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24-Jährige schweigt Mit simplen Tricks zur Millionenbeute

Die Frau, die über acht Millionen Euro bei einer Bremer Sicherheitsfirma gestohlen haben soll, ist weiterhin verschwunden. Einblicke in den Tatablauf gewährt jetzt der Prozess gegen ihre mutmaßliche Komplizin.
07.12.2021, 18:26 Uhr
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Mit simplen Tricks zur Millionenbeute
Von Ralf Michel

Auf der Anklagebank sitzt eine 24-jährige Bremerin. "Beihilfe zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall" wird ihr vorgeworfen. Sie soll Komplizin gewesen sein beim Millionen-Diebstahl in der Geldtransportfirma Loomis im Mai dieses Jahres. Doch die junge Frau spielt am Dienstag im Landgericht nur eine Nebenrolle. Im Mittelpunkt des Prozessauftaktes steht der dreiste Coup selbst. Zeugenaussagen von drei Loomis-Mitarbeitern belegen, wie geplant und raffiniert die 28-jährige Haupttäterin vorging, die sich mutmaßlich in die Türkei abgesetzt hat.

Im Gerichtssaal werden Aufnahmen von Sicherheitskameras gezeigt. Sie dokumentieren, wie der Diebstahl am 21. Mai dieses Jahres ablief. Die Aufgabe der 28-Jährigen bei Loomis war es, das von der Bundesbank in Containern angelieferte Bargeld in Geldkassetten umzupacken, die dann zu Geldautomaten in Bremen und Umgebung transportiert werden sollten. Etwa 17 Millionen Euro hatte sie an diesem Tag zu verpacken, doch nur etwa die Hälfte davon landete wie vorgesehen in den Kassetten. Die andere Hälfte – laut  Loomis exakt 8.196.925 Euro – ließ sie in einem Container verschwinden, den sie am Ende ihres Arbeitstages aus dem Betrieb schmuggelte. Anschließend lud sie die Beute in einen wartenden Transporter und konnte vollkommen ungestört verschwinden.

"Unfassbar, wie clever sie vorgegangen ist", findet ihr Kollege als Zeuge vor Gericht. Was soll er auch anderes sagen? Er war es, der an diesem Tag die Tür zur Sicherheitsschleuse für die Diebin öffnete und damit sozusagen den Weg frei machte für den Rollcontainer und seinen millionenschweren Inhalt.

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Schon am Tag vor dem Diebstahl habe die 28-Jährige ihn darauf angesprochen, dass sie sich morgen endlich mal um den Berg von Papier und Pappe kümmern wolle, der sich im Bereich der "Packabteilung" bei Loomis angesammelt hatte, erinnert sich der 41-Jährige. Deshalb habe er sich nicht weiter gewundert, als sie ihn am Tattag, einem Freitag, erneut darauf ansprach. Dass direkt an ihrem Arbeitsplatz ein Faltcontainer der Bundesbank stand, sei ebenfalls nicht auffällig gewesen. "Davon stehen bei uns Dutzende rum."

Dafür, dass sie auch von anderen Kollegen weitgehend unbeobachtet blieb, hatte die 28-Jährige mit einem simplen Trick gesorgt. Als Packerin der Geldbündel hätte sie eigentlich zusammen mit einer Kollegin an einem Doppelarbeitsplatz stehen sollen. Doch der lapidare Hinweis, dass ihr Computer dort nicht richtig funktioniere, sorgte dafür, dass sie an einem Reservearbeitsplatz landete – alleine und weitgehend unbeobachtet. 

Auf den Rollcontainer mit den abgezweigten acht Millionen Euro stapelte sie jede Menge Papier und Pappe. Zudem belud sie zur Tarnung noch einen weiteren Container komplett mit Pappe und schob dann beide Rollwagen zur Sicherheitsschleuse. Die allerdings kann niemand alleine passieren, dafür brauchte sie die Unterstützung ihres Kollegen. Der musste ihr per Knopfdruck von innen die zweite Tür der Schleuse öffnen, was er ohne jeden Argwohn  tat. "Ich mach' jetzt Feierabend, kannst du eben die Schleuse öffnen", habe sie ihm zugerufen, erzählt der Zeuge. Mehrfach habe er an diesem Tag mit ihr geredet, ihr aber nicht das Geringste angemerkt. Damals sei das alles ein ganz normaler Vorgang für ihn gewesen.

Der Prokurist von Loomis sieht das etwas anders. Es habe keinen Grund gegeben, an einem Freitagabend um 21 Uhr noch Altpapier rauszubringen. "Das hätte eigentlich auffallen müssen." Zumal es auch für die Müllentsorgung strenge Regeln gebe, betont er und schildert ausführlich die Sicherheitsvorkehrungen in seinem Betrieb. Was soll er auch anderes sagen? Er ist der zuständige Mann für die Sicherheit in seinem Betrieb.

All diese Details beleuchten zwar die Tat, haben aber nur indirekt mit der 24-jährigen Anklagten zu tun. Ihr wirft die Staatsanwaltschaft vor, der Haupttäterin geholfen zu haben. Sie soll während der Tat mit ihr telefoniert und sie in ihrem Tun bestärkt haben. Zudem habe sie im Vorfeld die Flucht der 28-Jährigen geplant und organisiert und bei der Zwischenlagerung der Beute sowie deren Transport in die Türkei geholfen. Schließlich soll sie die Verteilung eines Teiles der Beute an die Familie der Haupttäterin organisiert und selbst einen Anteil von 26.115 Euro erhalten haben.

An dieser Stelle hakt die Verteidigung ein. Bei der Durchsuchung der Wohnung der 24-Jährigen wurde eine große Bargeldsumme gefunden. Die  Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass es sich um einen Teil der Beute handele. Dabei stimme dafür weder die Stückelung der gefundenen Geldscheine noch deren Alter. Nach Angaben der Loomis-Mitarbeiter seien nur neue 50-, 100- und 200-Euro-Scheine gestohlen worden. Bei der Angeklagten seien jedoch auch gebrauchte 5-, 10-, 20-Euro-Scheine gefunden worden. Und darüber hinaus auch 500er-Scheine, die die Bundesbank schon seit 2019 nicht mehr verteilt. "Dieses Geld kann also nicht aus der Tat stammen."

Der Prozess wird am Freitag, 10. Dezember, um 9.30 Uhr fortgesetzt.

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