Abgeschlagenheit, Probleme mit der Konzentration, Depressionen, Angststörungen oder auch Muskelschmerzen, Herzrasen und Atemprobleme – treten solche Beschwerden bei Kindern plötzlich auf, sind Eltern in großer Sorge. Gerade auch, wenn eine Corona-Infektion zurückliegt: Können dies Spät- oder Langzeitfolgen der Infektion sein? Ist das Long Covid?
"Eine Corona-Infektion ist nicht automatisch die Ursache langfristiger Beschwerden", betont Petra Kaiser-Labusch, Oberärztin am Eltern-Kind-Zentrum Prof. Hess (Elki) im Klinikum Mitte. Auch die Belastungen der Kinder und Jugendlichen in der Pandemie durch Kita- und Schulschließungen etwa und die damit verbundene soziale Isolation könnten zu erheblichen psychischen und psychosomatischen Symptomen führen – diese würden auch als Long Lockdown bezeichnet.
Anlaufstelle im Eltern-Kind-Zentrum
"Rein quantitativ ist Long Lockdown wahrscheinlicher. Dennoch gibt es Long Covid auch bei Kindern und Jugendlichen, mit zum Teil erheblichen Auswirkungen", sagt die Bremer Ärztin. "Wenn das Kind in den Monaten nach einer nachgewiesenen Infektion mit dem Coronavirus zum Beispiel auffallend müde, antriebs- oder kraftlos wirkt, sich nicht körperlich belasten mag oder sich überhaupt nicht mehr konzentrieren kann, dann sollte das unbedingt untersucht und abgegrenzt werden."
Dazu zählten etwa je nach Beschwerden ein Ultraschall der Lungen sowie Lungenfunktionstests, ein MRT von Kopf und Wirbelsäule, eine Schmerzanalyse und ein Langzeit-EKG sowie weitere psychologisch-psychiatrische Abklärung. Erste Anlaufstelle seien beim Verdacht auf Long Covid immer die niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte, zur weiteren Abklärung könnten diese an die Klinik überweisen. In der Tagesklinik des Eltern-Kind-Zentrums würden diese umfassenden Untersuchungen seit dem Frühjahr gebündelt angeboten.
Die Ärztin berichtet etwa von einer 17-jährigen Long-Covid-Patientin, die unter erheblichen Gedächtnisproblemen gelitten habe, und von einem Zwölfjährigen, der sich in der Schule plötzlich und rapide verschlechtert habe. "Ab mittags konnte der Junge aufgrund von Erschöpfung nur noch im Bett liegen. Solche Beeinträchtigungen sind dramatisch, weil sie neben den Folgen für die Gesundheit auch Auswirkungen auf die Zukunft der Mädchen und Jungen haben – auf Schule und Ausbildung", sagt Kaiser-Labusch. Die Anzahl von Long-Covid-Fällen, die an der Klinik diagnostiziert worden seien, bewege sich bislang im einstelligen Bereich.
Lücken bei der ambulanten Versorgung
Die Therapie richtet sich laut der Ärztin wie bei Erwachsenen nach den Symptomen und Beeinträchtigungen. Dazu gehörten unter anderem Atemübungen, Ergo- und Physiotherapie sowie psychotherapeutische Unterstützung. Handlungsempfehlungen für eine spezielle Long-Covid-Therapie gebe es noch nicht.
"Ist die Konzentration erheblich eingeschränkt, sind neuro-psychologische Trainings eine gute Option. In Bremen gibt es jedoch keine Praxen mit einer Kassenzulassung für Kinder", berichtet Kaiser-Labusch. "Wir können lediglich an eine Privatpraxis überweisen, allerdings muss zuvor die Kostenübernahme bei der gesetzlichen Kasse beantragt werden." Werde der Antrag abgelehnt, bleibe nur noch die Reha. "Mehr hat Bremen hier nicht zu bieten", kritisiert die Medizinerin. Sie hoffe sehr auf das Ärztinnen- und Ärztenetzwerk für Long Covid, das gerade in Bremen im Aufbau sei. Dieses richte sich zwar in erster Linie an erwachsene Patienten. "Aber wir hoffen, dass dennoch die Versorgung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigt wird – auch wenn Long Covid in diesen Altersgruppen seltener auftritt."
Studie an der MHH in Hannover
An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist im März eine Studie zu Long Covid gestartet, um die Datenlage, Diagnostik und vor allem die Behandlung von betroffenen Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Die Studie wird vom Land Niedersachsen gefördert. Ziel sei der Aufbau einer Ambulanz, außerdem soll ein sportmedizinisches Interventionsprogramm entwickelt werden, heißt es in einer Mitteilung. Etwa 60 Kinder und Jugendliche nehmen laut "NDR" aktuell an der Studie teil.