Seit mehr als 30 Jahren verkauft Inhaber Thomas Brand hochwertige Schuhe in seinem Ladengeschäft mitten im Bremer Viertel, zumeist in bester Marken-Qualität aus Leder sowie modisch ausgefallene Serien. Schuhe sind seine Leidenschaft, er sucht sie persönlich direkt vor Ort in den Schuhfabriken von Süditalien oder auf Fachmessen in Mailand aus.
Aber nun ist Schluss, es lohnt sich nicht mehr, in den letzten Jahren kamen immer weniger Kunden. Seit Anfang September hängen knallige Riesenplakate mit den Schriftzügen „Total-Räumungsverkauf“ und „Alles muss raus“ in den Schaufenstern. „Es gibt einen massiven Wandel im Einkaufsverhalten der Kunden“, hat Thomas Brand festgestellt. „Die Leute informieren sich im Internet und in sozialen Medien und haben ganz genaue Vorstellungen, welche Schuhe sie kaufen wollen“, sagt der 54-Jährige und bedauert, dass sich die Menschen kaum noch durch Auswahl in einem Ladengeschäft inspirieren lassen. Was Bekleidung und Mode angehe, sei das ein Trend, den man einfach akzeptieren müsse.
Schuhgeschäft über vier Generationen
Für inhabergeführten Einzelhandel sieht Thomas Brand deshalb aber im Viertel nur noch wenig Chancen. Zum Jahresende wird er das traditionsreiche Familienunternehmen nach 117 Jahren und vier Generationen schließen. Er erzählt von „glänzenden Zeiten“, die seine Eltern in den 1950er- und 1960er-Jahren in der Straße Vor dem Steintor erlebt hätten, mit bis zu 20 Mitarbeitern. Auf alten Fotos ist zu sehen, wie der Eingangsbereich früher als Passage mit aufwendig dekorierten Schaufenster-Vitrinen gestaltet war. Ältere Viertelbewohner werden sich daran erinnern, dass eine solche Passage bis Ende der 1990er-Jahre auch gleich nebenan im ehemaligen Porzellanwaren-Geschäft Luperti bestand.
Die Häuserfassaden und der gesamte Straßenzug hatten sich schon erheblich verändert, als Thomas Brand 1990 das Schuhgeschäft von seinen Eltern übernahm. Er verfolgte danach immer wieder neue kreative Ideen und setzte diese in modernisierter Ladengestaltung um. Zuletzt gab er die Herrenschuh-Abteilung auf und baute eine Espresso-Kaffee-Bar ein.
Das alles reichte letztlich aber nicht aus, um die Kunden zu aktivieren. Wenn demnächst alle Schuhe aus dem Warenlager verkauft sind, möchte Thomas Brand erst einmal eine Auszeit nehmen und vielleicht mit einer ganz anderen Geschäftsidee neu anfangen. Einen Nachmieter für die 160 Quadratmeter Verkaufsräume gibt es noch nicht.
Schwierige Struktur im Viertel
Brand sieht allerdings eine grundsätzliche Problematik für den Einzelhandel im gesamten Bremer Viertel. „Die Kundenfrequenz für einen Mode-Einkaufsbummel ist hier stark rückläufig“, hat er beobachtet. Das habe nicht nur mit zunehmendem Home-Shopping zu tun. Die Geschäfte im Steintor-Bereich seien mehr auf die Nahversorgung im Quartier ausgerichtet.
Überdies sei die Struktur aus Wohnen, Handel, Gewerbe, Kultur, Szene-Gastronomie und unzähligen Kiosken schwierig und in ständiger Veränderung. „Es gab auch immer zu wenig Unterstützung seitens der Bremer Wirtschaftsbehörde, um für Attraktionen zu sorgen,“ meint er. Das Dauerthema „Zum Shoppen in die City und ins Viertel“ sei nie richtig gelöst worden.
Gelder für Marketingmaßnahmen seien hauptsächlich in die Innenstadt investiert worden. Obwohl dort zahlreiche große Filialisten mit starker Finanzkraft eigentlich selbst für Werbung sorgen könnten. „Wir haben hier im Viertel einen guten Shopping-Standort, eigentlich das beste Nebenzentrum der Innenstadt. Da fühlt man sich stiefmütterlich behandelt“, befindet Thomas Brand.
Auch die Interessengemeinschaft IGV „Das Viertel“ e. V. habe in den letzten Jahrzehnten zwar viel ausprobiert, aber nach seiner Meinung doch stets mehr zugunsten des Ostertor-Bereichs. Zum Beispiel endete die Festmeile des bis 2012 regelmäßig im Sommer durchgeführten Viertelfestes stets an der Sielwall-Kreuzung.
Umfeldverbesserungen kosten Geld
Ebenso sei das sogenannte Bid-Projekt für das Ostertor/Steintor schließlich gescheitert Das Kürzel steht für „Business Improvement Districts“ – auf Deutsch: Verbesserte Geschäfts-Quartiere. Das Projekt gibt seit 2007 einzelnen Bremer Stadtquartieren die Möglichkeit, ihre Aufenthaltsqualität zu erhöhen und ihr Image zu verbessern. Bid bedeutet aber nur einen Rahmen für Eigeninitiative und Selbstorganisation, angesiedelt bei der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). Initiativen wie Beleuchtung, Begrünung, freies Parken, Sauberkeit, Sicherheit, Events oder Sonderaktionen sind Themen, die so diskutiert und umgesetzt werden sollen. Die Kosten werden dabei jeweils auf alle Anlieger umverteilt. „Aber das ist für uns als Inhaber eine hohe finanzielle Belastung“, meint Thomas Brand dazu.
Nachdem die erste Projektphase im Bremer Viertel 2014 ausgelaufen war, prüften die Akteure eine zweite Phase. Beteiligte Eigentümer und Gewerbetreibende trafen sich in einer Initiativgruppe, um Maßnahmen und Finanzierungskonzepte für weitere Verbesserungen zu entwickeln. Es sollte eine Aufteilung in „Ostertorsteinweg“ und „Vor dem Steintor“ vorgenommen werden, aber das wurde kontrovers diskutiert und schlussendlich nicht realisiert.