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GayleTufts im Gespräch "Bühne ist für mich wie Weserstadion"

Gayle Tufts, die Komikerin mit dem lustigen Mix aus Englisch und Deutsch, kommt nach Bremen. Hier verrät sie unter anderem, was das mit Werder zu tun hat.
01.06.2022, 11:28 Uhr
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Von Simon Wilke

Frau Tufts, wann waren Sie eigentlich zuletzt in Bremen?

Gayle Tufts: Oha, das ist eine Weile her. War das vor dem Lockdown?

Dann wird es Zeit. In der Zwischenzeit ist Werder erst ab-, dann wieder aufgestiegen.

Es ist wirklich wieder Zeit. Das Werder-Spiel konnte ich während meines Urlaubs zumindest im Livestream hören. Oh, mein Gott, das war ein aufregender Tag. Zwischen Fußball und Eurovision war ich fertig mit den Nerven, aber meine Favoriten haben gewonnen, beim ESC und beim Fußball. Das tut gut. Und Absteigen ist ja ein bisschen wie Corona: Wir vergessen es ganz schnell. Mein Mann kommt ja aus Bremen, er hat gesagt, nach dem letzten Abstieg hat es 40 Jahre gedauert, bis der nächste kam. Hoffen wir, dass es wieder so lange dauert.

Für Sie als Amerikanerin müssen die vergangenen Jahre auch ohne ESC und Fußball dramatisch gewesen sein: Erst Trump, dann Corona, jetzt herrscht Krieg und dazu die Anschläge in Buffalo und Uvalde. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt eigentlich für ein fröhliches "Wieder da!", oder?

Ja, was zur Hölle ist eigentlich los? Wir erleben gerade eine sehr schmerzvolle Zeit, aber genau da kommt die Comedy ins Spiel: Wenn wir nicht lachen würden, würden wir heulen. Wir brauchen dieses Ventil. Und mein Ziel ist es, ein rezeptfreies Antidepressivum für die Menschen zu sein. Ob Corona oder Trump oder jetzt Putin oder der Aufstieg der Rechten: Die Menschen sollen nicht alles vergessen, aber sich etwas besser fühlen.

Zumindest Trump ist aber keine akute Bedrohung mehr, oder?

Er ist wie die Kakerlaken in meiner alten Wohnung in New York: Man kommt nach Hause, macht das Licht an und sie verstecken sich. Aber er ist immer noch da, und er unterstützt bei den Vorwahlen Kandidaten, die noch rechter sind, als er sich gab. Der Terrorist von Buffalo (am 14. Mai hatte ein 18 Jahre alter Schütze vor und in einem Supermarkt zehn Menschen erschossen; Anm. d. Red.) war beispielsweise absolut entflammt von Trumps Rhetorik und Fox News. Buffalo ist nicht so anders als Bremen, eine Universitätsstadt, Arbeiterstadt – da kriegt man Angst.

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Haben Sie ein Rezept dagegen?

Ich mache jeden Tag eine Liste, wofür ich dankbar bin. Sie fängt an mit Atmen. Meine Messlatte ist offensichtlich relativ niedrig – aber das ist ein guter Anfang. Wenn wir das Lachen verlieren, haben wir sowieso verloren, darum sind Musik und Comedy auch wichtige soziale Werkzeuge. Mit meinem Pianisten Marian Lux darf ich nun wieder Abend für Abend die Moleküle in Theatersälen ändern und für ein paar Stunden positive Energie ausschütten. Das ist ein Privileg, genau wie Demokratie und frisches Wasser.

Ihr nächster Termin ist auf dem Festival Comedy for Future, wo auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz aufmerksam gemacht wird. Ist Politik für Sie mehr als Witze-Lieferant?

Das war es immer. Ich frage mich, wie man heute nicht politisch sein kann. Viele konnten sich nicht vorstellen, dass mehr passieren kann als Mauerfall und dann Friede, Freude, Eierkuchen. Das war auch ein Grund, weshalb ich 2017 die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen habe: nicht gegen Trump, aber ein Stück weit wegen Trump. Ich habe realisiert, dass es wichtig ist, wählen zu gehen, Teil einer Demokratie zu sein.

