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Zehn Quadratmeter Bremen: Paketzusteller Volker Bahr ist mit dem Lieferwagen unterwegs Logistik zwischen den Regalen

Bremen. „Guten Morgen, die Post ist da!“ Wenn Volker Bahr mit einem Paket oder Päckchen vor der Tür steht, freuen sich die Menschen. Der Mann mit dem rot-gelben T-Shirt und dem Scanner am Gürtel hat es, wenn man es genau betrachtet, von all den Leuten, die beruflich an Türen klingeln müssen, ziemlich gut getroffen.
05.09.2016, 00:00 Uhr
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Von Kristina Bellach

Bremen. „Guten Morgen, die Post ist da!“ Wenn Volker Bahr mit einem Paket oder Päckchen vor der Tür steht, freuen sich die Menschen. Der Mann mit dem rot-gelben T-Shirt und dem Scanner am Gürtel hat es, wenn man es genau betrachtet, von all den Leuten, die beruflich an Türen klingeln müssen, ziemlich gut getroffen.

Bevor aber die heiß ersehnten Stücke ihre Empfänger erreichen, muss Bahr ein kleines logistisches Meisterwerk vollbringen. Es beginnt früh am Morgen bei der DHL-Zustellbasis in Hemelingen, wenn Bahr seine Tour vorbereitet. Jede Sendung registriert er im Scanner, sobald er sie ins Zustellfahrzeug lädt. Abermals scannt er sie, wenn er sie zustellt. Drei Regalreihen übereinander auf jeder Seite, durch Netze in Abteile getrennt, könnte er in den zehn Quadratmetern seines gelben Sprinters insgesamt beladen. Dazu den Platz unter den Regalen auf dem Fußboden und den Gang dazwischen.

Seine Route hat er, nachdem er sie von seinem Vorgänger vor neun Jahren übernahm, optimiert, und den Bezirk, der bei der Bürgermeister-Smidt-Straße gleich hinter der Hochstraße beginnt und beim Swiss Hotel endet, nach „Ecken“ eingeteilt. Sieben bis acht Ecken gibt es in Bahrs System für die über 30 Straßen in seinem Bezirk. „Ich fahre ja nicht einfach die Straßen rauf und runter, sondern nehme die Seitenstraßen gleich mit“, erklärt der Zusteller.

So geht es am Doventorsteinweg erst in den Doventorsdeich, die Vietorstraße und Steinhäuserstraße, bevor er die Hauptstraße weiter abfährt. Aus diesem Grund lagern die Pakete nicht stringent auf einer Regalebene, sondern gehen darüber hinaus. Eine Ausnahme bilden die schweren Pakete, die wegen ihres Gewichts auf dem Fußboden stehen. Eine praktische Krimskramskiste für Quittungen, Benachrichtigungen und Klebeband, die Bahr sich zusammengestellt hat, lagert dort auch; daneben die Liste mit den wenigen Orten, an denen er auf seiner Tour Sendungen abholt.

Die erste Abgabe dieses Tages findet erst in der Falkenstraße bei der Berufsgenossenschaft statt. Zwei Pakete schnappt sich Bahr aus den Regalen, schiebt die Tür des Transporters von innen auf und flitzt los. „Guten Morgen, die Post ist da“, ruft er der Sekretärin entgegen, die die Päckchen entgegennimmt. So geht es die Falkenstraße runter, immer an den ungeraden Nummern entlang. „Moin, Paketpost“, kündigt Bahr per Gegensprechanlage an. Sobald die Haustür sich öffnet, geht es im Schweinsgalopp die Treppen hoch, sofern kein Fahrstuhl vorhanden ist. Mal öffnet jemand noch verschlafen im Bademantel, mal jemand, der aussieht, als sei er auf dem Sprung ins Büro. Jedes Mal aber freuen die Menschen sich ehrlich über Bahr und die Sendungen, die sie nun in der Hand halten.

Doch was drin ist, dürfen die Zusteller nicht wissen. „Postgeheimnis“, mahnt Bahr. Obwohl einige Dinge, besonders größere Gegenstände, sich gar nicht verheimlichen lassen. Gartenliegen, Grills und Anbauschränke von Ikea verraten sich allein durch Form und Ausmaße. „Manchmal ist es unglaublich, was alles über die Post geht“, sagt der Zusteller. „Da werden im Sommer ganze Gartencenter ausgeliefert.“

Immer wieder kehrt Bahr zum Fahrzeug zurück, greift neue Pakete, die er sich an der Tür bereits bei der vorigen Station zurechtgelegt hat, und marschiert zu den nächsten Häusern. Dann flitzt er mit strammen Waden die Treppen hoch, manchmal bis in den fünften Stock. „Man muss fit sein“, sagt er und bestätigt die Annahme, die sich aufdrängt: „Pakete austragen sieht einfach aus, ist es aber nicht.“ Tatsächlich war der 46-Jährige früher Leistungssportler. So wirklich juckt ihn der Treppenmarathon daher nicht.

Gut strukturiert sei sein Bezirk mit genügend Parkmöglichkeiten an und auf der Straße. Ruhiger als die Innenstadt und das Steintorviertel, wo Kollegen regelmäßig zugeparkt werden, ist dieser Teil der Bahnhofsvorstadt allemal. „Und es sind nette Kunden auf dieser Tour“, berichtet Bahr. „Man lernt sich über die Zeit kennen. Ich drück ja nicht nur das Paket in die Hand, sondern man redet kurz.“ Die höfliche Frage, ob sie eine Sendung annehmen, der man keineswegs nachkommen muss, bejahen die meisten Nachbarn. „Die Leute hier sind sehr hilfsbereit, das ist längst nicht gang und gäbe.“ Und wenn ein Päckchen weder beim Empfänger, noch bei den Nachbarn zustellbar ist, geht Bahr besonders bei älteren Kunden einen Extraschritt: Er nimmt es wieder mit und versucht sein Glück am nächsten Tag noch mal. „Ich bin Zusteller“, sagt er, und als solcher versteht er sich auch.

Mit den ungeraden Nummern der Falkenstraße ist Bahr nach 25 Minuten und 15 Sendungen fertig. Insgesamt sind es 153 Stück heute, was für einen Wochentag im Spätsommer Durchschnitt ist. Um etwa halb drei am Nachmittag wird er mit dem Austragen fertig sein. So wie er fahren 48 andere Zusteller mit Sprintern durch 48 Regelbezirke in Bremen; in ganz Deutschland sind es 1,16 Milliarden Sendungen pro Jahr, die die DHL Delivery AG an rund 21,6 Millionen Adressen ausliefert.

Ab Oktober aber zieht die Bestellfreude der Leute deutlich an, zusätzliche Kräfte werden eingestellt. Weihnachten wird Bahr in einem um eine Straße verkleinerten Bezirk die doppelte Menge auszutragen haben. Die Aussicht auf den Weihnachtsstress trübt seine Laune jedoch nicht im Geringsten: „Es liegt ja an jedem selbst, wenn er nicht gut drauf ist.“

Das Sommerloch, das es früher gab, ist übrigens inzwischen vom Online-Handel gestopft. „Die Leute, die nicht in den Urlaub fahren, bestellen im Internet Sachen“, hat Bahr festgestellt. Noch vor zehn Jahren hätten Zusteller es im Sommer ruhig angehen lassen können. Die Zeiten seien vorbei.

„Manchmal ist es unglaublich, was alles über die Post geht. Paketzusteller Volker Bahr
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