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38-Jähriger wegen Totschlags angeklagt Streit um Handy endet tödlich

Mit einem Sprung auf die Motorhaube will eine Frau ihren wegfahrenden Ehemann stoppen. Der fährt trotzdem weiter – und steht nun wegen Totschlags vor Gericht.
18.01.2022, 18:17 Uhr
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Streit um Handy endet tödlich
Von Ralf Michel

Ein heftiger Streit zwischen Mann und Frau. Am Ende verlässt er die Wohnung und will mit dem Wagen davonfahren. Sie stellt sich ihm in den Weg und springt auf die Motorhaube, als er trotzdem anfährt. Gut 50 Meter geht die Fahrt, dann rutscht die Frau von der Motorhaube. "Völlig skurril die Szene", sagt ein Augenzeuge. "Wie im Film." Einer ohne Happy End: Die Frau schlägt mit dem Hinterkopf auf den Boden und erleidet schwere Kopfverletzungen. Zwei Wochen später stirbt sie im Krankenhaus. Ihr 38-jähriger Mann steht jetzt vor Gericht, angeklagt wegen Totschlags. Die Staatsanwaltschaft spricht von "bedingtem Tötungsvorsatz". Er habe durch sein Verhalten den Tod seiner Frau zumindest billigend in Kauf genommen.

Auslöser des Streits zwischen den Eheleuten am 21. Juli in der Togostraße in Gröpelingen war ein Handy, so viel steht fest. Alles andere soll nun mithilfe von Zeugen geklärt werden. Die beiden ersten Zeugen, die am Dienstag beim Prozessauftakt in der Messehalle 4 aussagen, scheinen ein Glücksfall für das Gericht zu sein. Ein 48-jähriger Gemeindereferent und ein 32-jähriger Lehrer, die den Vorfall sehr genau mitbekommen haben – der Angeklagte fuhr mit seiner Frau auf der Motorhaube direkt an ihnen vorbei.

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Misslich nur, dass die Aussagen der beiden Zeugen kaum unterschiedlicher hätten sein können: "Sie lag lang ausgestreckt bäuchlings auf der Motorhaube", sagt der eine. "Sie hat seitlich auf der Motorhaube gesessen", der andere. Der Mann sei nicht schnell gefahren, erinnert sich der eine. "Er hat Vollgas gegeben, der Wagen hat einen richtigen Satz nach vorne gemacht", sagt der andere. Ob der Motor des Wagens aufgeheult habe, werden beide Zeugen gefragt. "Nein", antwortet der eine. "Klar", sagt der andere. "Er hat ja stark beschleunigt." Und wo der eine Zeuge die Frau als völlig außer sich und schreiend beschreibt, findet der andere, dass sie "irgendwie traurig" ausgesehen habe.  

Es wird weitere Zeugen in diesem Verfahren geben, sodass sich das Gericht nicht allein aus diesen beiden widersprüchlichen Aussagen ein Bild wird machen müssen. Doch schon beim Prozessauftakt gibt es eine Form von Bestätigung der Angaben des einen Zeugen. Zumindest weichen seine Erinnerungen ein halbes Jahr nach dem Vorfall nicht von dem ab, was er unmittelbar während der Tat gesagt hatte. Sofort nachdem der Angeklagte mit seinem Wagen an ihm vorbeigefahren war, hatte der 32-Jährige angehalten und die Polizei alarmiert. Den Mitschnitt des Notrufs spielt der Vorsitzende Richter nun im Gerichtssaal ab.

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So können alle hören, wie der Zeuge der Polizistin am anderen Ende der Leitung mit aufgeregter Stimme erzählt, dass sich "hier gerade ein Drama abgespielt hat".  Vollgas habe der Fahrer gegeben. "Der ist volle Pulle losgefahren." Und nun liege eine Frau am Boden, wahrscheinlich schwer verletzt. Noch während der Aufnahme ertönt im Hintergrund eine Sirene. Polizei und Rettungskräfte sind eingetroffen.

Der Angeklagte lässt von seinem Anwalt eine Erklärung verlesen. Darin bestätigt er den Streit, und dass er habe wegfahren wollen. Seine Frau habe ihn jedoch am Kragen gepackt, obwohl er schon im Wagen saß. Als er trotzdem im ersten Gang losrollte, habe seine Frau sich an ihm und am Auto festgehalten, dabei seitlich auf der Motorhaube gesessen. Er habe aber nicht beschleunigt oder abrupt gebremst, sondern sei einfach nur langsam weitergerollt. Als sie dann herunterfiel und er sie am Boden habe liegen sehen, sei er schockiert gewesen. Und habe es auch nicht wahrhaben wollen, als man ihm zwei Wochen später in der Haft mitteilte, dass sie gestorben sei. "Ich hatte nie die Absicht, sie zu töten. Ich wollte nur aus der für mich unangenehmen Situation heraus."

Die Verhandlung wird am Mittwoch, 26. Januar, um 9.30 Uhr fortgesetzt.

Zur Sache

Ungeimpfte Zeugin

Auch mit Problemen dieser Art haben Gerichte in Zeiten von Corona zu kämpfen: In dem Prozess wegen Totschlags, der am Dienstag begonnen hat, ist für Anfang Februar eine Frau als Augenzeugin vorgeladen, die kurz nach der Tat nach Hessen umgezogen ist. Sie können leider nicht nach Bremen kommen, teilte sie nun dem Gericht mit. Da sie ungeimpft sei, könne sie nicht mit der Bahn anreisen und würde in Bremen auch kein Hotelzimmer bekommen. Das Landgericht sucht nun nach einer Lösung.

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