Der Fall des Pflegers vom Diako-Krankenhaus, dem der Tod von zwei Patienten angelastet wird, weitet sich in die Region aus. "Der Angeklagte war bei einer Leiharbeitsfirma beschäftigt und ist je nach Bedarf an Kliniken im Bremer Umland vermittelt worden", teilt die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit. Dort werde nun ebenfalls ermittelt.
Wegen der mutmaßlichen Taten im Diako muss vor dem Landgericht im Januar die Hauptverhandlung beginnen. Dann läuft die Frist für die Untersuchungshaft ab. Der Krankenpfleger sitzt seit Juli im Gefängnis, nur in seltenen Ausnahmen darf vor Prozessbeginn ein halbes Jahr Haft überschritten werden.
"Es gibt Hinweise auf einen bereits mehrere Jahre zurückliegenden Vorfall im hiesigen Bezirk, in den der in Bremen angeklagte Krankenpfleger möglicherweise involviert ist", berichtet Marcus Röske, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Verden. Bislang könnten diese Hinweise, denen selbstverständlich weiter nachgegangen werde, allerdings keinem konkreten Sachverhalt zugeordnet werden. Weitergehende Auskünfte seien deshalb derzeit nicht möglich, sagt Röske.
Bremer Pfleger soll Insulin ohne ärztliche Anweisung verabreicht haben
Anders als beim Patientenmörder Niels Högel, der in Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst 87 Menschen getötet hat und dafür vor zweieinhalb Jahren lebenslange Haft bekam, wird beim ehemaligen Diako-Mitarbeiter in den Bremer Fällen nicht von Mord ausgegangen. Dafür fehlten bei ihm die Heimtücke und das Motiv, erklärt die Staatsanwaltschaft.
Verantworten müsse sich der 34-Jährige stattdessen wegen Totschlags, in einem zusätzlichen Fall auch wegen gefährlicher Körperverletzung. "Nach den durchgeführten Ermittlungen ist davon auszugehen, dass der Tatverdächtige Insulin verabreicht hat, weil er diese Art der Therapie für richtig hielt", so die Ankläger. Allerdings sei die von ihm durchgeführte Insulintherapie von keinem Arzt angeordnet worden und werde in der Praxis auch nicht angewandt: "Die Insulinvergabe erfolgte eigenmächtig und ohne Rücksprache."
Der Angeklagte war von Januar 2020 bis April 2021 im Diako beschäftigt. Die Ermittlungen sind für diese Zeitspanne noch nicht abgeschlossen. "Es wird dem Verdacht nachgegangen, dass es in dem Krankenhaus zu einem weiteren Fall einer Insulinvergabe durch den Angeklagten gekommen sein soll", sagt die Staatsanwaltschaft. Das Diako habe sich in der gesamten Angelegenheit gegenüber den Behörden von Anfang an kooperativ verhalten. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht sei bisher nicht festgestellt worden.
Ende der Ermittlungen noch nicht in Sicht
Im Fall Högel, der mutmaßlich größten Mordserie in der bundesdeutschen Kriminalgeschichte, beginnt am 17. Februar in Oldenburg der Prozess gegen jeweils vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Klinikums Delmenhorst und des Klinikums Oldenburg, darunter Personal aus den Chefetagen. Den Angeklagten wird vorgeworfen, die Taten von Högel nicht verhindert zu haben. Sie hätten nach Auffassung der Staatsanwaltschaft rechtzeitig einschreiten und die Ermittlungsbehörden alarmieren müssen.
Die Unregelmäßigkeiten im Diako waren Mitte April passiert: "Auf der Intensivstation unseres Krankenhauses wurden zwei auffällige und in dieser Art ungewöhnliche medizinische Notfallsituationen beobachtet, die sich nicht eindeutig durch die Krankheitsbilder der beiden beteiligten Patienten erklären ließen", teilte die Klinik mit. Die Recherche habe damals unter anderem ergeben, dass ein Beschäftigter der Intensivstation in beiden Fällen unmittelbar beteiligt war. Sehr frühzeitig sei daraufhin die Kriminalpolizei benachrichtigt worden. Eines der möglichen Opfer konnte noch obduziert werden.
Die Polizei hatte Ende April eine Sonderkommission mit dem Namen "Robbe" ins Leben gerufen – zunächst mit sechs Beamten, aktuell sind es nach Darstellung der Staatsanwaltschaft noch drei. "Es wurden im Diako die Akten jener Patienten überprüft, bei denen ein auffällig niedriger Blutzuckerwert festgestellt worden ist", beschreibt die Behörde die Arbeit der Sonderkommission. Ein Ende der Ermittlungen sei noch nicht in Sicht.