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Neue LAG-Spitze mit vielen Ideen Entlastung für die Pflegekräfte

Martin Böckmann und Iris von Engeln führen die Dachorganisation der Wohlfahrtsverbände und wollen intelligente Personalsteuerungsmodelle entwickeln. Mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen erforderlich.
22.07.2021, 18:11 Uhr
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Von Helke Diers hed

Der Fachkräftemangel sei in fast jedem sozialen Beruf und in der Pflege in Bremen ein großes Problem. Dafür müsse die Gesellschaft dringend Lösungen finden. Das sagen der neue Vorsitzende und die Geschäftsführerin der Dachorganisation der Wohlfahrtverbände. Bei der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG) stehen zwei neue Köpfe an der Spitze. Als neuer Vorstandsvorsitzender wurde Martin Böckmann vom Caritasverband gewählt. Iris von Engeln soll als Geschäftsführerin den Zusammenschluss stärker nach außen vertreten.

Martin Böckmann ist seit fast dreißig Jahren bei der Caritas, dem Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche und seit 2006 ihr Bremer Direktor. Der Kaufmann ist nicht das erste Mal Vorsitzender der Dachorganisation der sechs Wohlfahrtverbände in Bremen. Vor dem kürzlich verabschiedeten Sprecher Arnold Knigge war er bereits einmal in dieser Funktion. "Gewisse Dinge wiederholen sich", sagt er lachend.

Die Aufgabe des Vorsitzenden hat sich jedoch verändert. Die Arbeitsgemeinschaft habe sich nach rund zehn Jahren mit einem ehrenamtlichen und verbandsunabhängigen Sprecher von dieser Struktur verabschiedet, erläutert Böckmann. Der Vorsitz werde jetzt rollierend aus den Mitgliedsverbänden gewählt, die hauptamtliche Geschäftsführung übernehme einen Teil der Aufgaben. Dafür ist seit November letzten Jahres Iris von Engeln bei der LAG eingestellt. Sie solle als Geschäftsführerin verbandsneutral übergreifend arbeiten und das vorrangige politische Sprachrohr der Arbeitsgemeinschaft sein. Die geborene Bremerin war zuvor neun Jahre lang beim hessischen paritätischen Wohlfahrtsverband Regionalgeschäftsführerin.

Die beiden Vertreter der LAG sind sich einig: Es gibt mehr zu tun im sozialen Bereich und dafür braucht es mehr Personal. Der Bedarf an Leistungen steige in allen Bereichen der Wohlfahrtspflege weiter stark an, sagt Böckmann. "Die Nachfrage ist riesig." Im Pflegebereich sei der Mangel an entsprechend qualifizierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ganz oben auf der Agenda aller Tagesordnungen. "Wir werden perspektivisch große Schwierigkeiten haben, Pflege in der Form, wie wir sie heute machen, bei steigendem Bedarf durch die demografischen Entwicklung ausreichend umzusetzen", sagt er. Der Mangel müsse auf verschiedenen Wegen angegangen werden. Dabei sei es wichtig, Pflege auch als chancenbringend für die Gepflegten wahrzunehmen.

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Böckmann findet, es müsse in Zusammenarbeit mit Behörden und Kostenträgervertretern geschaut werden, intelligente Personalsteuerungsmodelle zu entwickeln, damit Pflegefachkräfte gezielter Pflegefachleistungen erbringen könnten. "Wir brauchen mehr Menschen in der Pflege, die möglicherweise mit einer geringeren oder anderen Qualifikation einfachere Tätigkeiten machen können, um die weniger vorhandenen Pflegekräfte auch entlasten zu können."

Unterm Strich werde das mehr Personal bedeuten. Und bessere Arbeitsbedingungen. Der Druck aus der alltäglichen Arbeitssituation in der Pflege müsse herausgenommen werden. Es sei für junge Menschen nicht attraktiv, an freien Wochenenden häufig für Krankheitsvertretungen bereitzustehen, sobald das Telefon klingele. "Die Planbarkeit, das ist ein Thema, was sich mittlerweile in der Branche rumspricht", glaubt Böckmann.

