Beifang nennen die Fischer das, was sie fangen, ohne danach geangelt zu haben. Die Polizei spricht von Banalschrott: Was sie an Bierdosen und Grillrosten aus dem Morast des abgepumpten Tietjensees geholt haben, steht nicht im Zusammenhang mit dem vermuteten Mord an Jutta Fuchs aus Farge. Die Frau wird seit mehr als 25 Jahren vermisst, ihr damaliger Verlobter muss sich vor dem Landgericht Bremen verantworten, ein Urteil ist für den 20. November geplant.
Eine Pistole, nach der als möglicher Tatwaffe gesucht wurde, fand sich nicht. Zuletzt war gar nichts mehr im Tietjensee, auch kein Wasser. Silberkarpfen, Aale und kleine Barsche wurden umgesetzt. Berufsfischer Horst Gischewski ist stolz darauf, dass alle Tiere den Umzug in seine Teiche überlebt haben – ohne Garantie für die letzte Teichmuschel am Tietjenseegrund.
Jetzt, nachdem einmal Tabula rasa im Teich gemacht worden ist, stehen Gischewski und seinem Folgeauftraggeber größere Aufgaben bevor. Pächter Mathias S., der nicht mit ganzem Namen genannt werden möchte, „will erst mal die Wasserqualität wieder herstellen“, wie er sagt.
Anfang November war der Teich wieder befüllt worden mit Wasser aus dem nahen Mühlenfleet in Neuenkirchen, einem Ortsteil von Schwanewede. Die Ortsfeuerwehr hatte dem Technischen Hilfswerk beim Abpumpen im Oktober geholfen – und als es „Wasser marsch retour“ hieß, waren Brandmeister Rolf-Dieter Thies und seine Leute wieder zur Stelle.
Rund 35 Millionen Liter fasst der See. Fürs Elementare ist schon mal gesorgt. Nur die Fische werden noch etwas auf sich warten lassen: „Noch gibt es ja kein Teichkraut, da ist ja nichts zu fressen“, sagt Mathias S. „Was die Bepflanzung betrifft, muss ich erst Horst, meinen Fischer, fragen.“ Die gerichtlich angeordnete Aufräumaktion hat etwas für sich: „Die Fische, die da vorher drin waren, die sind auch nicht mehr richtig satt geworden“, vermutet Mathias S., der den Tietjensee erst seit dem Sommer bewirtschaftet. „Da waren kaum Pflanzen drin.“ Nun bietet sich die Gelegenheit zum Neustart in Neuenkirchen.
Eine halbe Tonne Silberkarpfen
Horst Gischewski hatte den Ermittlern das Gewässer „fischfrei“ übergeben. Wenige Zentimeter kleine Barsche, die bisweilen auch fälschlich als Rotbarsche bezeichnet worden waren, und so einige 14 Jahre alte stattliche Aale, die mittlerweile geräuchert und verkauft sind, hatte der Fischer aus dem Gewässer geholt.
Vor allem aber hatte er rund eine halbe Tonne Silberkarpfen abgekeschert: fast alles Zehn-Kilogramm-Exemplare, die der Beverstedter Berufsfischer im Wassertank auf dem Anhänger seines Geländewagens in einen extra leer geräumten eigenen Teich umgesetzt hatte. Heimisch ist diese Karpfenart nicht. Wer sie im Tietjensee angesiedelt hat und warum, sei ihm ein Rätsel geblieben, sagt Gischewski. „Die haben so viele Gräten, dass sie praktisch ungenießbar sind.“
Inzwischen hat der 68-Jährige einen Weg gefunden, aus dem vor Jahrzehnten beim Aushub von Baumaterial für den Weserdeich entstandenen See einen Quell der Anglerfreude zu machen – und ist im Auftrag des Pächters offenbar mit Kunden handelseinig geworden: Alle Speisefische würden verkauft, „wohl nach Holland, für Fischfrikadellen“, sagt Horst Gischewski. Aus dem Erlös der halben Tonne Silberkarpfen sollen neue Fische beschafft werden. Er denkt dabei an Rotauge, Rotfeder, Brasse, Güster, Karpfen und Schleie. „Und als Kleinfische Moderlieschen, Gründling und Bitterling.“ Das etwa 150 mal 80 Meter große Gewässer biete Platz für weit mehr als eine halbe Tonne Fisch.
"Der See läuft mir ja nicht weg"
Die Besatzzeit beginnt gerade erst und kann, wie Gischewski sagt, bis ins Frühjahr dauern, falls es keinen Frost gibt. Allmählich hätten sich die Gewässer auf rund elf Grad Celsius abgekühlt. „Wenn es zu warm ist, besteht die Gefahr, die Fische zu beschädigen. Je kälter es ist, desto mehr Zeit hast du“, sagt er, weil dann der Sauerstoff nicht so knapp sei. Im Oktober, als er den Tietjensee leer gefischt hat, sei es noch sonnig und warm gewesen, unter den Tieren aus dem Teich habe es aber dennoch „keine Toten“ gegeben.
Pächter Mathias S. will klein anfangen und sich Zeit lassen. Nachdem sein Tietjensee durch den Medienrummel bekannt geworden ist, macht er sich Sorgen über Schwarzangler: „Der Jungfischbesatz sind erst mal Kleinfische, die frühestens nächstes, vielleicht erst übernächstes Jahr gefangen werden können.“ Noch aber ist da kein Fisch, der sich angeln ließe. Erst einmal müssten die Pflanzen als Futter gedeihen. „Der See läuft mir ja nicht weg.“