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Kaufhaus Hemelingen Neue Perspektive für Langzeitarbeitslose bei "Eisen Werner"

Langzeitarbeitslose bekommen im ehemaligen Eisen-Werner eine neue Perspektive. Seit einem Jahr können sie sich im neuen "Kaufhaus Hemelingen" auf den Arbeitsmarkt vorbereiten.
01.03.2018, 06:04 Uhr
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Neue Perspektive für Langzeitarbeitslose bei
Von Christian Hasemann

Die Dielen knarzen, wenn Leyla Cubukcu in den Räumen des ehemaligen Eisenwarengeschäfts Eisen-Werner in Hemelingen hin und her läuft und Geschirr, Bücher und Kleidung in die Regale räumt. Seit einem Jahr wächst da, wo einst Schrauben und Muttern über die Ladentheke wanderten, ein in Bremen einzigartiges Projekt zusammen, das Menschen wie Leyla Cubukcu den Weg zurück in die Arbeitswelt ermöglichen soll.

„Kaufhaus Hemelingen“ steht auf den großen Schaufenstern, in einer Ecke mit Blick auf die Hemelinger Bahnhofstraße lädt das Café Werner zu Kaffee und Kuchen ein. Die großen Regalreihen mit den vielen Schubfächern sind erhalten und auch der Verkaufstresen ist weitgehend unverändert. Möbel stehen zum Verkauf, ebenso wie Bücher, Spiele, Elektronikartikel.

Eigentlich alles, was in einem Haushalt benötigt wird, und das zu einem günstigen Preis. Das Kaufhaus entspringt einer Kooperation des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) und der Beschäftigungsträger Gröpelinger Recycling Initiative (Grie) und Projob. Das Ziel: Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt bringen.

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„Wir wollten ein arbeitsmarktnahes Angebot schaffen“, erklärt Thomas Tscheu, Geschäftsführer bei Projob. Das Angebot richtet sich außerdem an Menschen mit „Vermittlungshemmnissen“ wie es im Bürokratendeutsch heißt. Gemeint sind Menschen mit psychischen und gesundheitlichen Problemen sowie Sucht-Erkrankungen.

Im Kaufhaus Hemelingen bekommen sie die Möglichkeit, alle Aspekte des Verkaufs und der Dienstleistung kennenzulernen. Die Zuständigkeiten sind dabei aufgeteilt: Während der ASB das Café betreibt, kümmern sich die Mitarbeiter der Grie um die Möbel und Projob um den Verkauf von Textilien und Haushaltsgegenständen.

Die Bandbreite der Beschäftigung reicht bis hin zu sozialversicherungspflichtigen Stellen. Der Lohn wird bei diesen zu 75 Prozent vom Jobcenter gezahlt, das restliche Viertel muss über den Verkauf erwirtschaftet werden. Das gesamte Projekt bekommt außerdem Geld aus dem Förderprogramm Bildung und Wirtschaft im Quartier (Biwaq). Unterstützung erhalten die 20 Teilnehmer von Anleitern und Sozialarbeitern.

Zeitliche Befristung bereitet Kummer

Die Anstellung im Kaufhaus Hemelingen hat allerdings eine Ablaufzeit: Maximal zwei Jahre können Langzeitarbeitslose dort arbeiten – das ist die Höchstförderdauer. Danach folgt entweder der Sprung in den ersten Arbeitsmarkt, eine Anschlussmaßnahme oder der Gang zum Jobcenter. Die Erfolgsquote liegt nach Thomas Tscheus Angaben bei 33 Prozent. „Aber für jeden Einzelnen, bei dem es klappt, hat es sich gelohnt.“

Im Gespräch mit den Teilnehmern ist es genau diese zeitliche Befristung, die Kummer bereitet. Leyla Cubukcu hat als Ein-Euro-Jobberin bei Projob angefangen, ist dann ins Kaufhaus gewechselt, wo sie inzwischen als Ehrenamtliche arbeitet. „Ich möchte hier gar nicht mehr weg, die Arbeit, die Kollegen, es macht mir einfach Spaß, hier zu arbeiten“, sagt die 58-jährige gelernte Frisörin, die ihre Chancen, noch einmal im ersten Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden, als gering einstuft.

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Christina Ziegeler verdrängt die Zeit nach dem Kaufhaus. „Ich möchte da gar nicht drüber nachdenken“, sagt sie mit leiser Stimme. „Gerade, wenn man sich eingewöhnt hat, muss man wieder den Job wechseln“, sagt sie. Vor ihrer Anstellung in Hemelingen, habe sie beim Jobcenter gebettelt, ob sie nicht etwas für sie hätten. Vorher war sie vier Jahre arbeitslos, hat ursprünglich Verkäuferin gelernt.

Ein Job, den sie nach einem Bandscheibenvorfall nicht mehr ausüben könne. Im Café Werner hat sie nun eine für sich sinnstiftende Arbeit gefunden. „Das hat mir viel Kraft gegeben, ich habe lange, lange keine Rückenschmerzen mehr gehabt, seit ich hier bin.“ Seit der Eröffnung vor einem Jahr gehört auch Andreas Bode zum Team im Kaufhaus.

Sein Fachgebiet: Möbelauf- und -abbau und der Verkauf. Er schiebt den Gedanken nach der Zeit in Hemelingen noch beiseite. „Ich habe noch nicht drüber nachgedacht, was dann passiert.“ Das Problem der zeitlichen Befristung ist auch den Beschäftigungsträgern bekannt. Die Antwort könnte ein sozialer Arbeitsmarkt mit dauerhafter Förderung von Arbeitsplätzen sein. Der Grundgedanke: statt Arbeitslosigkeit wird Arbeit finanziert.

Pläne für die Zukunft

„Es wird geschätzt, dass es mehr als 250.000 Menschen gibt, die auf den ersten Arbeitsmarkt nichts werden, weil dieser zu anspruchsvoll ist“, sagt Jobst vom Schwarzkopf vom ASB, einer der maßgeblichen Initiatoren des Kaufhaus Hemelingen. Diese Menschen bräuchten einen gewissen Schutzraum und ein geschütztes Arbeitsumfeld. „Dafür wäre ein sozialer Arbeitsmarkt als Ergänzung zum regulären ideal“, meint Jobst von Schwarzkopf.

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen verharrt trotz der derzeit guten Konjunktur hartnäckig bei knapp 900.000. Tatsächlich scheint sich die Politik aber dem Problem anzunehmen: Im Koalitionsvertrag haben sich SPD und CDU auf ein Programm „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ geeinigt. Mit öffentlichen Mitteln sollen bis zu 150.000 Langzeitarbeitslose im geförderten Arbeitsmarkt einen Job bekommen. Von 2018 bis 2021 sind dafür vier Milliarden Euro eingeplant.

In Hemelingen würde das Programm sicherlich gut aufgenommen werden. Für die Zukunft hat das Kaufhaus jedenfalls Pläne: Der Standort im ehemaligen Eisen-Werner soll erhalten bleiben und zusätzlich wird an anderer Stelle in der Hemelinger Heerstraße eine separate Möbelhalle aufgebaut.

Diesen Donnerstag feiert das Kaufhaus ab 13 Uhr in der Hemelinger Bahnhofstraße 21 sein einjähriges Bestehen.

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