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Gundmar Köster in Schwanewede Meister des Kurzwitzes

Der Hai hat eine literarisch-poetische Ader. Den Beweis lieferte Gundmar Köster in Schwanewede. Als "Shark" rezitierte er am "Leseabend auch für Biertrinker" unter anderem Ergüsse von Heinz Erhardt.
15.12.2015, 00:00 Uhr
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Von Ulf Buschmann

Der Hai hat eine literarisch-poetische Ader. Den Beweis lieferte Gundmar Köster in Schwanewede. Als "Shark" rezitierte er am "Leseabend auch für Biertrinker" unter anderem Ergüsse von Heinz Erhardt.

Wenn er in seinem Sessel sitzt, wirkt er wie die gelungene Kombination aus dem Märchenonkel aus der Nachbarschaft und Heinz Erhardt. Die Art von Witz ist die gleiche, nur eines unterscheidet die beiden Personen: Heinz Erhardt ist erwiesenermaßen nie in Schwanewede gewesen. Sein lokales Pendant dagegen ist dort so etwas wie ein Urgestein und nennt sich „Shark“. Auf Deutsch: Hai. Unter seinem bürgerlichen Namen ist er als Gundmar Köster beziehungsweise als einer der Organisatoren des Musikfestivals „Rock den Deich“ und als Kunstradfunktionär in Neuenkirchen bekannt. Oder auch als Erbauer von Vogelhäusern.

Dass Gundmar Köster auch so etwas wie eine literarisch-poetische Ader hat, dürfte den meisten Menschen bislang entgangen sein. Den besten Beweis dafür hat er unter seinem Spitz- und Künstlernamen am Sonntagabend im Schwaneweder Bistro „Journal“ geliefert. „Ein Leseabend auch für Biertrinker“ heißt sein kleiner und weihnachtlich geprägter Ausflug in die Welt der Reime und Geschichten. Doch von Pfefferkuchen-Glückseligkeit á la Weihnachtsgeschichte und -lied ist „Shark“ weit entfernt.

„Shark“ hat sich – um im Bild zu bleiben – lieber das herausgesucht, was bissig und teilweise feinsinnig ist. Neben den Ergüssen von Heinz Erhardt sind es Gedichte von Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern sowie anderen Autoren und aus seiner eigenen Feder. Die Mischung verspricht einiges, kommen die Besucher doch, wenn „Shark“ ruft. Und das so zahlreich, dass die Lesung per Video in die Gaststätte übertragen werden muss. Ähnliches gab es in der Region zuletzt beim Kirchentag 2009 in Bremen.

„Shark“ ist ein Meister des Kurzwitzes, den er gleich zum Besten gibt. „Treffen sich zwei Rosinen, eine trägt einen Helm. ,Warum trägst du einen Helm?‘, fragt die andere Rosine. Die Antwort: ,Ich muss gleich in den Stollen.‘ Solche Anekdoten bekommen gemeine Menschen in der Regel erst im Laufe des Tages zu hören. Zuvor heißt es für sie, sich aus dem kuschelig warmen Bett unter die Dusche zu begeben. Dort wird es fies, denn der widerspenstige Duschvorhang klebt ausgerechnet auf Bauchhöhe am Menschen.

Dieses Ungetüm zwischen Hüfte und Hals bewegt auch Joachim Ringelnatz. Der große Dichter des Alltäglichen hat die Bewegung seines Bauches in den Reimen von „Mein Wannenbad“ festgehalten, in dem der Bauch als Wal daherkommt. Wenn „Shark“ die Reime vorliest, kann die eine oder andere Zuhörerin nicht anders – sie muss den kleinen Wal ihres Göttergatten streicheln. Bevor es ans Tagwerk geht, nimmt sich „Shark“ des Autofahrers Weisheit vor: „Fährst du rückwärts gegen den Baum, verringert sich der Kofferraum.“

Nach einer kleinen Betrachtung der „Generation Kopf unten“, die ständig auf ihr Smartphone oder ihren Tablet-Computer schaut, bricht die Weihnachtszeit an. Natürlich mit Loriots berühmtem Gedicht namens Advent: „Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken, Schneeflöcklein leis’ herniedersinken. Auf Edeltännleins grünem Wipfel häuft sich ein kleiner weißer Zipfel. Und dort vom Fenster her durchbricht den dunklen Tann ein warmes Licht. Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer die Försterin im Herrenzimmer. In dieser wunderschönen Nacht hat sie den Förster umgebracht.“

„Shark“ bringt die Leute mit kleinen und großen Happen aus dem reichen Fundus von Prosa und Lyrik zum Lachen oder wenigstens zum Schmunzeln. Vor allem die Anarcho-Geschichte vom Studenten, der sich als Weihnachtsmann verdingt, hier und dort einen Klaren bekommt und schließlich völlig betrunken ist, hat es den Zuhörern angetan. Ist doch an dieser Anekdote viel Wahres dran. Und dann ist da noch die Frage, inwieweit der Mann in Rot nicht doch unter das Gendern fällt: Heißt es automatisch Weihnachtsmann oder darf es auch eine Weihnachtsfrau sein? Viel Erfolg scheinen diese Bemühungen zu haben. Am Ende bringt es „Shark“ mit einem eigenen Werk auf den Punkt: „Das ist mir egal, ich geh‘ heut‘ ins Journal“.

Dort, am Ort des Gelesenen, fühlen sich die Leute wohl. Und wenn es zum Schluss noch Wilhelm Buschs Gedicht „Die Selbstkritik hat viel für sich“ zu hören gibt, steigt der Kuschelfaktor eines gelungenen Abends: „Die Selbstkritik hat viel für sich. Gesetzt den Fall, ich tadle mich. So hab‘ ich erstens den Gewinn, dass ich so hübsch bescheiden bin.“

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