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Franz Schnelle kümmert sich seit 28 Jahren als Mühlenwart um den Galerieholländer in Aschwarden Mahlgeräusche sind Musik in seinen Ohren

Zu Pfingsten öffnet die Windmühle in Aschwarden ihre Pforten. Seit 28 Jahren kümmert sich Mühlenwart Franz Schnelle um den Galerieholländer. Wenn sich Flügel und Mahlstein drehen, ist der Mühlenfreund glücklich. [AUTOR]VON GABRIELA KELLER[/AUTOR][SPITZMARKE]
26.05.2012, 05:00 Uhr
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Von Gabriela Keller

Zu Pfingsten öffnet die Windmühle in Aschwarden ihre Pforten. Seit 28 Jahren kümmert sich Mühlenwart Franz Schnelle um den Galerieholländer. Wenn sich Flügel und Mahlstein drehen, ist der Mühlenfreund glücklich. [AUTOR]VON GABRIELA KELLER[/AUTOR][SPITZMARKE]

Aschwarden. Franz Schnelles erster Weg führt ihn 20 Meter hoch unter das Dach. 65 ausgetretene Holzstufen sind es bis zum Kappenboden. Hier löst er den Gurt, der das riesige rote Achsrad festhält und kontrolliert die Wellenlager. Sie müssen gut schmiert sein. Ölig-schwarz glänzt eine Mischung aus Bienenwachs und Rindertalk auf dem Metall. Schnelle ist zufrieden und macht sich auf den Weg nach unten. Zwei Stockwerke tiefer auf der Galerie zieht er an einer Kette. Hoch über ihm im Kopf der Windmühle löst sich das Bremsrad. Für den Galerieholländer in Aschwarden beginnt ein neuer Arbeitstag.

"Mal gucken, ob wir mahlen können." Noch sieht es nicht danach aus. Ein laues Lüftchen weht auf der Galerie. Schnelle braucht kein Messgerät, er hat es nach 28 Jahren als Mühlenwart in Aschwarden im Gefühl. "Windstärke zwei bis drei." Zu wenig, um die weißen Flügel in Schwung zu bringen. "Windstärke vier wäre gut." Am besten von Osten.

"Zum Mahlen ist das der beste Wind. "Der Ostwind ist schön gleichmäßig und nicht böig", weiß der Mühlenwart. Ganz anders als der unruhige Süd-West-Wind. Da muss Schnelle auf der Hut sein. "Ich muss aufpassen, dass der Mahlstein nicht zu schnell dreht. Er könnte sonst raus springen aus seiner Verankerung." Schnelle würde es sofort hören, wenn der Mahlstein zu überdreht wäre. Der Rüttelschuh, über den das Korn in das Auge des Mahlsteins fällt, würde hektisch klappern. Dann müsste die Mühle einen Gang runterschalten. Zwei Handvoll Getreide ins Steinauge gestreut und die Jalousieklappen der Flügel geöffnet-schon würden sich Flügel und Mahlstein langsamer drehen.

An diesem lauen Maitag muss der Mühlenwart nachhelfen, damit sich überhaupt was bewegt. Bei genügend Wind dreht die Windrose die Mühlenkappe mit den Flügeln automatisch in den Wind. Heute nicht. Wieder geht es hinauf zum Kappenboden, wo das technische Herz der Mühle schlägt. Schnelle klettert auf eine Leiter und balanciert über Balken zum Windrosen-Getriebe. Mit beiden Händen kurbelt er kräftig an einer roten Eisenstange. Zahnräder greifen ineinander. Handarbeit und Mechanik drehen den Kopf der Mühle in den Wind. Als kurze Zeit später auch der Wind auffrischt, drehen sich auch die Flügel. Erst langsam, dann schneller. Auf dem Kappenboden quietscht und klappert es.

Die Geräusche, wenn die Mühle in Bewegung ist, sind Musik in Schnelles Ohren. Die alte Technik lebendig zu halten und Besuchern vorzuführen, das fasziniert den Bremer. Dass er mit dem 1850 erbauten Galerieholländer einen Schatz vor sich hatte, wusste Schnelle gleich, als er 1984 die Mühle pachtete. Erst drei Jahre zuvor war der Mühlenbetrieb eingestellt worden "Viele alte Mühlen wurden in den 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts stillgelegt und die Einrichtungen verkauft. Hier aber war alles vorhanden. Das wollte ich wieder in Gang bringen."

Mit anderen Mühlenfreunden gründete Schnelle am 31. Mai 2000 einen Verein. Seitdem haben die Mühlenfreunde Aschwarden, die heute Pächter sind, viel Arbeitskraft und Geld in den Galerieholländer investiert. Bei der großen Restaurierung im Jahre 2004 wurde die Kappe mit dem Drehkranz von Grund auf saniert, die Stahlflügel mit den Jalousieklappen wurden erneuert. Seitdem drehen sie sich zum Mühlenfest am 1. Mai, zum Deutschen Mühlentag zu Pfingsten und an den Sonntagen von Mai bis Oktober.

Beim Kornschroten, wenn das Mehl nur so staubt, ist Franz Schnelle in seinem Element. Wer ihm zuhört, wie er auf dem Kappenboden die Mühlentechnik mit Achsrad, Königswelle und Stirnrad erklärt oder auf dem Steinboden von Rüttelschuh und Steinauge erzählt, der spürt: Der Mann liebt seine Mühle. Selbst den alten verstaubten und kaputten Askaniasichter, der auf dem Sackboden früher das grobe Mehl aussiebte, lässt er vor dem geistigen Auge des Besuchers zum Leben erwachen.

Mühlen faszinieren Schnelle, der sich unter anderem auch um die Mühle am Wall in Bremen kümmert, seit seiner Kindheit. In einem Dorf im Kreis Gifhorn wuchs er auf, seine Eltern betrieben Landwirtschaft. "Im Dorf gab es eine Motormühle, zu der wir unser Korn brachten." Später, als die Familie nach Westfalen wechselte, zog es Schnelle jede Woche in einer Windmühle bei Minden.

Mindestens ein Mal in der Woche, meist freitags, schaut er in Aschwarden nach dem Rechten. Zu tun gibt es immer etwas. Selbst auf der Galerie, wo Besucher den Blick über die Marsch schweifen lassen. Auf einem Feld pflügt ein Bauer mit seinem Traktor. In der Ferne ragen die Hafenanlagen von Brake in den Himmel. Schnelle hat dafür keinen Blick sondern nur Augen für den Galerieholländer. Prüfend inspiziert er die Flügel, als sie einen Moment stillstehen. Entdeckt eine gelockerte Schraube "Die muss ich nachziehen." Genießt er denn auch mal die Aussicht? "Kaum. Höchstens abends, da setze ich mich mal auf die Galerie."

Die Aschwardener Mühle ist an beiden Pfingsttagen von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

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