Nachdem anfänglich 230 Millionen Euro veranschlagt worden waren, soll der Neubau des Klinikums Mitte nun 300 Millionen Euro kosten. Inzwischen nimmt das Gebäude Form an.
Wenn Michael Bester-Voss von Longfront-Baggern und Seismografen in der Radiologie spricht, gerät der Mann regelrecht ins Schwärmen. „Schauen Sie sich das mal an, mit welchen Herausforderungen wir es hier zu tun hatten. Das wissen viele gar nicht.“ Michael Bester-Voss kennt sie alle, die Herausforderungen und vor allem auch die Probleme, die der Teilersatzneubau am Klinikum Bremen-Mitte mit sich bringt.
Bester-Voss ist Abteilungsleiter im "Besonderen Projektmanagement" des Klinikverbunds Gesundheit Nord. Haus 31 auf dem Klinikgelände zwischen Bismarckstraße, St. Jürgen-Straße und Friedrich-Karl-Straße ist eine Art zweites Zuhause für ihn geworden. In seinem Büro stapeln sich Dutzende zusammengerollter Baupläne. Von der Tapete an den Wänden ist kaum noch etwas zu sehen, überall hängen Pläne und Zeichnungen.
Immer wieder größere Herausforderungen
„Ich weiß schon gar nicht mehr, wohin damit, wenn neue kommen", sagt er und zeigt auf eine Rolle, die gut zwei Meter lang ist. Der Plan zeigt den aktuellsten Stand der Großbaustelle mitten in der Stadt, die sogar schon einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beschäftigt hat. Das Gremium sollte herausfinden, warum der Neubau viel teurer und später fertig wird als ursprünglich geplant. Und wer dafür verantwortlich ist.
„Bei so einem komplexen Projekt können immer wieder einmal größere Herausforderungen auftauchen" sagt Bester-Voss. Von Problemen spricht der Projektmanager nicht gerne. Die letzte Herausforderung war ein Wassereinbruch nach einem Starkregen Anfang Juni. Auf 2500 Quadratmetern stand das Wasser mehrere Zentimeter hoch. Trockenbauwände, Estrich und Leitungen mussten aufwendig herausgerissen und neu verlegt werden.
Das könnte den Bau eventuell noch einmal verzögern. 2018 soll der Neubau in Betrieb sein, vier Jahre später als ursprünglich geplant. 230 Millionen Euro sollte er kosten, jetzt werden 300 Millionen Euro veranschlagt. Jede weitere Verzögerung auf der Problem-Baustelle wäre ein wirtschaftliches und politisches Desaster. „Wir sind gut im Plan“, sagt Bester-Voss.
Neubau soll lange Wege und Doppelstrukturen ersetzen
Zurück zu Longfront-Baggern und Seismografen in der Radiologie. Fast 20 Hektar groß ist das Gelände, auf dem sich vor Baubeginn die einzelnen Klinikgebäude verteilt haben. Lange Wege und teure Doppelstrukturen sollen durch den Neubau ersetzt werden. Auf vier Häuser, die miteinander verbunden sind, verteilen sich dann ab 2018 alle medizinischen Bereiche. „Viele Gebäude mussten dafür verschwinden. Abriss.

„Das ist allerdings alles andere als einfach mitten im laufenden Klinikbetrieb„, sagt Bester-Voss. Ein achtstöckiges Gebäude etwa, in dem früher einmal die Landesuntersuchungsanstalt untergebracht war, konnte deshalb nicht einfach gesprengt werden.
Seismografen messen Erschütterungen
„Wir haben aus Holland einen Longfront-Bagger kommen lassen, diese speziellen Maschinen mit den besonders langen Baggerarmen gibt es nicht oft. Damit ist das Gebäude von oben nach unten abgetragen worden“, erzählt der Projektmanager. Für einen Bunker mit zwei Meter dicken Betonwänden kam ein Bagger mit Abraspelkopf zum Einsatz. Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis das Mauerwerk des Bunkers heruntergeraspelt war.
Das Problem, pardon, die Herausforderung: Nebenan befindet sich die Radiologie mit besonders empfindlichen und teuren Geräten, die durch starke Erschütterungen beschädigt werden können. Bester-Voss: „Deshalb haben wir zur Kontrolle neben den Geräten Seismografen aufgestellt, die ansonsten Erschütterungen bei Erdbeben messen."
Zentral-OP ist das Herzstück
Longfront-Bagger und Seismografen sind längst von der Großbaustelle verschwunden. Dort, wo die alten Klinikgebäude standen, steht inzwischen der Neubau. In den unterschiedlichsten Ausbauzuständen. Mehrere Male in der Woche führt der Projektmanager Besuchergruppen durch das Erdgeschoss, wo sich später Ambulanzen und tagesklinische Bereiche befinden, vorbei an Verteilerräumen in die Technikzentrale, durch die Pflegestationen in Haus 3 bis in den Zentral-OP. Auf ihn ist Bester-Voss besonders stolz.
„Er ist das Herzstück des Neubaus mit 16 hochmodernen Operationssälen„, sagt er. Die Wände sind bereits gestrichen, die Anschlüsse für Strom, Druckluft und Monitore gelegt. Aus der Decke baumeln Kabel. Auf dem Flur liegen Reste des verlegten Linoleum-Bodens. „Kurze Wege sind auch hier das Konzept“, sagt Bester-Voss und geht weiter zur Intensivstation nebenan. Hier gibt es 36 Beatmungsplätze in Ein- und Zweibettzimmern.
Der Zentral-OP ist mit Haus 3, wo sich die Stationen für die erwachsenen Patienten befinden, und dem neuen Eltern-Kind-Zentrum verbunden. Möglicherweise wird es sogar noch um ein weiteres Geschoss aufgestockt.
Neubau nimmt Form an
Im Auftrag von Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt prüft der Klinikverbund, ob neben Kinderchirurgie und anderen Fachbereichen auch wieder eine Geburtsklinik und die Versorgung Frühgeborener hier untergebracht werden kann. 2012 war die Geburtshilfe an der St.-Jürgen-Straße wegen des Keimskandals geschlossen worden, drei Frühgeborene waren nach Infektionen mit Keimen gestorben. „Statisch ist das kein Thema“, sagt Bester-Voss. „Wir werden sehen.“
Der Neubau nimmt Form an. In einigen Bereichen lässt sich bereits der künftige Klinikbetrieb erahnen. Und riechen. In Patientenzimmern auf den Pflegestationen sind bereits Reinigungskräfte am Werk, putzen Bäder und wischen Schränke aus. Betten und andere Einrichtung fehlt noch. „Das dauert auch noch“, sagt Bester-Voss.
Was aber in den nächsten Wochen beginnen soll, ist die teilweise Abnahme der technischen Anlagen in einzelnen Bereichen. „2017 wollen wir mit der Teilinbetriebnahme beginnen, also die ersten Patienten rüberziehen“, sagt der Projektmanager.
Bester-Voss sieht keine Probleme
Dann muss die Technik funktionieren. Bei der Abnahme der technischen Anlagen wird jedes Teil angeschaut, ob es den Vorgaben entspricht, ob es Fehler gibt. Danach kommt der Probebetrieb. „Bis ein OP zum Beispiel lüftungstechnisch stabil fährt, dauert es rund vier Monate. In der Zeit darf dort nichts passieren, niemand darf darin herumlaufen, keine Tür geöffnet werden."
2018 sollen die 750 Patientenbetten in dem Neubau belegt werden. Bester-Voss ist optimistisch. „Klar, das ist eine Herausforderung, aber ich sehe im Moment keine Probleme.“