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Bremer Drogenkonsumraum kommt verspätet Lage für Süchtige besonders prekär

Niedrigschwellige Substitutionsangebote werden in der Corona-Krise von drogenabhängigen Menschen vermehrt nachgefragt. Die Eröffnung des mobilen Druckraumes wird sich auf Mitte Juni verschieben.
07.05.2020, 07:09 Uhr
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Lage für Süchtige besonders prekär
Von Sigrid Schuer

„Viele von unseren Klientinnen und Klienten haben große Angst, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren“, berichtet Carola Barth, die die Drogenberatungsstelle „Comeback“ gemeinsam Wolfgang Adlholz leitet. Ist der Alltag für Menschen, die in relativ abgesicherten Verhältnissen leben, in der Corona-Krise schon schwierig genug, ist die Situation für drogenabhängige Menschen ungleich schwerer. Sie zählten mit ihren oft vorhandenen Vorerkrankungen zur Risikogruppe, so Barth. In den Notunterkünften in Hemelingen und Oberneuland wären viele von ihnen in Drei- und Vier-Bett-Zimmern untergebracht sein, in denen die geltenden Abstandsregeln nur schwer einzuhalten seien, so die ausgebildete Krankenschwester und Sozialarbeiterin weiter, die seit 1989 in der niedrigschwelligen Drogenberatung tätig ist.

Diejenigen, die allein lebten, hätten in der Zeit des Shutdowns die Straßen gemieden, die ohnehin wie leer gefegt waren. Die Folge: Die ohnehin schon geringen Einnahmequellen wie der Verkauf der Zeitung der Straße oder das Schnorren von Geld seien weggebrochen. Noch prekärer als sonst ist auch die Situation von Obdachlosen, da viele Treffpunkte geschlossen haben oder es nicht so einfach ist, Hilfsmaßnahmen in gewohntem Maße aufrecht zu erhalten (wir berichteten). Zu beobachten sei, dass das Interesse an niedrigschwelligen Substitutionsangeboten bei drogenkranken Menschen momentan relativ stark ansteige, sagt Carola Barth. Zumal die Substitutionsplätze in den Arztpraxen der Region ausgelastet seien.

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„Allein an einem Tag hatten wir 50 Menschen, die danach gefragt haben, aber nicht substituiert werden konnten“, sagt die Sozialarbeiterin. Das Beispiel Hamburg zeige, dass solch ein Angebot sehr gut angenommen werde. „Ich bin mit den Kollegen vor Ort in Kontakt und sehe, wie schnell sich Biografien, gerade auch von Frauen, im Rahmen eines solchen Programms zum Besseren wenden können“. Bremens Nachbarstadt hat schon seit längerem einen Drogenkonsumraum, wie andere Großstädte auch. Momentan hat die ambulante Drogenhilfeorganisation „Comeback“ im Tivoli-Hochhaus für Einzelberatungen und medizinische Ambulanz geöffnet, das Café ist aber geschlossen. Die tägliche Klientenzahl habe sich in der Corona-Krise auf 60 bis 80 halbiert, so Barth.

Eine Ausstiegsberatung solle auch auf dem Areal des mobilen Drogenkonsumraumes erfolgen, sagt sie. Der sollte eigentlich im April in der Friedrich-Rauers-Straße, auf dem Parkplatz des Jakobus-Hauses eröffnet werden. Das Konzept war in einer der letzten Sitzungen des Beirates Mitte vor dem Shutdown vorgestellt worden. Diese Eröffnung werde sich nun um etwa sechs Wochen auf Mitte Juni nach hinten verschieben, sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher von Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard. Die Planungen und Abstimmungsprozesse unter den Ressorts und mit dem überlasteten Gesundheitsamt hätten sich auch durch die Corona-Krise verzögert, erläutert er.

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Es habe einfach wegen des aktuellen Krisenmanagements Personal umgeschichtet werden müssen. Inzwischen hat laut Carola Barth eine Firma den Zuschlag erhalten, nun werde noch auf die Kostenvoranschläge für die Container gewartet. „Das ging dann im Vergleich mit anderen Städten doch ziemlich schnell“, zeigt sie sich zufrieden. Geplant ist die Aufstellung von sechs Containern auf dem umzäunten Parkplatz, davon zwei als behindertengerechte Drogenkonsumräume und zwei für den sanitären Bereich. Einer soll als Sozialraum für die Sozialarbeiter, ein weiterer als Beratungsraum dienen. Es wird damit gerechnet, dass der mobile Drogenkonsumraum von 400 bis 600 suchtkranken Menschen genutzt wird. Solche Rückzugsmöglichkeiten seien gerade jetzt, in der Corona-Krise besonders wichtig, betont Barth.

Essenziell wird sein, dass die hygienischen Vorschriften zur Bekämpfung der Corona-Pandemie dort wie überall, genau entwickelt und eingehalten werden, betont Lukas Fuhrmann. „Wahrscheinlich werden wir, anders als geplant, nicht sechs Plätze pro Container für den Drogenkonsum zur Verfügung haben“, räumt Wolfgang Adlholz ein. Die Hygiene-Auflagen seien auch in Vor-Corona-Zeiten in Drogenkonsumräumen schon sehr hoch gewesen, sagt er. Eine Abtrennung der einzelnen Konsum-Plätze durch Plexiglas-Wände sei außerdem möglich. Zudem läuft ihm zu Folge gerade eine Machbarkeitsstudie für die alte Lagerhalle neben dem Versorgungsamt, die das mobile Provisorium als feste Anlaufstelle ersetzen soll.

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