder hat sie klare, konzentrierte, auch mal humorvolle Bilder für die Geschichte gefunden. Wenn der Förster der Füchsin Stiefel anzieht, dann ist das eine sehr anschauliche Übersetzung des Begriffs Domestizierung.

Von Bühnenbildner Henrik Ahr hat Gürbaca sich auf einer schräg gestellten Drehbühne eine Zirkusarena bauen lassen, ohne jedes Chichi, ganz in Weiß. Ein Raum ohne Anfang und Ende, wie der Kreislauf des Lebens. Kommt die Welt der Menschen, die sich hier oder auf der Vorderbühne abspielt, mit wenigen Requisiten aus, erinnert der Fuchsbau unter der Drehbühne an das Lager eines Möbelgeschäfts. Hier macht es sich "Füchslein Schlaukopf" gerne mal gemütlich und bechert sich einen.

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Die Welten der Tiere und die der Menschen ähneln sich eben bei dieser in der Fantastik angesiedelten Geschichte, die zuerst als Comicstrip in einer Zeitung veröffentlicht wurde. Daran erinnert die Struktur immer noch: Das Ganze spielt sich mit sehr vielen Beteiligten und in vielen mal kurzen oder längeren Szenen ab. Verniedlicht oder überhöht wird dabei nichts: Über Liebesaffären tratscht die Eule im Wald wie der Schulmeister im Gasthaus. Mittelpunkt jeder Szene, auch, wenn sie gar nicht auftritt, ist dabei die Füchsin – die macht, was sie will und mit wem sie will. Und auch, wer nur von ihr gehört hat, den hat sie betört. Ein freier Geist.

Marysol Schalit spielt und singt diese Frau "Schlaukopf", die als Gefangene im Försterhaushalt sehr schnell lernt, ihren anfänglichen Status als Objekt nicht zu bejammern, sondern zu nutzen. Schalit umgarnt den Förster genauso wie alle anderen Männer auf ihrem Weg mit einer umwerfenden Mischung aus Charme, Frechheit und Liebreiz. Christoph Heinrich als zunehmend melancholischer Förster steht ihr in nichts nach; Nadine Lehner als liebender Fuchs-Gatte ist die dritte im Bunde, die diese Inszenierung maßgeblich prägt.

Das gilt für das Spielerische wie für den Gesang, der sich mal in sehr kurzen, mal längeren Einwürfen manifestiert. Janá?ek war mit zunehmenden Alter immer weniger am Komponieren von Arien und der Entwicklung lyrischer Themen interessiert. Er wollte Sprechmelodien und Naturgeräusche abbilden – daher übersetzte er Wörter und Sätze in melodische und rhythmische Phrasen und fügte diese zu Blöcken zusammen. Die besonderen Merkmale seiner Muttersprache, des Tschechischen, aber auch allerlei Tier- oder Waldgeräusche und Folkloreschnipsel fügen sich so zu immer wieder überraschend farbigen und vor allem prägnanten Klangerfahrungen. Keine leichte Aufgabe für die Sängerinnen und Sänger, aber eine, die vor allem das Terzett Schalit (Sopran), Heinrich (Bariton) und Lehner (Sopran) großartig und mit viel Gestaltungswillen löst. Und, als wesentlicher Zweiter im Bunde, die Bremer Philharmoniker mit Marko Letonja, der alles mit deutlichem Zugriff zusammenfügt. 

Gespielt wird die Fassung für Kammerensemble, die logischerweise nicht so dicht klingen kann wie die für großes Orchester. Dafür hört man sehr viel mehr Details, vor allem bei den Bläsern und beim Schlagwerk; auch die rhythmische Komplexität des Werks erschließt sich besser. Und die Stimmungswechsel: verspielt-romantisch bei der Liebesszene der Füchse, unheimlich und mit harschen Bläserakzenten, wenn der Wilderer (Stephen Clark) auftaucht. Er wird den Tod bringen. Der ist im "Schlauen Füchslein" kein klassisch-tragischer Schlusspunkt, kein Blick in den Abgrund. Er markiert ein Ende, das unausweichlich ist nach einem Leben, das man genießen sollte.

Info

Die nächsten Termine: 1. Oktober, 19.30 Uhr; 10.Oktober, 18 Uhr; 17. Oktober, 15.30 Uhr; 22. Oktober, 19.30 Uhr. Dauer: 90 Minuten.

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