Ein weiterer Punkt sei die Bezahlung. Die Tarifgemeinschaft Pflege in Bremen habe vor fünf Jahren mit der Gewerkschaft Verdi einen Tarifvertrag für die Altenpflege verhandelt, der "ein großer Sprung" gewesen sei. Böckmann sagt: "Ich halte es für gut, dass wir den Wettbewerb nicht über Löhne und Gehältern führen, sondern über die Leistung und Qualität in den Häusern."

Auch in der Kindertagesbetreuung kann nach Ansicht von Engelns nicht alles bleiben, wie es ist. Es habe in der letzten Zeit große Veränderungen gegeben, nicht nur wegen des Rechtsanspruches auf einen Platz bereits für Krippenkinder. Der gesellschaftliche Blick auf die Versorgung der Kleinsten habe sich ebenfalls gewandelt. "Man erkennt viel mehr an, was für eine große Förderung davon für die Kinder ausgeht", sagt sie. "Es geht darum, dass wir Kinder mit einem anderen kulturellen, sprachlichen Hintergrund ganz früh mitnehmen, die Familien mitnehmen. Der Anspruch, der an eine Kita gestellt wird, ist ein ganz anderer als früher. Diese Veränderungen müssen sich abzeichnen: im Personal, in der Aufstellung, im Angebot an sich." Dazu gehöre auch eine verlässliche Vergütung für Auszubildende im Kitabereich in der Breite, fügt Böckmann hinzu.

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Böckmann und von Engeln schauen auf die großen sozialpolitischen Herausforderungen. "Das Armutsgefälle hat in Bremen eine große Dimension, die Spaltung zwischen Arm und Reich. Das wird diese Gesellschaft in den nächsten Jahren noch stärker herausfordern. Ich glaube, diese Spaltung wird eher noch größer", sagt der Vorsitzende der LAG.  Das sehe man auch in den unterschiedlichen Situationen in den Stadtteilen.

Die beiden Vertreter der Wohlfahrtspflege wünschen sich ein Umdenken über die Bedeutung des sozialen Bereiches. "Es bräuchte einen gesellschaftlichen Konsens dafür, dass dieses ganze Soziale, was immer so einen Großteil der Kosten ausmacht, einfach gewollt ist. Wenn dieser Konsens da ist, dann sind wir auch bereit, dafür viel Geld auszugeben", sagt die Geschäftsführerin von Engeln. Sie spricht über positive Zusammenarbeit mit der Politik und Verwaltung: "Wir arbeiten ja nicht gegeneinander. Wir haben ein gemeinsames Ziel und wollen, dass es den Menschen möglichst gut geht mit den Angeboten, die wir ihnen machen." Böckmann fügt hinzu: "Vom Grundsatz her sind wir nicht weit auseinander. Aber es ist eben alles eingeengt durch die finanziellen Spielräume, da sind wir ja auch alle Realisten."

Zur Sache

Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege

In der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen (LAG) haben sich sechs Verbände und Organisationen zusammengeschlossen: die Arbeiterwohlfahrt (AWO), der Caritasverband (CV), der Paritätische (DPWV), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das Diakonische Werk (DW) sowie die Jüdische Gemeinde. In Bremen und Bremerhaven arbeiten nach Angaben der LAG  rund 25.000 Menschen bei einem der sechs Träger. Die gemeinnützigen Wohlfahrtsverbände betreiben beispielsweise Kindertageseinrichtungen und Pflegeeinrichtungen, engagieren sich in der Altenpflege, Eingliederung- und Jugendhilfe. "Die Spitzenverba?nde zeichnen sich dadurch aus, dass sie in allen Feldern sozialer Arbeit tätig sind", sagt Geschäftsführerin Iris von Engeln.

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