Den Ärger der Geschäftsleute über den Rauschgifthandel in der Bahnhofstraße kann Rainer Zottmann durchaus nachvollziehen. „Ja, die Situation dort ist unbefriedigend.“ Nicht aber den Vorwurf, die Polizei unternehme nichts gegen die Drogendealer.
„Allein im ersten Halbjahr 2016 haben wir am Bahnhof 20000 Stunden zusätzlich aufgewendet.“ Doch das Ganze sei eine Sysiphosarbeit. „Wir sind dran, aber es wird eine Weile dauern, bis wir da Grund rein bekommen.“ Einen ersten Erfolg kann Zottmann dennoch schon vermelden. Und den ausgerechnet auf dem juristischen Feld.
In den vergangenen Wochen ist die Polizei im Bereich des Bahnhofs verstärkt Streife gelaufen, erklärt Zottmann. In Uniform, für jedermann erkennbar, teils sogar mit gelber Warnweste. Dabei gehe es zum einen darum, Präsenz zu zeigen und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken. Zum anderen aber natürlich darum, die Drogengeschäfte zu stören. Das Ganze habe etwas von Katz-und-Maus-Spiel und führe im ersten Schritt nur dazu, die Dealer zu verdrängen, räumt Zottmann ein. „Aber wir machen das, um die Situation zu beruhigen.“ Zudem habe auch das Verdrängen positive Nebeneffekte. „Sie müssen sich auf neue Räume einstellen, können sich nicht mehr so sicher fühlen, machen Fehler...“
Wichtig sei es in diesem Zusammenhang, die Rückzugsräume der Dealer auszutrocknen. „Das ist unser erklärtes Ziel“, sagt Zottmann, der sich mehr Unterstützung von einigen der Geschäftsleuten erhofft. Die könnten aus seiner Sicht mehr von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und Hausverbote aussprechen. „Wir wollen uns aber nochmal mit den Betroffenen zusammensetzen, um zu besprechen, wie man das besser organisieren kann.“
Ebenso wenig habe die Polizei die Hoffnung aufgegeben, die Strukturen hinter dem Straßenhandel aufzudecken, betont der Polizeichef. Dafür seien auch zivile Ermittler im Einsatz, aber die würden von der Bevölkerung natürlich nicht wahrgenommen.
Laut Zottmann geht es im Bahnhofsbereich um etwa 40 Dealer, die arbeitsteilig vorgehen: Einer lässt sich von Kunden ansprechen, einer holt das Rauschgift aus Bunkern, einer wickelt das Geschäft ab. Eine Vorgehensweise, die es erschwere, einen direkten Tatverdacht zu begründen. Hinzu käme, dass es sich stets um kleine Beutel handele – einfach zu verstecken, einfach zu übergeben. In der Bahnhofstraße werde überwiegend mit Marihuana gehandelt. „Auf Nachfrage gibt es dort aber auch härtere Drogen.“
Verhinderungsgewahrsam
Wenn der Verdächtige als Dealer überführt werden kann, wird für diesen Tag ein Platzverweis ausgesprochen, erklärt Zottmann das weitere Verfahren. Wird er erneut erwischt, kann er für den Tag eingesperrt werden. Wohlbemerkt, nicht als Strafe, sondern um weitere Straftaten zu verhindern. Mit der juristischen Aufarbeitung des Falles haben diese ordnungsrechtlichen Maßnahmen noch nichts zu tun. In der Regel sei es so, dass Anzeigen gegen diese Art der Drogenhändler oder auch -konsumenten, die ersten Male eingestellt würden. Bei aller Aufregung bleibe das Ganze schließlich ein einfacher kleiner Betäubungsmittelhandel, betont Zottmann, nennt in diesem Zusammenhang aber einen Ansatzpunkt für künftige Bemühungen: Um einem Dealer gewerbsmäßigen Handel nachweisen zu können, spielen Menge und Wirkstoffgehalt der Drogen eine Rolle. Um Letzteren bestimmen zu können, müsse der Stoff im Labor untersucht werden. „Aber für die Untersuchung von Kleinmengen haben wir eine lange Wartezeit.“ So vergehe oft zu viel Zeit bis zur Strafanzeige. „Das muss schneller gehen. Zumindest bei bestimmten Personen. Wir müssen die Mehrfachtäter stärker unter Druck setzten.“

Rainer Zottmann.
Positiv wertet Zottmann, dass Platzverweise in Bremen jetzt auch für 14 Tage ausgesprochen werden könnten. Und dass letzte Woche erstmals ein Täter, den man trotz dieses Verweises erneut erwischte, mit richterlicher Bestätigung den gesamten Tag nach seiner Festnahme in Verhinderungsgewahrsam genommen werden konnte. „Wir haben ihn dann um Mitternacht laufen lassen – nach Ende seiner Geschäftszeit.“ Genau dies werde die nächsten zwei Wochen wieder passieren, wenn man ihn erneut im Bereich des Bahnhofes aufgreift.
Für Rainer Zottmann könnte dieses Vorgehen zukunftsweisend sein. In Berlin und Hamburg gebe es derzeit vielversprechende Arbeitsmodelle der Polizei in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft. „Ich bin überzeugt, dass wir damit auch in Bremen erfolgreicher werden können.“