Nicht mehr lange an diesem Nachmittag und die Flut läuft zur Höchstform auf. Anderthalb Meter über dem mittleren Hochwasser, haben die Experten als Spitzenwert vorhergesagt. „Harmlos“, sagt Henry Behrends, aber ein bisschen nervös ist er doch.
Der 51-Jährige leitet bei der Hafengesellschaft BremenPorts den Krisenstab. Er koordiniert den Schutz der Deiche in Bremerhaven – an diesem Tag und vor allem in der Nacht, die kommen wird. Das ist es, was Behrendts nervös macht – die nächste Sturmflut mit ihrem Scheitelpunkt um 3.08 Uhr in der Nacht zum Nikolaustag.
Da lautet die Prognose, dass Höchststände dabei sind, die bis zu vier Metern über dem mittleren Hochwasser liegen könnten. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt der BremenPorts-Mann. Er wird mit seinen Leuten die Nacht durcharbeiten und immer wieder Trupps losschicken, die entlang der Deiche nach dem Rechten sehen.
„Es könnte schlimmer kommen als bei der Sturmflut 1962, aber in der Zwischenzeit haben wir ja viel getan und die Deiche so gesichert, dass eigentlich nichts passieren kann.“ Eigentlich, sagt Behrendts. Man wird sehen.

Helmut Behrends ist bei BremenPorts für den Küstenschutz zuständig.
Der Wind ist wie eine Wand
Zunächst einmal ist es aber diese Sturmflut, am Donnerstagnachmittag um drei. Der Wind auf dem Deich ist wie eine Wand, man kann sich anlehnen. Vereinzelt stehen Neugierige im Sturm, geben aber schnell auf und verschwinden den Deich hinunter. Blaulicht vor den Parkplätzen an der Geeste, wo das Wasser mit Macht hineindrückt.
Die Polizei sperrt ab und sorgt dafür, dass abgeschleppt wird. „Seit Tagen ist das Thema in den Medien, und dann gibt es doch wieder Leute, die vergessen, ihre Autos wegzufahren“, schimpft einer der Beamten.
Die Häuser entlang der Geestemündung sind teilweise mit Brettern und Sandsäcken geschützt. Dieser Ort in Bremerhaven ist ein neuralgischer Punkt, hier könnte das Wasser schnell meterhoch stehen.
In der Nacht wird er auf dem Posten sein
Frank Welze zurrt an den Stahlplatten, die er vor die Fenster gesetzt hat, die letzten Schrauben fest. „Die Sandsäcke werden noch geliefert“, sagt der 43-Jährige. Er ist Hausverwalter und will seine Mieter schützen. In der Nacht wird er am Haus auf dem Posten sein. Sicherheitshalber.
„Wir bleiben aber ganz ruhig“, sagt Welze. Er ist Segler, an der Küste aufgewachsen und kennt was von Wind und Fluten. Bremerhaven wirkt an seiner Wasserkante wie verwaist. Lokale schließen, kaum Leute auf den Straßen, kaum Autos. Die Stadt wettert nach Jahren der Ruhe ihre erste Sturmflut ab und wartet mit Bangen schon auf die nächste. In der Nacht kommt es drauf an, dann droht die Nikolaus-Flut.