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Areal im Umbruch Neuentwicklung des Neustädter Hafens

Ein Lokal muss schließen und das gesamte Areal drumherum muss darum fürchten, von Grundauf neu konzipiert zu werden. Die Stadt weiß noch nicht, was sie dort bauen wird - oder verrät es noch nicht.
02.07.2016, 00:00 Uhr
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Neuentwicklung des Neustädter Hafens
Von Jürgen Hinrichs

Ein Lokal muss schließen und das gesamte Areal drumherum muss darum fürchten, von Grundauf neu konzipiert zu werden. Die Stadt weiß noch nicht, was sie dort bauen wird - oder verrät es noch nicht.

Ganz am Ende, an der Spitze einer Halbinsel, liegt ein Lokal, das es bald nicht mehr geben wird. Kein Spargel mehr und ein Bier dazu, kein Matjes oder die Kapitänsplatte „Lankenauer Höft“, was der Name des Restaurants ist. Es muss schließen, weil der Pachtvertrag nicht verlängert wurde – das Ende eines Betriebs, der seit 39 Jahren von derselben Familie geführt wird.

Gutbürgerliche Küche

An gleicher Stelle soll etwas anderes entstehen, was genau das sein wird, weiß die Stadt noch nicht oder sie will es nicht verraten. Klar ist, dass nicht allein das Lokal betroffen ist. Mit dem Lankenauer Höft könnte etwas in Gang kommen, was am Ende mindestens das gesamte Areal am Eingang zum Neustädter Hafen beträfe, wenn nicht gar den Hafen insgesamt. Ein neues großes Projekt der Stadtentwicklung, ähnlich dem in der Überseestadt.

Zunächst einmal geht es aber um das Restaurant. Zur Mittagszeit und auch am Abend kehren dort Gäste ein, die den Klassikern der gutbürgerlichen Küche zugetan sind. An diesem Tag ist es unter anderem ein älteres Ehepaar aus Schierbrok im niedersächsischen Umland. „Wir sind häufiger hier“, sagt die Frau, „es ist echt der Hammer, dass das Lokal geschlossen wird.“ Ihr Mann schweigt und widmet sich seinem Rührei, den Krabben und den Bratkartoffeln. „Deutsche Küche“, sagt sie, „die gibt es immer weniger.“ Das Essen allein ist es für die beiden aber nicht. „Wir gehen hier auch gerne spazieren, und kommen Sie mal im Winter, am Abend, wenn es dunkel ist – die ganzen Lichter!“

Öffnung für Wohnungen

Die Lichter vom Hafen und in der Ferne vom Stahlwerk und den Windrädern drumherum. Zur anderen Seite schaut man in die Überseestadt hinein, sieht den Landmark-Tower und die umliegenden Häuser. Es ist eine besondere Lage, und lange schon, dass überlegt wird, was man daraus machen könnte. „Der Beirat wünscht sich seit Jahren, dass man ein ganzes Paket entwickelt“, erklärt Michael Radolla vom Ortsamt Neustadt/Woltmershausen. Mehr als nur Flickschusterei an der einen oder anderen Stelle, stattdessen ein Gesamtkonzept, das die Flächen auch touristisch aufwertet.

Im Schwange sind aber noch ganz andere Überlegungen, wie aus sicherer Quelle zu hören ist und von anderen Seiten regelmäßig kolportiert wird: Der Neustädter Hafen könnte für Wohnen geöffnet werden. So wie vor 15 Jahren das Areal rund um den Europahafen und andere Gebiete im alten Hafen in Walle. Für die Planer ist das ein reizvoller Gedanke, weil er gleich mehrere Ziele verfolgt: Wohnraum schaffen, von dem es in der Stadt zu wenig gibt. Flächen vitalisieren, die bisher kaum genutzt werden. Und den Säckel der Finanzsenatorin füllen, die im großen Stil an Investoren verkaufen könnte.

Wiederaufnahme des Flugboot-Betriebs?

Verwaltet werden die Flächen von der stadtbremischen Hafengesellschaft Bremenports. Das Grundstück vom Lankenauer Höft, benannt nach dem Dorf Lankenau, das 1964 dem Neustädter Hafen weichen musste, ist ein Teil davon und soll nicht verkauft, sondern im Erbbaurecht vergeben werden, wie Bremenports mitteilt. Es wird demnach für potenzielle Nutzer eine Ausschreibung geben. „Wir orientieren uns dabei an Überlegungen des Beirats Woltmershausen“, erklärt Rüdiger Staats, Sprecher der Hafengesellschaft, „die politischen Vertreter vor Ort haben großes Interesse an einer Aufwertung des Areals, das seine Möglichkeiten trotz der attraktiven Lage am Weserufer nicht ausschöpft.“

Eine Möglichkeit wäre, an der Stelle den Flugboot-Betrieb, den es dort mal gegeben hat, wieder aufzunehmen. Den Probelauf dafür hat es bereits gegeben. Es sollte getestet werden, wie viel Lärm die Fahrzeuge verursachen, bevor die Luftfahrtbehörde eine Entscheidung trifft. Interessiert ist eine Firma aus Dötlingen, die auf der Weser zu Verkaufszwecken ihren selbst konstruierten „Flugwal“ vorführen will.

Im Gasthof aufgewachsen

Doch das ist es sicherlich noch nicht, was sich der Beirat als Aufwertung des Areals vorstellt. Zumal bei den Anwohnern auf beiden Seiten der Weser wegen des Flugboot-Plans große Skepsis herrscht, weil sie ihre Ruhe in Gefahr sehen. Mehr als aufs Wasser schauen die Planer denn auch aufs Land, wo auf der Halbinsel heute ein Gebäude steht, in dem neben dem Restaurant auch Büroräume untergebracht sind, die allerdings seit Jahren leer stehen.

Joachim Oekermann, der bisherige Pächter vom Lankenauer Höft, hat vor anderthalb Jahren davon erfahren, dass für sein Lokal nach Ablauf des Pachtvertrages Schluss ist. So richtig wahrhaben wollte er es damals nicht, „wir hatten immer noch gehofft und wollten die Pferde nicht scheu machen“, sagt der 51-Jährige. Er ist schließlich in dem Gasthaus aufgewachsen, seine Eltern hatten es vor 39 Jahren überhaupt erst dazu gemacht. „Vorher waren hier die Festmacher aus dem Hafen drin.“ Und nun soll Ende des Jahres alles vorbei sein – ein Trauerspiel für Oekermann, der noch zu jung ist, um sich zur Ruhe zu setzen, und seine neun Angestellten. „Wir sind wie eine Familie, manche sind seit 30 Jahren bei mir.“

Eine Alternative haben sie noch nicht. „Es gab Angebote der Brauerei für Lokale in Stuttgart und München“, erzählt Oekermann und grinst, obwohl ihm gar nicht danach ist. Stuttgart! München! Der Gastwirt ist Bremer und will in seiner Heimat bleiben. Jetzt hat er noch ein halbes Jahr, so lange bleibt sein Restaurant geöffnet.

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