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Mobilität In Bremen sind immer mehr Autos unterwegs

Ein Ziel des Senats in Bremen ist, die Innenstadt autoarm zu machen, wenn nicht gar autofrei. Tatsächlich sind auf den Straßen in der gesamten Stadt immer mehr Fahrzeuge unterwegs.
30.12.2021, 21:34 Uhr
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In Bremen sind immer mehr Autos unterwegs
Von Jürgen Hinrichs

Entgegen den Zielen des Senats ist die Zahl der Autos auf Bremens Straßen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Ende Dezember 2021 wurden in der Stadt 246.042 Pkw gezählt, knapp 10.000 mehr als fünf Jahre zuvor. Das geht aus Daten der Innenbehörde hervor. Auf 1000 Einwohner kommen damit 434 Autos. In Städten vergleichbarer Größe ist das Verhältnis nach Darstellung der Behörde ähnlich. Bremen will sich damit nicht zufriedengeben. Nach dem Willen der Bürgerschaftsmehrheit sollen es bis zum Jahr 2030 noch 300 Fahrzeuge pro 1000 Einwohner sein, bis 2038 die Hälfte.

Niedergelegt sind diese Vorgaben im Abschlussbericht der vom Parlament beauftragten Enquetekommission zum Klimaschutz. Grüne, Linke, CDU und FDP votieren darin für eine deutliche Reduzierung des Autoverkehrs, um den CO2-Ausstoß zu vermindern. Einzig die SPD ist anderer Meinung. Auch sie will weniger Fahrzeuge auf den Straßen, hält aber nichts von den festgelegten Etappen: "Das entbehrt aus unserer Sicht jeglichem Realismus und jeglicher Plausibilität", gab die Bürgerschaftsfraktion zu Protokoll. Einschränkungen der Mobilität seien keine tragfähige Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels.

In Deutschland kamen zuletzt 569 Autos auf 1000 Einwohner

Nach weniger Autoverkehr sieht es derzeit allerdings nicht aus, im Gegenteil: Die Pkw-Dichte ist in Deutschland zwischen 2009 und 2019 um zwölf Prozent gestiegen. Das geht aus einer Bilanz des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden hervor. Demnach kamen zuletzt 569 Autos auf 1000 Einwohner. Zehn Jahre zuvor waren es 509. Die größte Auto-Dichte weist das Saarland auf (640), gefolgt von Rheinland-Pfalz (619) und Bayern (613). Niedersachsen (596) liegt nicht weit entfernt. In Berlin (335) gibt es mit Abstand die wenigsten Pkw. "Trotz öffentlicher Debatten um Klimaschutz und Verkehrswende dominiert das Auto die deutsche Verkehrsinfrastruktur", stellen die Statistiker fest.

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Woher kommen die Autos, wenn es gleichzeitig weniger Neuzulassungen gibt? Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes waren es im November 2021 rund 198.000 Pkw, die in Deutschland neu auf die Straße gebracht wurden. Das ist gegenüber dem Vorjahresmonat ein Minus von fast einem Drittel. So drastisch ist der Rückgang in Bremen nicht, es gibt ihn aber: Vergangenes Jahr wurden laut Innenbehörde knapp 19.000 Autos neu zugelassen, in diesem Jahr waren es bis Ende November ungefähr 15.600.

Dass weniger Wagen ausgeliefert werden, liegt an den Produktionsproblemen der Industrie. Es herrscht ein Mangel an Halbleitern, den Chips für die Elektronik. Vor dieser Krise lief das Autogeschäft noch wie geschmiert. In dieser Zeit stand jedes Jahr ein dickes Plus vor den Neuzulassungen.

Immer mehr private mit Zweit- oder Drittwagen 

Eine weitere Erklärung, warum trotz der Delle mehr denn je Fahrzeuge unterwegs sind, liefern die Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes: Kamen vor zehn Jahren noch 102 Autos auf 100 Haushalte, sind es jetzt 108. Es gibt in den privaten Haushalten offenbar einen Trend zum Zweit- oder Drittwagen. Und, auch das zeigt die Statistik: Die Besitzer halten länger an ihrem Gefährt fest, ein Trend, der schon geraume Zeit beobachtet wird. Mittlerweile hat ein Auto durchschnittlich fast zehn Jahre auf dem Buckel, bevor es abgestoßen wird. Knapp eine Million Pkw sind älter als 30 Jahre, auch davon gibt es stetig mehr, erklärt die Behörde. Zu dieser Aussage passt der Anstieg bei den Oldtimer-Zulassungen.

Der politische Streit in Bremen, wie mit dem Autoverkehr umgegangen werden soll, hat vor allem mit der hohen Zahl von Berufspendlern zu tun. Nach Zahlen der  Bundesagentur für Arbeit sind es mehr als 118.000 Menschen, die in der  Hansestadt beschäftigt sind, dort aber nicht wohnen. Die meisten kommen aus den Landkreisen Osterholz, Diepholz, Verden und der Stadt Delmenhorst. Umgekehrt arbeiten rund 50.000 Bremerinnen und Bremer im Umland. Eine Flut von Fahrten jeden Tag, gut zwei Drittel davon werden mit dem Auto erledigt, wie Statistiken belegen. Das ist unter anderem deshalb so, weil Busse und Bahnen nicht überall hin eine gute und angemessen schnelle Verbindung garantieren.

"Die hohen Quoten der Pkw-Nutzung deuten darauf hin, dass der Umweltverbund mit dem Auto nicht mithalten kann", schreibt die SPD in ihrem Sondervotum zur Enquetekommission Klimaschutz. Das gelte vor allem, wenn das Ziel in den östlichen und südlichen Stadtbezirken liege, wo insbesondere das verarbeitende Gewerbe mit seinen hohen Pendlerquoten angesiedelt sei.  Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Ergebnisse einer Studie der Initiative "Agora Verkehrswende", in der mit Stand von Mai 2020 Fakten zur Mobilität in 35 deutschen Städten zusammengestellt wurden. Zum ÖPNV in Bremen heißt es dort: "Der Verkehrsanteil von Bussen und Bahnen ist niedrig und die Beliebtheit des öffentlichen Nahverkehrs vergleichsweise gering." Die Experten machen das unter anderem daran fest, dass die Fahrgäste in der Hansestadt meistens Einzelfahrscheine lösen und unterdurchschnittlich selten Zeitkarten.

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