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Tierschutz Neues Netz in der Bremer Innenstadt bringt Vögel in Not

An der Galeria-Kaufhof-Fassade in der Bremer Innenstadt sterben Tauben. Tierschützer fordern jetzt professionelle Taubenschläge, um 200 obdachlosen Tieren zu helfen.
23.11.2018, 21:02 Uhr
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Von Eva Przybyla

Selbst wer die grau gefiederten Stadtbewohner nicht mag, dieses Schicksal würde ihnen wohl niemand wünschen: In den vergangenen Wochen sind nach Schätzungen des Vereins Stadttauben 20 Vögel an der Fassade der Galeria-Kaufhof-Filiale in der Innenstadt verendet, weil das Unternehmen sein Schutznetz ausgewechselt hatte. Einige Tauben waren demnach hinter dem Netz gefangen und verletzten sich tödlich bei ihren Fluchtversuchen.

Andere Tauben seien durch das Netz von ihren Nestern getrennt worden. Bei dem Versuch, zu ihren hungernden Küken durchzudringen, hätten sich die Elterntiere lebensgefährliche Verletzungen zugezogen. Noch am Freitag verhakten sich zwei Tiere nach Angaben des Bremer Tierschutzvereins so sehr in den Maschen, dass sie ihre Beine verloren. Mehr als 20 Tiere hätten die Tierschützer zusammen mit dem Verein Stadttauben Bremen retten können. Nichtsdestotrotz gibt es Vorwürfe von verschiedenen Seiten gegen die Firma, die das Netz eingerichtet hatte und von der Filialleitung von Galeria Kaufhof beauftragt worden war.

Im Januar hatte ein Anwohner der Kaufhof-Filiale am Hanseatenhof das Veterinäramt der Stadt benachrichtigt. Er beklagte, dass die Schutznetze an der Fassade beschädigt seien. Die dort nistenden Tauben würden sich verhaken, berichtet Christina Selzer, Sprecherin im Gesundheitsressort. Die Tierschutzbehörde habe daraufhin die Netze geprüft und die Filialleitung aufgefordert, diese auszutauschen. Die Leitung habe Ende Oktober einen runden Tisch mit dem Tierschutzbund und der beauftragten Firma einberufen. Dort seien die Pläne für die Erneuerung diskutiert worden. „Es galt das Zwölf-Augen-Prinzip“, sagt Selzer. Das bedeutet: Alle Parteien waren involviert.

"Alles war abgemacht"

Auch die Geschäftsführerin von Galeria Kaufhof in Bremen, Dorothee Uhle, betont in einer schriftlichen Stellungnahme: Das Unternehmen habe mit beiden Akteuren einen klaren Zeit- und Maßnahmenplan zur Demontage des alten Netzes und zur Anbringung des neuen Netzes erstellt. Auch das Veterinäramt sei über alle Pläne informiert gewesen, selbst über die geplante tierschutzgerechte Vorgehensweise.

„Alles war abgemacht, die Transportkisten standen bereit“, erinnert sich auch die beteiligte Leiterin des Bremer Tierschutzvereins, Gaby Schwab. Sie betont, dass die Kaufhofleiterin sehr bemüht und kooperativ gewesen sei. Trotzdem kam es am 20. Oktober offenbar zum Chaos, als die Netze abgenommen wurden. „Die Arbeiter haben sich nicht an die Absprachen gehalten“ sagt Schwab. Sie hätten behauptet, dass keine Tiere mehr in der Fassade wären und das Netz darüber gespannt. Besser wäre gewesen, wenn man die Tiere zunächst eingefangen und dann die Netze ausgetauscht hätte. „So waren die Brutplätze abgeschnitten. Die Mütter wollten an die Nester heran“, erklärt Schwab weiter.

Insgesamt 24 Tauben übernahm das Tierheim trotzdem vor Ort, teilt Uhle von Galeria Kaufhof mit. Die Vögel hätten beim Öffnen der Netze nicht wegfliegen können. Es seien verletzte Tauben, Jungtauben und Küken gewesen. Vier weitere Tiere seien Ende vergangener Woche befreit worden. Die Feuerwehr habe noch ein weiteres Nest geborgen.

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Die Auffassung, dass die Lage an der Kaufhof-Fassade nun wieder unter Kontrolle ist, teilt Christine Dittmann vom Verein Stadttauben nicht. Eine „Katastrophe“ nennt sie das Taubensterben. Seit Ende Oktober inspiziert sie oder ein anderes Vereinsmitglied nach eigenen Angaben täglich die Fassade. Ihnen sei schon früh aufgefallen, dass Tauben hinter den Netzen eingeschlossen waren. Sie hätten etwa am Schacht des gläsernen Außenfahrstuhls gelauscht und die eingesperrten Küken fiepsen hören.

„Wir mussten fast betteln und bitten, die Tiere befreien zu dürfen“, sagt Dittmann. Als die Filialleitung sie endlich an den Schacht ließ, hätten sie sieben Jungtiere gefunden. Insgesamt 22 Tiere haben die Mitglieder des Vereins nach eigenen Angaben mit Keschern befreit. Die Facharbeiter seien dabei keine professionelle Hilfe gewesen – im Gegenteil. „Sie haben die Tiere in Angst versetzt“, kritisiert Dittmann. Ihrer Meinung nach müssen sich Fachleute um das Umsiedeln der Tauben kümmern.

"Wir brauchen Taubenschläge"

Doch die Taubenschützerin belässt es nicht bei einer Kritik an der Firma, die die Netze ausgetauscht hat. Sie fordert eine nachhaltige Lösung für die etwa 200 Tauben, die nun nicht mehr in der Kaufhausfassade brüten und rasten können. „Die Tiere fliegen jetzt in die warme Lloyd-Passage“, sagt sie. Denn Tauben wechselten ihren Lebensort in der Regel nicht. Als Brieftauben seien sie ursprünglich so gezüchtet worden.

Der Verein Stadttauben diskutiere deshalb Lösungen mit Filialleiterin Uhle sowie Brepark und den Eigentümern der Kaufhof-Garage. „Wir brauchen Taubenschläge“, sagt Dittmann. Zwei Vorschläge hätten die Taubenschützer Uhle dazu bereits gemacht: Eine Option sei ein Container auf dem Dach des Parkhauses, die andere ein verlassener Außengang der ersten Kaufhausetage. Beide Orten sollten das enthalten, was Tauben brauchen: Nistplätze und Futter.

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