Jetzt, wo Sie Deutsche sind, haben Sie bestimmt schon ein paar typische Angewohnheiten übernommen, oder?

Natürlich. Ende Juni fahre ich zum Geburtstag meines Bruders nach Amerika, da fürchte ich mich schon ein bisschen. Ich sage einfach oft deutsche Wörter wie "Ach so" und alle denken, ich sage "Asshole". Ich finde mich daher schon sehr deutsch.

Träumen Sie auch auf Deutsch?

Je nachdem, wer in meinem Traum auftaucht. Mein Mann spricht darin Deutsch, Channing Tatum Englisch – obwohl der eigentlich gar nicht zu sprechen braucht.

Ihr Programm heißt ja "Wieder da!", was haben Sie denn getan, während Sie weg waren?

Ich habe geschrieben, für den Deutschlandfunk gearbeitet und für Zeitungen. Es gab keine große Identitätskrise à la "Wer bin ich, wenn ich nicht auf der Bühne stehe?" Ich bin Gayle, ich schreibe. Das war immer klar. Ich kann sogar ein wenig nostalgisch auf den ersten Lockdown blicken, als plötzlich die Delfine zurück nach Venedig kamen. Ich habe probiert aktiv zu bleiben, ob beim Zoom-Yoga oder beim Spazierengehen und kenne mittlerweile jeden Baum in Brandenburg persönlich.

Und die Rampensau in Ihnen hat nie rebelliert?

Nee. Ich habe aber auch nie den Glauben aufgegeben, dass es bald wieder wie früher sein wird. Ich hatte zwischendurch zwar auch mal diese typische deutsche Angst, sozusagen fear auf Anabolika...

Wenn plötzlich das Klopapier fehlt.

Ja, aber Gott sei Dank war immer noch ein bisschen Riesling da. Das Ganze hat zumindest dazu geführt, dass alle Menschen vorübergehend ein wenig zusammengerückt sind. Trotzdem war es nicht immer leicht. Ein Freund von mir ist an Corona verstorben.

Wie blicken Sie da auf die Proteste gegen die Maßnahmen?

Ich verstehe, dass Leute wütend sind oder Angst haben, aber als ich letztens auf einen Querdenker-Protest getroffen bin, meinte einer, Masken seien Vergewaltigung. Ich habe gesagt: Nein! Das ist inkorrekt. Unwahr. Einfach scheiße. Es ist nicht zu viel verlangt, eine Maske zu tragen. Wir tun es ja auch für andere Menschen. Es ist ein bisschen, wie mit meinem BH, ich würde auch gerne drauf verzichten, aber für alle anderen ist es besser, wenn ich einen trage.

Gehen Sie selbst denn wieder mit einem guten Gefühl in einen vollen Theatersaal?

Mit Corona ist es ja wie mit einer Geburt. Sehr schwierig, aber der Verstand möchte es irgendwie hinter sich lassen. Außerdem haben die Häuser so viel Geld dafür ausgegeben, Theater zu sicheren Orten zu machen, mit Luftfiltern und allem Drum und Dran.

Hatten Sie überhaupt schon einmal einen unangenehmen Bühnenmoment?

Nein, never ever. Es sind schon verrückte Dinge passiert, es sind lustige Dinge passiert, aber es war nie peinlich. Und ich erwarte auch nicht, dass Will Smith nach Bremen kommt und mir eine in die Fresse haut. Bühne ist für mich wie Weserstadion – das ist meine Heimat, ein Heimspiel. 

Das Gespräch führte Simon Wilke.

Zur Person

Gayle Tufts

ist Comedian, Sängerin, Werder-Fan und Erfinderin des "Dinglish", einem Mix aus Deutsch und Englisch. Ihre Shows sind geprägt von autobiografischen Geschichten und Beobachtungen aus ihrem Leben.

Info

Mit ihrem Programm "Wieder da!" gastiert Gayle Tufts am Donnerstag, 9. Juni, um 20 Uhr im Bremer Kulturzentrum Schlachthof. Tickets unter www.nordwest-ticket.de/thema/gayle-tufts.

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