Es gibt eine Zahl, über die freut sich Wolfgang Helms besonders. Sie lautet sechs. So viele Geschäfte sind in der Fußgängerzone in den vergangenen drei Monaten neu hinzugekommen. Der Geschäftsführer des Vegesack Marketing nennt das einen guten Schnitt. Noch besser wäre er allerdings, wenn es nicht diese andere Zahl gäbe. Auch die lautet sechs. So viele Geschäfte haben gleichzeitig im Zentrum aufgegeben. Macht unterm Strich plus/minus null. Helms sagt es anders, vor allem positiver: „Im Zentrum ist Bewegung – und Bewegung ist gut.“
Deshalb geht es auch zu Fuß durch die Geschäftsstraßen. Helms will nicht nur über die neuen Läden reden, er will sie zeigen. Gleich vor der Markthalle bleibt er stehen. Auch sie hat einen neuen Mieter. Vom Schwarzmarkt, wie die Firma Black.de ihre Filialen nennt, ist noch nichts zu sehen. Im Herbst soll Eröffnung sein. Helms findet es gut, dass es in der leeren Halle bald wieder etwas zu kaufen gibt. Nur nicht, was: „Das Sortiment der Kette bringt das Zentrum kein Stück weiter.“ Dekoartikel, Haushaltswaren und Fahrradzubehör zum Niedrigpreis gebe es in jedem Supermarkt.
Auch wenn die Markthalle zum Schwarzmarkt wird, will das Vegesack Marketing seine Pläne weiterverfolgen: Das Grundstück des Stahl- und Glasgebäudes soll neu entwickelt werden. Und das des Finanzamtes daneben gleich mit. Weg mit der Markthalle, her mit einem Neubau, der größer als der alte ist. Damit mehr Geschäfte in die Fußgängerzone kommen können, argumentiert Helms. Und zwar auch solche, die nicht 200 Quadratmeter Verkaufsfläche brauchen, sondern 2000. Unten Läden, oben Büros und Wohnungen: Der Marketing-Mann hält das für eine Mischung, die Investoren und Projektentwickler interessieren müsste.

Ein Eingang, zwei Läden: Susanne Witt (rechts) verkauft Wolle, Marisa Deszczka Geschirr, Deko und Spielzeug. Früher waren sie in Grohn. Jetzt, in der Fußgängerzone, läuft das Geschäft so gut, dass die beiden Frauen ihr Sortiment erweitern wollen.
Gesprochen hat der Verein der Kaufleute weder mit den einen noch mit den anderen. Dafür mit der Wirtschaftsförderung. Was die sagt, will Helms noch nicht sagen. Nur so viel: „Dass die Markthalle wieder einen Mieter hat, muss ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Sedanplatz und die Gebäude so bleiben müssen, wie sie jetzt sind.“ Keine Hundert Meter entfernt hat sich etwas verändert. Helms geht in die Richtung, in der die Hausnummern der Gerhard-Rohlfs-Straße kleiner werden. Er will zur Nummer 58 – früher ein Kosmetikstudio, jetzt das „Back Store Café“. Seit August ist es da. Damit ist es eines der neuesten Neuzugänge auf Helms‘ Liste.
Bei diesem Wechsel hat alles gepasst. Das Studio wollte raus, der Café-Betreiber rein. Keine Probleme, kaum Leerstand. Das ist nicht immer so. Später wird Helms Läden zeigen, die mit den Jahren quasi unvermietbar geworden sind – mal wegen schwieriger Vermieter, mal wegen zu hoher Sanierungskosten. Und manchmal wegen beidem. Eine Leerstandsquote von null wird es in der Fußgängerzone deshalb nie geben. Momentan sind elf Geschäfte ohne Mieter. Genauso viele wie im Oktober vergangenen Jahres. Aber deutlich weniger als vor sechs Jahren. Damals standen 21 Läden leer.
Helms will weiter. Diesmal in die andere Richtung, in die Eins-a-Lage der Fußgängerzone. Für den Geschäftsführer des Marketing ist das der Abschnitt zwischen Breite Straße und Volksbank. Dorthin, sagt er, wollen alle. Helms hat so viele Anfragen für diesen Bereich, dass es eine Warteliste gibt. Momentan stehen vier Firmen drauf. Welche das sind, lässt der Mann vom Marketing offen. Er sagt nur, was sie suchen – „mindestens 200 Quadratmeter Verkaufsfläche“. Der O2-Shop, der seit Kurzem leer steht, kommt für sie deshalb nicht infrage.
