In diesen Wochen wird sie in vielen Gremien debattiert, die neue Marketing-Strategie für Bremen-Nord. Das Papier, das der Wirtschafts- und Strukturrat (WIR) kürzlich zusammen mit der Wirtschaftsförderung vorgelegt hat, soll dem Norden der Stadt ein positives Image bescheren. Das, so meinen die Wirtschaftsfachleute, klappt aber nur, wenn sich Bremen-Nord zur Stadt Bremen bekennt. Über den Abschied von der Marke Bremen-Nord sprach WIR-Geschäftsführer Bernhard Wies mit Patricia Brandt.
Herr Wies, können Sie in zwei Sätzen sagen, was genau die Marketing-Strategie Bremen-Nord bezwecken soll?Bernhard Wies:
Letztendlich geht es darum, diesen Stadtbezirk im Standort-Wettbewerb so gut wie möglich zu positionieren. Es sollen Märkte und Zielgruppen für diesen Standort besser erschlossen werden.
Was verstehen Sie darunter?
Nehmen wir das Beispiel Immobilien-und Wohnungsmarkt. Zielgruppen sind hier die Mieter oder Familien, die hier wohnen oder bauen wollen. Es ist wichtig, dass sich die Wahrnehmung verfestigt, dass es hier sowohl im Bestand als auch in der Planung schöne Wohngebiete gibt. Es gibt aber noch etliche weitere Märkte und Zielgruppen. Ich denke zum Beispiel an den Gewerbeflächenmarkt oder an den Bereich Tourismus, der längst noch nicht ausgeschöpft ist.
Sie empfehlen im Strategie-Papier, Bremen-Nord solle nicht als Bremen-Nord auftreten, sondern vielmehr in der Dachmarke Bremen aufgehen. Bremen-Nord wird von vielen Menschen, die hier leben, aber als dritte Stadt im Land Bremen empfunden. Ignorieren Sie nicht 70 Jahre Entwicklung?
Wir haben sehr genau untersucht, warum es nicht sinnvoll ist, eine eigene Marke Bremen-Nord zu bilden. Das hat mit verschiedenen Aspekten zu tun und entspricht auch einer Empfehlung des Lehrstuhls für innovatives Markenmanagement der Uni Bremen.
Nennen Sie bitte ein Beispiel.
Bei einer Marke ist es wichtig, dass die Identität stimmt. Hier leben 100000 Einwohner und die meisten bewerten diese Region schlechter als Bremen. Je älter die Personen sind, desto kritischer sehen sie Bremen-Nord. Ein weiteres Beispiel: Es ist bisher auch nie anderswo in Deutschland gelungen, aus einer Stadt eine einzelne Region herauszunehmen und sie neben der Stadt als Marke zu positionieren. Kaum jemand von außerhalb kennt Bremen-Nord, Bremen aber kennen viele.
Widerspricht es sich nicht, eine Marketing-Strategie Bremen-Nord zu schreiben, wenn der Bezirk im gleichen Atemzug verneint wird?
Niemand hat die Idee, dass wir künftig nicht mehr über Bremen-Nord sprechen. Die Frage ist: Wie kann ich dafür sorgen, dass sich das Image des gesamten Bezirks mit seinen Stadt- und Ortsteilen verbessert.
Meinen Sie ernsthaft, dass man den Nordbremern die emotionale Nähe zum Bremer Rathaus per Strategie-Papier verordnen kann?
Bremen-Nord wäre schlecht beraten, wenn es seine eigene Identität aufgibt, nur um in der Dachmarke Bremen aufzugehen. Trotzdem sollte Bremen-Nord die Vorteile nutzen und von der Dachmarke profitieren – unter Berücksichtigung seiner spezifischen Merkmale. Und es gibt viele positive Image-Merkmale in dieser Region. Das wollen wir mit der weiteren Arbeit verdeutlichen.
Sie schlagen vor, das Mittelzentrum Vegesack bei der künftigen Vermarktung in den Vordergrund zu stellen. Schüren Sie damit Konkurrenzgedanken?
