Von den Tempoüberschreitungen auf der Hochstraße Richard-Boljahn-Allee/Kurfürstenallee ist der Einsender ziemlich genervt. Besonders übel stößt ihm der viel zu schnelle Schwerlastverkehr auf – wegen des Lärms und der Erschütterungen. Abhilfe kann es in seinen Augen nur durch eine permanente Überwachung der Geschwindigkeit und Schutzmaßnahmen geben. Vom Straßenlärm geplagt ist auch ein Anwohner des Stephani-Viertels. "An Schlaf bei geöffnetem Fenster nicht zu denken", klagt er. Der Lärm von Lkw und Pkw auf der Hochstraße sei unerträglich, hinzu komme der laute Güterverkehr der Bahn.
Noch bis zum 31. März sind alle Bewohner in Bremen aufgerufen, Lärmhotspots in ihrer Stadt anzugeben. Dabei geht es um Straßen-, Schienen- und Flugverkehr sowie Gewerbe, Industrie und Häfen als Lärmquelle. Seit Monatsanfang sind bei der Online-Umfrage des Umweltressorts mehr als 80 Beiträge und knapp 30 Kommentare gepostet worden. Wie nicht anders zu erwarten, sorgt der Straßenverkehr mit 57 Beiträgen für den meisten Verdruss. An zweiter Stelle rangieren mit deutlichem Abstand acht Lärmmeldungen zum Bereich Gewerbe, Industrie und Häfen, auf dem dritten Platz folgen sechs Beschwerden über Straßenbahnverkehr.
Auf der Website zum Lärmaktionsplan lässt sich unter dem Reiter "Auswertungen" ablesen, in welchen Stadtteilen sich die Menschen besonders stark von Lärm gestört fühlen. Die meisten Klagen sind aus Vegesack zu hören. Und zwar in Zusammenhang mit der A 270, die über eine Länge von knapp elf Kilometern vom Ihlpohler Kreisel nach Blumenthal verläuft. "Anstatt uns im Garten erholen zu können, sind wir einer weiteren Lärmbelästigung ausgesetzt", schreibt eine Frau. Nach eigener Angabe arbeitet sie ohnehin schon in einem lärmintensiven Beruf, genauso wie ihr Mann. Den zweiten Platz teilen sich Beschwerden aus Borgfeld und Blumenthal, einem weiteren Stadtteil aus Bremen-Nord.
Die gesammelten Meldungen sollen bis Sommer 2024 in einen neuen Lärmaktionsplan einfließen, soll heißen: in einen Maßnahmenkatalog gegen Lärm. Der erste Schritt in diese Richtung war die Veröffentlichung der neuen Lärmkarten von 2022, sie dienen sozusagen als Impuls für die Öffentlichkeit. Die Lärmkarten erstellt das Umweltressort alle fünf Jahre auf Grundlage berechneter Werte. Wer die Online-Karten aufruft, kann sich die jeweilige Lärmbelästigung nach verschiedenen Kriterien anzeigen lassen. Weil es sich dabei aber nur um eine Trockenübung handelt, wird die Öffentlichkeit beteiligt. Erst die Erfahrungswerte der Menschen vor Ort füllen die neuen Lärmkarten mit Leben.
Zu den Lärmkarten von 2017 gab es Ende 2020 eine Öffentlichkeitsbeteiligung. Damals gingen bei der Behörde insgesamt 166 Hinweise und Anregungen ein – deutlich mehr als erwartet. Den meisten Unmut verursachte der Straßenlärm mit 66 Prozent der Eingaben, es folgten Schienenlärm mit zwölf Prozent und Gewerbelärm mit elf Prozent. Der Fluglärm kam auf sechs Prozent, sonstiger Lärm summierte sich auf fünf Prozent.
Mit den Eingaben gehen häufig auch Vorschläge einher, wie man Abhilfe schaffen könnte. So auch in der aktuellen Mitmachphase. "Flüsterasphalt und höhere Lärmschutzwände wären eine immense Erleichterung und ein Beitrag zu unserer Gesunderhaltung", schreibt die Frau, deren Heim sich direkt an der A 270 in Vegesack befindet. Dass sich höhere Lärmschutzwände aber auch nachteilig auswirken können, ist die leidvolle Erfahrung eines anderen Anwohners der A 270. Sein Fazit: Die höheren Wände des neuen Lärmschutzes auf der gegenüberliegenden Seite "werfen den Schall zurück über die Lärmschutzwand auf unserer Seite".
Nach Abschluss der Umfrage zum Monatsende sind die Aktivitäten rund um den Lärmaktionsplan aber noch lange nicht vorbei. Im Sommer werden die Eingaben ausgewertet, im vierten Quartal 2023 beginnt die zweite Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Veröffentlichung des neuen Lärmaktionsplans ist für Juli 2024 geplant. "Darin identifizieren wir Lärmhotspots und erarbeiten konkrete Maßnahmen, um die Bremerinnen und Bremer vor Lärm zu schützen", kündigt Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) an.
Freilich gibt es keine Garantie dafür, dass die Beschwerden auf fruchtbaren Boden fallen. "Viele der Eingaben betrafen Themen, die sich nicht über den Lärmaktionsplan regeln lassen", heißt es im Bericht zur Öffentlichkeitsbeteiligung 2020/21. Zahlreiche Straßen und Schienenwege seien bereits mit Schallschutz ausgestattet, erst geänderte Bundesgesetze könnten positive Wirkung entfalten. Dennoch zieht die Behörde ein positives Fazit: "Auch wenn keine konkreten Maßnahmen aus der Öffentlichkeitsbeteiligung in den Lärmaktionsplan übernommen wurden, so konnten doch einige Probleme kurzfristig gelöst werden."