Der Umsatz steigt
Susanne Witt und Marisa Deszczka haben es geschafft. Seit einem dreiviertel Jahr sind sie im Zentrum des Zentrums. Sie gehören damit zwar nicht zu den Neuzugängen der vergangenen Monate, mal reinschauen will Helms trotzdem. Witt und Deszczka haben ein Geschäft, das eigentlich aus zwei Läden besteht. Über dem Schaufenster steht links „Glückskind“, rechts „Wollzeit“. Witt verkauft Wolle, Deszczka Geschirr, Deko, Spielzeug. Früher waren sie in Grohn. Deszczka sagt, dass sich der Umzug gelohnt hat: „Das Geschäft läuft so gut, dass wir dabei sind, unser Sortiment zu erweitern.“
Auch Gilbert John macht mehr Umsatz. Auch er ist dort, wo laut Helms alle hinwollen. Im April wechselte er von der Alten Hafenstraße in die Fußgängerzone. Ganz zufrieden ist der Chef von „Weser Sport“ dennoch nicht. John hatte geglaubt, noch mehr Umsatz zu machen: „Die Erwartungen waren höher.“ Alles, sagt er, ist gestiegen. Die Zahl der Käufe, die Zahl der Kunden, aber eben auch die Miete. Johns Geschäft ist kein reines Sportgeschäft. Es bietet vor allem Mode – und füllt darum die Sportlücke im Branchenmix des Zentrums nur halb. Wer etwa einen Tennisschläger sucht, findet ihn nur außerhalb.

Sechs neue Läden in drei Monaten: Für Wolfgang Helms ist das ein guter Schnitt. Der Geschäftsführer des Vegesack Marketing geht davon aus, dass die Zahl der leeren Läden Ende des Jahres einstellig ist.
Es gibt noch mehr Lücken als diese. Helms sagt, dass Läden fehlen, die alles haben, was Kleinkinder und Babys so brauchen. Ebenso Geschäfte für junge Mode. H&M hat junge Mode. Ob die Handelskette ihren Store im Haven Höövt schließt, um einen neuen in der Fußgängerzone zu eröffnen, darüber kann Helms nur spekulieren: „Bisher liegt uns keine Anfrage des Unternehmens vor.“ Der Geschäftsführer des Vegesack Marketing biegt in die Reeder-Bischoff-Straße ab. Auch dort gibt es Mode. Und seit einigen Monaten auch Fest- und Brautmode.
„Gold Couture“ steht auf dem Schaufenster. Seit April gibt es das Geschäft. Es schließt zwar keine Lücke, aber besonders ist es doch. Die Kleider hinter der Scheibe haben für Helms etwas Orientalisches. Sie sind so reich bestickt und verziert, dass er annimmt, der Inhaber rechne vor allem mit türkischen und arabischen Frauen als Kundinnen. Auch der nächste Name ist kein deutscher. „Friseur By Nedim“ steht über einem Laden nur wenige Meter weiter. Er ist der neueste der Neuzugänge. Seit drei Wochen hat das Geschäft geöffnet.
Andere bauen noch um. Der Martins-Club etwa, der neue Räume an der Reeder-Bischoff-Straße bezieht. Beim Haus nebenan hängt ebenfalls ein Hinweiszettel an der Scheibe: „Bald Eröffnung.“ Zu sehen gibt es in den Räumen noch nichts, dafür aber einen Namen zu lesen, wie das Geschäft später heißen soll: „Inspiration“. Und was es demnächst zu kaufen gibt: Zubehör fürs Yoga, Deko, Buddhas, Kartendecks. Helms sagt, dass immer mehr Leute eine Marktnische suchen. Und dass die Zeitspanne, in der ein Laden leer steht, zusehends kürzer wird. Nicht mehr Jahre, sondern Monate. Und manchmal bloß Wochen.
Helms geht davon aus, dass der Trend anhalten wird. Dass der Schwung in der Fußgängerzone bleibt. Und dass er zum Ende des Jahres etwas vermelden kann, was noch nie vermeldet wurde: eine Leerstandszahl, die einstellig ist.