In der Marketing-Strategie steht der ganze Bremer Norden im Vordergrund. Entsprechend wurde das Papier grundsätzlich positiv aufgenommen. Aber es gab auch Hinweise aus Blumenthal, sie würden zu stark hinter Vegesack zurückgestellt. Es wird bei der Umsetzung der Strategie auch kritische Diskussionen geben, dazu sind die Interessen der einzelnen Ortsteile zu ausgeprägt.
Mit Wegschauen ist dem Stadtteil Blumenthal, in dem es aktuell eine Vielzahl von Problemen zu lösen gibt, auch nicht unbedingt geholfen...
Ich möchte betonen, dass es uns nicht darum geht, Dinge, die hier nicht positiv sind, wegzuwischen. Deshalb gehören zur Strategie auch Verbesserungshinweise wie der Hinweis auf die sozialen Brennpunkte und auf die Notwendigkeit zur Eindämmung der Kriminalität.
Warum also liegt die Betonung auf Vegesack?
Es geht nicht um eine besondere Betonung. Es geht darum, dass es in Vegesack das Vegesack Marketing gibt, das ganz konkret für den Einzelhandel und den Tourismus des Ortsteils zuständig ist. Dafür werden nicht unerhebliche Mittel bereitgestellt, das hat natürlich Strahlkraft. Es ist sinnvoll, wenn diese Strahlkraft für die gesamte Region genutzt wird. Nehmen wir das Beispiel mobile Eislaufbahn. Die ist in ganz Bremen beworben worden. Wir werden bei der Realisierung der Marketing-Strategie aber auf viele Akteure aus der Region zugehen, zum Beispiel die Interessengemeinschaften Igel in Burglesum oder Blumenthal aktiv. Es wird immer Themen geben, die wir gemeinsam nach vorne bringen können. Auf diese Gemeinsamkeit setzen wir.
Das neue Vegesack-Logo hat 10000 Euro gekostet. Wie viel muss der Steuerzahler für die Marketing-Strategie ausgeben?
Die Marketing-Strategie hat einen Workshop und intensive Arbeit der Beteiligten gekostet. Der Wirtschafts- und Strukturrat hatte 2010 bereits eine Konzept-Skizze erstellt, die wir dem Wirtschaftsressort zugeleitet haben. Nach Gesprächen dort haben wir das Signal bekommen, das Papier gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung weiterzuentwickeln. Der WIR ist Koordinator in Bremen-Nord, wir benötigen aber die Unterstützung aus dem Wirtschaftsressort und der Wirtschaftsförderung.
Wenn Sie Ihre Strategie jetzt überall vorstellen, dann hoffen Sie...
Dann hoffe ich, dass künftig mehr die vielen inhaltlichen Aussagen und Anregungen aus der Marketing-Strategie Beachtung finden. Die Themen "Marke Bremen-Nord" oder "Vegesack" überdecken meines Erachtens unnötig die vielen anderen Aspekte des Papiers und die angestrebte Image-Wirkung für die gesamte Region. Ich denke, wir sollten uns hier im Bremer Norden die Gelegenheit für ein besseres Standortmarketing – in Verbindung mit dem Rathaus-Arbeitskreis – nicht entgehen lassen.
„Marke Bremen-Nord ist nicht sinnvoll“
Wirtschaftsrat-Geschäftsführer Bernhard Wies über die Chancen der neuen Marketing-Strategie
Zur Person: Bernhard Wies ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Wirtschafts- und Strukturrats Bremen-Nord und hat ehrenamtlich an der Marketing-Strategie mitgearbeitet. Wies ist gelernter Industriekaufmann, hat Betriebswirtschaft studiert und unter anderem Marketing für Eduscho und die SWB AG gemacht. Zurzeit befindet sich der 62-Jährige in Altersteilzeit. Er lebt in St. Magnus und hat zwei erwachsene Töchter.